Interview "Lesben und Schwule sind nicht schlechtere Eltern"
31.07.2001, 11:28 UhrHomosexuelle Paare können sich nun auch in Deutschland als Lebenspartnerschaft registrieren lassen. Ein Grund zum Feiern oder nur ein längst überfälliger Schritt in die richtige Richtung? Rede und Antwort steht Klaus Jetz, Pressesprecher des Lesben- und Schwulenverbandes Deutschlands (LSVD) in Berlin.
n-tv.de: Sind Sie bereits zu einer Hochzeit eingeladen? Wie viele Trauungen wird es an diesem ersten Tag in Berlin voraussichtlich geben?
Klaus Jetz: Ja, am 1. August um 9 Uhr findet die erste Eintragung am Standesamt Schöneberg hier in Berlin statt. Dazu bin ich eingeladen. Mehrere Vertreterinnen und Vertreter des LSVD werden an dieser Zeremonie teilnehmen.
n-tv.de: Ist das nun in Kraft getretene Gesetz für Sie ein Grund zum Feiern, oder bleiben doch noch zu viele Wünsche offen?
Klaus Jetz: Das Inkrafttreten der Lebenspartnerschaft ist ein großer Schritt nach vorn, in Richtung rechtliche Gleichstellung homosexueller Paare und mithin natürlich ein Grund zum Feiern. Eintragungswillige Paare erhalten erstmals eine rechtliche Grundlage und Anerkennung. Generell wird sich die Lebenspartnerschaft Akzeptanz steigernd auswirken.
Dennoch: Offen bleibt die Verabschiedung und das Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetzes (LPartErgG), welches noch immer im Vermittlungsverfahren hängt. Wir pochen auch hier auf hundertprozentige Umsetzung, denn alles andere wäre Diskriminierung.
Des weiteren gilt es nunmehr, das Adoptionsrecht und das gemeinsame Sorgerecht für homosexuelle Paare zu erstreiten. Lesben und Schwule sind nicht schlechtere Eltern als heterosexuelle Menschen. Es gibt keinen vernünftigen Grund, Lesben und Schwule davon auszuschließen, zumal unzählige homosexuelle Paare bereits mit Kindern zusammenleben. Unsere Freundinnen und Freunde in den Niederlanden haben über zehn Jahre für das Adoptionsrecht gekämpft. Wir werden alles daran setzen, dass es in Deutschland nicht so lange dauert!
n-tv.de: Die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der Ehe ist ja keine neue Forderung. War die Umsetzung schnell oder eher zäh?
Klaus Jetz: Die letzten zwei Jahre waren doch eher zäh. Wir haben unseren Forderungen durch unzählige Aktionen Nachdruck verleihen müssen. Denkt man jedoch in längerfristigen Kategorien, dann sieht es schon anders aus. Der LSVD hat seit seiner Gründung im Jahre 1990 für die rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare gekämpft. Mit dem Regierungswechsel 1998 rücktediese erstmals in greifbare Nähe, also nach rund 10 Jahren. Zum Vergleich: Für die Abschaffung des Strafrechtsparagraphen 175 in Deutschland kämpften Homosexuelle rund 120 Jahre.
n-tv.de: Im Vergleich mit der Ehe: Welche Auswirkungen hat die jetzige Regelung, was wird das Lebenspartnerschafts-Ergänzungsgesetz bringen?
Klaus Jetz: Die Eintragung einer Lebenspartnerschaft bringt für die Paare viele Rechtsfolgen im Namensrecht, Zeugnisverweigerungsrecht, Auskunftsrecht (etwa im Krankenhaus), Mietrecht (der/die überlebende Partner/in darf in der Mietwohnung wohnen bleiben), Erbrecht (wie bei Ehegatten, so dass sich die Pflichtteilsansprüche überlebender Eltern entsprechend verringern), Ausländerrecht (Nachzugsrecht für den/die ausländische/n Partner/in) sowie in der gesetzlichen Krankenversicherung (Einbeziehung der Partner in die Kranken- und Pflegeversicherung) u.a.m.
n-tv.de: Welche Veränderungen fehlen noch?
Klaus Jetz: Alle steuerlichen Regelungen, also etwa in der Einkommenssteuer, der Erbschaftssteuer oder der Grunderwerbssteuer sowie Regelungen im Bundessozialhife- und Wohngeldgesetz (als finanzielle Pflichten des Lebenspartners/der Lebenspartnerin, da deren Einkommen und Vermögen angerechnet werden sollen). Dies alles ist Gegenstand des oben genannten LPartErgG. Darüber hinaus fehlen das Adoptionsrecht und das gemeinsame Sorgerecht bei bereits vorhandenen Kindern. Diese beiden Punkte wurden aber aus unerklärlichen, nicht nachvollziehbaren Gründen vonm vornherein vom Gesetzgeber bei der Lebenspartnerschaft ausgeklammert. Alle diese Punkte unterscheiden eingetragene Lebenspartnerschaften von Ehepaaren und stellen Diskriminierungen dar, gegen die der LSVD auch weiterhin kämpfen wird.
n-tv.de: Wenn homosexuelle Paar jetzt heiraten, lassen sie sich auf eine eheähnliche Form ein, die aber der Ehe nicht wirklich gleichgestellt ist. Unterstützen diese Paare mit ihrer Heirat automatisch diese Nicht-Gleichstellung? Oder lässt sich auf der Basis verheirateter homosexueller Paare besser für die völlige Gleichstellung argumentieren?
Klaus Jetz: Wir sollten bei eingetragenen homosexuellen Paaren nicht von verheirateten Paaren sprechen, da die Unterschiede zur Ehe evident sind. Der LSVD wird auch weiterhin für die Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule eintreten. Der nächste Schritt sind eben die Regelungen des LPartErgG. Wir verlangen, dass die Unionsvertreter hier ihre Blockade aufgeben und endlich am Verhandlungstisch erscheinen, zumal das Bundesverfassungsgericht den Eilantrag aus Bayern gegen das In-Kraft-Treten der Lebenspartnerschaft ja eindrucksvoll zurückgewiesen hat.
Und wenn das LPartErgG an den (wechselnden) Mehrheiten im Bundesrat erneut scheitern sollte: Auf der Basis der eingetragenen Lebenspartnerschaft lässt sich für die volle Umsetzung gleicher Rechte vortrefflich streiten. Auch vor Gericht. Ich kann mir kein Gericht vorstellen, das eingetragene Lebenspartner, die mit Rechten und Pflichten füreinander einstehen, bei der Einkommenssteuer oder der Erbschaftssteuer massiv diskriminiert sehen will.
n-tv.de: Vielen Dank für das Gespräch.
(Das Interview führte Tatjana Brode.)
Quelle: ntv.de