NSU-Prozess wird verschoben OLG weiß nicht, wie es weitergeht
15.04.2013, 13:27 Uhr
Voller Saal im Oberlandesgericht: Sprecherin Margarete Nötzel informiert Journalisten über die Verschiebung des Prozesses.
(Foto: REUTERS)
Lange hat sich das Oberlandesgericht München gesträubt, auch türkischen Journalisten Zugang zum NSU-Prozess zu gewähren. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts bleibt dem OLG allerdings keine Wahl: Der Prozess, der bereits an diesem Mittwoch hätte beginnen sollen, wird verschoben. Selbst die Pressesprecherin weiß nicht, wie es es jetzt weitergeht.
Der für Mittwoch geplante Auftakt zum NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München wird verschoben. Der Prozess werde nun am 6. Mai beginnen, teilte das Gericht mit.
Zur Begründung wird in der Pressemitteilung auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Platzvergabe im Gerichtssaal verwiesen, die am vergangenen Freitag veröffentlicht worden war.
Im Hinblick auf diesen Beschluss werde "die Durchführung eines neuen Akkreditierungsverfahrens notwendig". Dies sei bis zum geplanten Prozessbeginn "zeitlich und organisatorisch nicht mehr möglich". Experten hatten bereits über die Möglichkeit einer Verschiebung des Prozesses spekuliert.
"Noch keine Informationen"
Wie das neue Akkreditierungsverfahren ablaufen soll, weiß das Gericht offenbar noch nicht. "Ich habe nicht die geringste Ahnung, nach welchen Kriterien der Senat das neue Akkreditierungsverfahren machen wird", sagte Gerichtssprecherin Margarete Nötzel. "Ich habe noch keine Informationen, wie das ablaufen wird." Auf Nachfrage von n-tv.de zeigte sich die Pressestelle des OLG ratlos, wann und wie sich Journalisten nun für den Prozess akkreditieren können. Wahrscheinlich würden darüber in Kürze per Pressinformation Einzelheiten bekannt gegeben. "Einfach E-Mails lesen", lautete der erschöpfte Rat einer bereits heiseren Mitarbeiterin.
Das Bundesverfassungsgericht hatte am vergangenen Freitag als Reaktion auf eine Beschwerde der türkischen Zeitung "Sabah" entschieden, dass das OLG "eine angemessene Zahl von Sitzplätzen an Vertreter von ausländischen Medien mit besonderem Bezug zu den Opfern der angeklagten Straftaten" zu vergeben habe. Das Oberlandesgericht hatte sich bislang geweigert, dies zu tun. Das Münchner Gericht hatte argumentiert, dass alle Medien bei der Vergabe der 50 Journalisten-Plätze gleichberechtigt gewesen seien.
"Technischer Fehler"
Mittlerweile ist allerdings klar, dass dies nicht stimmt: Das OLG hatte einräumen müssen, dass es beim Versand der Pressemitteilung mit den Akkreditierungsbedingungen zu einem technischen Fehler gekommen war. Berichten zufolge wurden einige Medien zudem von der Pressestelle des OLG vorab informiert.
Trotz dieser ungleichen Startbedingungen hatte das OLG die Akkreditierungen nach der Reihenfolge des Eingangs vergeben. Im Gegensatz zu anderen Strafverfahren gab es kein spezielles Kontingent für ausländische Medien. Acht der zehn Mordopfern der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" stammten aus der Türkei. Ein weiteres Opfer war griechischer Herkunft.
In einer ersten Reaktion äußerten die Rechtsanwälte Jens Rabe und Stephan Lucas, die die Geschwister Simsek in ihrer Nebenklage vertreten, Verärgerung über die Verschiebung des Prozessbeginns. Sie sei "Ergebnis der seit Wochen starren Haltung des Gerichts, das sich jeder Kritik sperrte und konstruktiven Lösungsvorschlägen verweigerte", so Rabe und Lucas. Sie äußerten die Hoffnung, dass es dem Gericht "fortan gelingt, dass es dem Gericht fortan gelingt, das Verfahren so zu moderieren und zu organisieren, dass es den berechtigten Interessen aller Beteiligten gerecht wird".
Quelle: ntv.de, hvo/sba/AFP/dpa