Politik

"Europa muss mehr tun" Merkel in Addis Abeba

Bundeskanzlerin Angela Merkel will das Verhältnis der internationalen Gemeinschaft zu Afrika auf eine neue Grundlage stellen. Das Ziel sei eine "echte Partnerschaft" mit dem von Armut und Konflikten geplagten Kontinent, sagte die CDU-Chefin zum Auftakt ihrer ersten großen Afrika-Reise in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba.

Gleichzeitig rief sie die Menschen in Afrika dazu auf, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. "Das Fundament für die Entwicklung und erfolgreiche Armutsbekämpfung in Afrika liegt in Afrika selbst", sagte Merkel vor der Afrikanischen Union (AU).

"Europa muss mehr tun"

Merkel war am Mittwochabend in Äthiopien eingetroffen. In Addis Abeba traf die Kanzlerin zunächst den äthiopischen Regierungschef Meles Zenawi. Nach dem Gespräch rief sie die Europäische Union zu einem stärkeren Engagement auf dem Kontinent auf. Merkel räumte ein, dass sich die Europäer in den vergangenen Jahren zu wenig um Afrika gekümmert hätten. Europa habe hier "innegehalten", sagte die Kanzlerin selbstkritisch. Es sei aber im "ureigensten Interesse Europas, die Beziehungen zu intensivieren." Die Kanzlerin verwies auf den ersten EU-Afrika-Gipfel seit sieben Jahren im Dezember in Lissabon. Dabei soll eine neue strategische Zusammenarbeit beschlossen werden.

Unterschiede im Demokratieverständnis

Zuvor waren zwischen Merkel und Zenawi Unterschiede in Menschenrechtsfragen deutlich geworden. Merkel hatte daran erinnert, dass die Offenheit eines Landes, die Einhaltung der Pressefreiheit und die Wahrung der Rechte der Opposition auch "wichtige Voraussetzung für die wirtschaftliche Entwicklung" seien. Zenawi hatte sich dies nicht zu Eigen gemacht, sondern lediglich die Verwirklichung der Gewaltenteilung zwischen Parlament, Regierung und Justiz angekündigt. Er sprach von einem schwierigen Weg zur Demokratie.

Menschenrechtsorganisationen hatten die Situation der Bürgerrechte in Äthiopien nach wie vor kritisch beurteilt. Nach den Wahlen 2005 war es zu Unruhen gekommen, weil die Opposition Wahlfälschungen vermutete. Es gab Tote und Verhaftungen. Die Presse ist weitgehend staatlich kontrolliert. Amnesty international spricht unter Berufung auf Quellen in Äthiopien von 200 politischen Gefangenen.

Besorgnis über Simbabwe, Somalia und Darfur

Im Mittelpunkt des ersten Tags der Afrika-Reise Merkels stand aber eine Rede vor der AU, dem afrikanischen Pendant zur EU in Europa mit 53 Mitgliedstaaten. Tief besorgt zeigte sich die Kanzlerin dabei über die gewalttätigen Konflikte in Afrika. Konkret nannte sie die Menschenrechtsverletzungen, Einschüchterungen der Opposition und Zerstörung von Armenvierteln in Simbabwe. "Wir dürfen dieser Entwicklung nicht tatenlos zuschauen", sagte sie. Die in der Staatengemeinschaft SADC zusammengeschlossenen Nachbarn Simbabwes seien hier in der Pflicht.

Als weitere Krisenregionen mit dringendem Handlungsbedarf nannte Merkel das sudanesische Darfur und Somalia. "Die zentrale Verantwortung für Frieden, Stabilität und Sicherheit liegt in Afrika selbst", betonte die Kanzlerin. "Die Afrikanische Union ist der entscheidende Ansatz für politische Lösungen auf dem Kontinent."

Merkel bekräftigte die deutschen Hilfszusagen an Afrika. Bis 2011 werde die Bundesregierung drei Milliarden Euro zusätzlich für Entwicklungshilfe zur Verfügung stellen, sagte sie. "Das soll insbesondere der Zusammenarbeit mit Afrika zugute kommen." Als amtierende G-8-Präsidentin bekannte Merkel sich auch zu den beim Gipfeltreffen in Heiligendamm gemachten Zusagen. Danach sollen in den nächsten Jahren mehr als 60 Milliarden US-Dollar in die Bekämpfung von Krankheiten wie Aids, Malaria und Tuberkulose investiert werden. Sie sicherte Afrika im Blick auf den Klimawandel Unterstützung bei der Nutzung von erneuerbaren Energien zu. Afrika müsse von Solarenergie und Windkraft profitieren.

"Gemeinsame Spielregeln" mit China angestrebt

Merkel ging in Addis Abeba auch auf das starke Engagement Chinas in Afrika ein. Mit Peking müsse über "gleiche Spielregeln" geredet werden, sagte sie. Die afrikanischen Völker sollten "auch wirklich den Gewinn aus der Kooperation ziehen können". Zenawi wies den Vorwurf zurück, China betreibe eine neue Art des Kolonialismus in Afrika. Es gebe zwar einige Defizite, insgesamt sei die Zusammenarbeit aber gut. Zenawi betonte, dass das Zeitalter des Kolonialismus in Afrika vorbei sei. Die Afrikaner würden verstärkt darauf achten, Zugang zu den chinesischen Märkten zu erhalten.

Zweite Station Südafrika

Nach einem Kurzbesuch in Ägypten im Februar ist es die erste längere Reise der Kanzlerin nach Afrika. Merkel will in den nächsten Tagen noch Südafrika und Liberia besuchen. In Südafrika stehen am Freitag Gespräche mit Präsident Thabo Mbeki an. Merkel wird von einer hochkarätigen Wirtschaftsdelegation begleitet. In Südafrika werden es 22 Manager sein, die die Marktchancen für deutsche Produkte am Kap ausloten.

Im Blick auch die Fußball-WM

Auch der Besuch der Baustelle für das Endspiel-Stadion der Fußball-WM in drei Jahren im südafrikanischen Johannesburg wird eine Referenz der Kanzlerin an das "neue" Afrika sein. Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff begleitet Merkel.

Quelle: ntv.de

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