Politik

Engagement für Einheimische gefragt Merkel gegen "Lockprämie"

Die politische Front gegen eine verstärkte Anwerbung ausländischer Fachkräfte wird immer breiter. Nun wendet sich auch Kanzlerin Merkel gegen den Vorstoß ihres FDP-Wirtschaftsministers Brüderle, angesichts des zunehmenden Mangels eigener Fachkräfte den Zuzug von qualifiziertem Personal aus dem Ausland zu erleichtern.

bruederle merkel.jpg

Merkel muss ihren Wirtschaftsminister Brüderle ab und zu etwas bremsen.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die Bundesregierung denkt trotz entsprechender Vorstöße einzelner Minister derzeit nicht an neue gesetzliche Erleichterungen für den Zuzug von Fachkräften aus dem Ausland. Die Steuerung der Zuwanderung hoch qualifizierter Ausländer sei erst Anfang 2009 gesetzlich neu geregelt worden und wirke sich positiv aus, sagte Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans. Eine Neufassung des Gesetzes nach so kurzer Zeit halte man nicht für angezeigt. Die Regierung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an der Spitze sei der Meinung, dass zunächst an der Umsetzung eingeleiteter Maßnahmen in diesem Bereich gearbeitet werden sollte.

In dem Zusammenhang hatten Brüderle (FDP) und Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) vor wenigen Tagen unabhängig voneinander vor einer in den nächsten Jahren immer stärker wachsenden Fachkräfte-Lücke in Deutschland gewarnt. Das könne die wirtschaftliche Entwicklung mehr und mehr bremsen. Beide hatten daher Erleichterungen beim Zuzug qualifizierter Arbeitnehmer aus dem Ausland gefordert, um die Lücke besser decken zu können.

2scz2231.jpg3366367515615515277.jpg

Brüderle kündigt eine "Fachkräfte-Initiative" an.

(Foto: dpa)

Zudem hatte Brüderle eine Art Begrüßungsgeld der Unternehmen ins Gespräch gebracht. Der Verband Deutscher Ingenieure (VDI) begrüßte die Initiative und forderte, das Zuwanderungsgesetz zu optimieren. Laut VDI fehlen derzeit knapp 36.000 Ingenieure.

Weise gegen Ausländer-Anwerbung

Doch nicht nur im Kabinett fehlt Brüderle und Schavan bislang die volle Rückendeckung bei dem Thema, auch von der Bundesagentur für Arbeit kommt Widerspruch. Deren Chef Frank-Jürgen Weise mahnte in der "Financial Times Deutschland": "Das vorhandene Potenzial im Land sollte erst einmal genutzt werden. Wir können nicht zulassen, dass Menschen in Arbeitslosigkeit sind, nur weil ihre Talente nicht genutzt werden."

16835425.jpg

Frank Jürgen Weise hofft auf eigene Kreativität.

(Foto: picture alliance / dpa)

Weise forderte von den Unternehmen: "Wer qualifizierte Kräfte haben und halten will, muss etwas bieten." Da müsse man nicht gleich nach dem Gesetzgeber rufen. Ein Ansatzpunkt seien attraktive Angebote zur Kinderbetreuung, um qualifizierte Frauen zurück ins Arbeitsleben zu holen. Zudem sollte man bei Einstellungen nicht nur nach den Zeugnissen schauen.

Fuchs: Qualifizierung im Inland UND Anwerbung

Unterstützung erhielt Brüderle vom Vize-Fraktionschef der Union, Michael Fuchs. "Ich finde die Fachkräfte-Initiative richtig", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Vor allem seien aber die Unternehmen gefordert, sie müssten massiv ausbilden. "Dass wir Lockerungsübungen machen müssen, dass wir Fachkräfte aus dem Ausland brauchen, steht angesichts der demografischen Entwicklung außerfrage", sagte er. Beides müsse getan werden: Bewerber aus dem Inland besser zu qualifizieren und zugleich ausländische Fachkräfte anzuwerben.

Anwerbung schwächt andere Länder

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) brachte noch ein anderes Gegenargument in die Diskussion ein. "Ich halte es für problematisch, gut qualifizierte Arbeitskräfte aus jenen Ländern abzuwerben, die diese für den Aufbau ihrer eigenen Wirtschaft brauchen", sagte Böhmer zu Reuters. Er schloss sich damit dem Argument an, das bereits früher Entwicklungspolitiker gegenüber einer gezielten Anwerbung etwa aus Schwellen- und Entwicklungsländern vorgebracht hatten.

 

Teile der Union und die SPD werfen Brüderle und Schavan vor, mit ihren Vorstößen falsche Prioritäten zu setzen. Die Gewerkschaften lehnen mehr Zuwanderung ab und verweisen auf noch rund 3,2 Millionen Arbeitslose. Verdi sprach von einer Gespensterdebatte. Der DGB-Bildungsexperte Thomas Giessler forderte bessere Aus- und Weiterbildung: "Wenn die Wirtschaft mehr Fachkräfte will, muss sie diese ausbilden."

CSU natürlich gegen FDP-Idee

CSU-Chef Horst Seehofer ist gegen den FDP-Vorschlag. "Wir brauchen keine Veränderung unserer Politik", sagte er. Zunächst müsse es um das "Ausschöpfen des Potenzials bei den Beschäftigten in Deutschland" gehen. "Dazu darf man nicht übersehen, dass ab nächstem Jahr Freizügigkeit in Europa bei der Arbeitsplatzwahl herrscht - und zwar totale, auch aus Osteuropa." Ab 1. Mai 2011 können auch die Bürger der östlichen EU-Staaten ohne Einschränkungen in Deutschland arbeiten.

Schon heute können Fachkräfte aus Ländern außerhalb Europas angeworben werden; Voraussetzungen sind bisher, dass sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können und ein relativ hohes Gehalt bekommen. Mittelfristig könne man aber über die Höhe des Einkommens sprechen, sagte der CSU-Chef.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt bezeichnete die "Lockprämie" als falsches Signal im Ausland. "Es ist der falsche Ansatz, jetzt von einem Begrüßungsgeld zu reden." Im Moment könne niemand vorhersagen, was die Freizügigkeit ab nächstem Jahr bedeute. In Deutschland gebe es noch immer rund drei Millionen Arbeitslose, die in Arbeit gebracht werden müssten. "Wir brauchen eine weitere Qualifizierungsoffensive am Arbeitsmarkt."

Regierungssprecher Steegmans verwies auf laufende Vorhaben der Regierung, die auch das Thema Fachkräfte beträfen. So werde an der Umsetzung einer EU-Richtlinie für Hochqualifizierte gearbeitet, die einen weiteren Zugangskanal öffnen werde. Zudem liefen Bemühungen für die Anerkennung von Bildungsabschlüssen aus dem Ausland, die aber noch keine konkrete Gesetzesform hätten. Schließlich sei die Qualifizierungsinitiative von Bund und Ländern zu nennen, die der Ausschöpfung inländischer Potenziale gelte.

Quelle: ntv.de, dpa/rts

ntv.de Dienste
Software
Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen