Mehrwertsteuer-Erhöhung Merkel bleibt dabei
23.04.2006, 12:13 UhrAngesicht der prekären Finanzlage hält in der großen Koalition die Diskussion über weitere Steuererhöhungen zur Finanzierung des Gesundheits- und sonstigen Sozialsystems an. Aus der SPD-Bundestagsfraktion kamen Forderungen nach einer stärkeren Besteuerung von Vermögenden und Großerben. Der designierte SPD-Chef Kurt Beck stellte klar, dass er weitere Steuersubventionen abbauen und Schlupflöcher schließen will. Ziel ist, den Steueranteil am Bruttoinlandsprodukt mittelfristig von jetzt 20 Prozent zu erhöhen und die Sozialsysteme stärker über Steuern als über Sozialbeiträge zu bezahlen. Dies wird in den dpa vorliegenden SPD-Leitlinien deutlich, die Beck an diesem Montag auf einem Kongress erläutern will.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wies am Sonntagabend Forderungen aus ihrer Partei und der Wirtschaft zurück, die für Anfang 2007 geplante Mehrwertsteuererhöhung von 16 auf 19 Prozent abzuschwächen. Um stabile Finanzen zu haben und Investoren anzulocken "müssen wir unbedingt die Haushalte konsolidieren. Das macht die Maßnahmen unabwendbar", sagte sie dem ZDF am Rande der Eröffnung der Hannover Messe.
Der Kieler CDU-Wirtschaftsminister Dietrich Austermann hatte zuvor gefordert, diese Verbrauchersteuer nur von 16 auf 18 Prozent zu erhöhen. Sonst werde das Wachstum gedämpft und Schwarzarbeit weiter gefördert, sagte Austermann der "Bild am Sonntag". Stattdessen rate er zu Sparmaßnahmen. "Die Explosion der Kosten bei Hartz IV von 14 auf 28 Milliarden Euro binnen eines Jahres ist nicht hinzunehmen. Allein hier kann man acht Milliarden streichen."
Der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) forderte: "Die Koalition sollte völlig auf die Erhöhung verzichten." Sie diene nicht einmal der Senkung von Lohnnebenkosten, sondern nur dem Stopfen von Etatlöchern, sagte HDE-Sprecher Hubertus Pellengahr im dpa-Gespräch. Bleibe es bei den 25 Milliarden Euro Kaufkraftentzug, werde "der für die Konjunktur dringend benötigte Konsum drastisch einbrechen".
In der Union schwelt zudem der Steuerstreit über eine Absicherung der Gesundheitsreform. So waren Vorschläge von CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder (CDU), die Krankenversicherung für Kinder über eine Steuererhöhung oder einen Gesundheits-Solidarzuschlag zu finanzieren, auf schroffe Ablehnung gestoßen. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte im Deutschlandfunk, über die Anhebung der Mehrwertsteuer hinaus gehende Steuererhöhungen stünden "zum jetzigen Zeitpunkt" nicht zur Debatte. Dennoch wird auch in der Union über Umschichtungen hin zu mehr Steuereinnahmen zur Senkung von Sozialbeiträgen und zur Finanzierung des Gesundheitssystems weiter debattiert. Dies hatte auch Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) verlangt.
Beck erklärte: "Ich habe keine Steuererhöhungen gefordert." Damit stellt er aber nur klar, dass er keine Veränderung von Steuersätzen anstrebt. In der "Wetzlarer Zeitung" (Samstag) bekräftigte er den Plan, Steuersubventionen zu kürzen. Zur Bildungs- und Verkehrsfinanzierung heißt es in den SPD-Leitlinien: "Da alle gemeinsam den Nutzen aus solchen Investitionen ziehen, müssen sich auch Unternehmen und vermögende Privathaushalte stärker als bisher an der steuerlichen Finanzierung dieser Aufgaben beteiligen."
Im "Spiegel" sprachen sich der Vize-Fraktionsvorsitzende der SPD, Joachim Poß für eine höhere Besteuerung "großer Erbschaften" sowie die SPD-Politiker Rainer Wend und Ottmar Schreiner für höhere Steuern auf große Vermögen aus. Damit ließen sich "locker 30 bis 40 Milliarden Euro mehr einnehmen", so Schreiner. FDP-Chef Guido Westerwelle kritisierte: "Die SPD ist schon wieder dabei, an einer nächsten Umdrehung der Steuerschraube zu basteln."
Quelle: ntv.de