Anderthalb Wochen vor der Wahl NRW-Runde glänzt mit Inhalten
03.05.2012, 07:37 Uhr
		                      Der Ton unter den Spitzenkandidaten bei der NRW-TV-Runde war fair.
(Foto: picture alliance / dpa)
In Nordrhein-Westfalen ist gerade alles etwas anderes: Die großen parteipolitischen Blöcke lösen sich auf, statt persönlicher Angriffe gibt es Nettigkeiten und gegenseitiges Lob. Für den Zuschauer endlich mal eine sehenswerte Politik-Sendung - denn es geht tatsächlich um die Sache.
Es geht um Schulden, Kitas, Pendlerpauschale oder Betreuungsgeld. Vier Polit-Profis, eine nahezu unbekannte Linke und ein kompletter Neuling von den Piraten liefern sich in der "Wahlarena 2012" einen verbalen Sechskampf ohne Samthandschuhe, aber auch ohne persönliche Attacken.
Trotz der kurz zuvor bekanntgewordenen Umfrage, die erstmals keine Mehrheit mehr für SPD und Grüne sieht, sagte SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft, sie sei "zuversichtlich, dass es für Rot-Grün reicht". Die Ministerpräsidentin dominiert in Mönchengladbach streckenweise, etwa beim Thema Mindestlohn. Ihr CDU-Herausforderer Norbert Röttgen wirkt lockerer als beim WDR-Fernsehduell mit Kraft. Er habe Angst vorm Zahnarzt, bekennt der Bundesumweltminister - um dazu überzuleiten, dass striktes Sparen für einen soliden Haushalt aber nicht wehtue.
Viel Interesse gilt dem politisch unbeschriebenen Blatt Joachim Paul von den Piraten, der aber öfters passen muss: "Pendlerpauschale? Das kommt noch, da sind wir noch dran an der Entwicklung." Der Medienpädagoge, der sich vor zwei Jahren von seinem Sohn für die neue Partei anwerben ließ, schwimmt auch bei den Finanzen. So fordert er eine kostenfreie Betreuung für Kinder ab einem Jahr, räumt aber auf die Frage von Moderatorin Sabine Scholt - "Wer zahlt's?" - unumwunden ein: "Das ist 'ne gute Frage." Beantworten kann er sie nicht.
Viele Koalitionen wären möglich.
Grünen-Schulministerin Sylvia Löhrmann wirkt souverän, lehnt das Betreuungsgeld entschieden als "Antibildungsprämie" ab. Dennoch sitzen ihr die sinkende Umfragewerte im Nacken: Nach der jüngsten Forsa-Erhebung ziehen die Piraten mit 10 Prozent erstmals mit den Grünen gleich. Rot-Grün käme aktuell nur noch auf 47 Prozent - wie auch CDU, FDP und Piraten zusammen.
FDP-Hoffnungsträger Christian Lindner geht zunächst etwas hölzern und akademisch ran - mit Schlagworten wie "Dynamik in Volkswirtschaft nutzen". Der Ex-Generalsekretär der Bundes-FDP kommt ernsthaft daher, formuliert aber nicht immer so präzise wie sonst und weicht - etwa beim Betreuungsgeld - auch schon mal diplomatisch aus. Beim Thema Schule punktet er im Publikum, als er gegen eine Benachteiligung des beliebten Gymnasiums wettert. Einige Male fällt auf, dass er "Norbert", dem CDU-Kandidaten, zustimmt.
Die wenig bekannte Linken-Politikerin Katharina Schwabedissen verlangt einen "anständigen Mindestlohn", tritt als Anwältin der Armen auf und betont: "Wir fordern eine Millionärssteuer." Die Friedensaktivistin und Feministin ist eloquent und selbstbewusst.
Wer könnte mit wem in einer neuen Regierung? Da ist den Matadoren wenig Konkretes zu entlocken. "Wir hätten eine Ampel ja schon haben können (...), aber sind lieber in eine Neuwahl gegangen", sagt Lindner. Da rechne er eher mit einer Großen Koalition. Darauf gehen Röttgen und Kraft nicht ein. Röttgen will eine "stabile Regierung", Kraft "klare Verhältnisse". Und Pirat Paul windet sich wieder und sagt am Ende nur: "Das Konzept der Koalition bedarf eines Updates."
Quelle: ntv.de, dpa