"Es läuft auf eine Frau hinaus ..." Nachfolger darf nicht abgehalftert sein
01.06.2010, 13:11 Uhr
Das Kennzeichen der Bundespräsidenten-Limousine. Wer sitzt bald drin?
(Foto: dpa)
Die Ära Horst Köhler ist beendet - der Bundespräsident hinterlässt ein beschädigtes Amt. Das jedenfalls meint Florian Hartleb, Professor für Politikmanagement, im Interview mit n-tv.de. Ein Bundespräsident müsse "einstecken" können, so Hartleb. Der nächste werde wohl ein alter Polit-Hase sein.
n-tv.de: Herr Hartleb, Horst Köhler ist kein Bundespräsident mehr. Wie finden Sie das?
Florian Hartleb: Es ist erstaunlich und überraschend. Und es ist kein gutes Zeichen für das politische System der Bundesrepublik, das dem Bundespräsidenten eine repräsentative Funktion gibt.

Am Ende einsam: Köhler.
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Offiziell ist er wegen der aus seiner Sicht entehrenden und überzogenen Kritik an seinen Äußerungen nach dem Besuch in Afghanistan zurückgetreten – halten Sie das für glaubwürdig?
Nein, für mich geht es hier um Befindlichkeiten und Vorgänge, die sich nur schwer durchschauen lassen. Köhler hatte ja auch gewisse Probleme im eigenen Haus. Köhler stand zuletzt ohne Berater da, ohne Politikmanager – und auch deswegen ist es zu diesen unglücklichen Äußerungen gekommen.
Das heißt: Es hat keiner auf ihn aufgepasst…
Genau.
Was muss ein Bundespräsident abkönnen?
Ein Bundespräsident muss einstecken können, denn er hat den Anspruch und die Kompetenz, überparteilich zu wirken. Er muss sich daher keinesfalls im politischen Klein-Klein verstricken. Horst Köhler hätte nicht jede Äußerung ernst nehmen müssen – auch nicht die von führenden Politikern.
Ist das Amt durch Köhlers Verhalten beschädigt?
Ja, das Amt ist beschädigt. Offenkundig geriet hier ein Bundespräsident unter Beschuss und trat in die Fallstricke der Berliner Republik. Das Amt wird offenbar von Medien und Politik als moralische Instanz des Staates nicht mehr so ernst genommen.

Schwarz-Gelb hat die Mehrheit in der Bundesversammlung. Merkel wird dabei versuchen, einen Unions-Kandidaten durchzudrücken.
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Das Duo Westerwelle/Merkel verliert weiter an Akzeptanz. Wie groß ist die Belastung für die Regierung durch Köhlers Schritt?
Das ist eine neue Belastung. Köhler wurde damals ausgekungelt als gemeinsamer Kandidat– und er war damit ein Prestigeobjekt des Tandems Westerwelle und Merkel.
Aber worin besteht nun die Belastung?
Sie besteht darin, einen Kandidaten zu finden, der mehr ist als ein abgehalfterter Politiker. Es wird sehr schwierig sein, jemanden zu finden, der unter dem Deckmantel der schwarz-gelben Regierung wirken kann.
Ist dabei ein Seiteneinsteiger möglich…?
Natürlich muss ein Seiteneinsteiger möglich sein. Ein Bundespräsident muss innovativ sein, gut reden können, Sachverstand haben – aber er muss nicht automatisch dem Bundestag entspringen.
Was muss der nächste Bundespräsident gerade in Zeiten der globalen Finanzkrise mitbringen?
Glaubwürdigkeit, Autorität und auch Unabhängigkeit von der Bundesregierung. Der nächste Bundespräsident wird zwar wegen der Mehrheitsverhältnisse von Schwarz-Gelb kreiert, aber er muss sich davon lösen können. Wie man ja am Fall Köhler gesehen hat, ist eben der Umgang zwischen Regierung und Bundespräsident nicht ganz einfach.
Dann mal Butter bei die Fische: Wen wird Schwarz-Gelb denn vorschlagen?
Es läuft auf eine Frau hinaus. Und es wird ein alter politischer Hase werden. Möglicherweise wird Merkel sogar ein Mitglied ihrer Regierung dafür opfern.
Sie meinen Ministerin Ursula von der Leyen?
Ja.

Einige Beobachter - so auch Florian Hartleb - sehen Ursula von der Leyen als wahrscheinliche Kandidatin.
(Foto: REUTERS)
Oder Frau Leutheusser-Schnarrenberger…
Merkels Ziel wird es selbst angesichts der Kürze der Zeit eher sein, einen Unions-Kandidaten durchzubringen.
Wen könnte die Opposition als Gegenkandidaten aus dem Hut zaubern?
Gesine Schwan ist ziemlich verbrannt. Interessant mit Blick auf die Opposition ist eher, ob es diesmal so sein wird, dass Rot-Dunkelrot-Grün einen gemeinsamen Kandidaten findet. Das wäre eine Zäsur. Wenn die Linke aber wieder einen eigenen Kandidaten bringt, dann zeigt das, dass die Zeit offenbar nicht reif ist für Rot-Rot-Grün auf der Bundesebene.

Florian Hartleb ist Professor für Politikmanagement an der Internationalen Hochschule für Exekutives Management in Berlin.
Es gibt durchaus Stimmen, die eine Abschaffung des Bundespräsidenten fordern. Ist die Position ein Auslaufmodell?
Nein, der Bundespräsident hat wichtige Aufgaben jenseits des Tagesgeschäftes. Er ist in der Regel beliebt beim Volk, hat eine integrierende Funktion und kann wachrütteln oder gestalterisch wirken.
Wie sinnvoll wäre es, den Bundespräsidenten vom Volk wählen zu lassen?
Es ist wenig sinnvoll, denn dann müsste man ihm auch mehr Funktionen geben.
Quelle: ntv.de, Mit Florian Hartleb sprach Jochen Müter