Politik

Dschihad droht mit Gewalt Proteste weiten sich aus

Nach den Freitagsgebeten ist es in der moslemischen Welt wieder zu Massenprotesten und Anschlagsdrohungen wegen der Mohammed-Karikaturen gekommen. Die radikale Palästinenser-Gruppe Islamischer Dschihad kündigte Anschläge auf Staaten an, in denen die Zeichnungen weiter veröffentlicht werden. In mehreren Ländern skandierten zehntausende Menschen europafeindliche Parolen. Geistliche in Saudi-Arabien und im Iran forderten eine Bestrafung der Verantwortlichen für die Karikaturen, aber auch ein Ende der Gewalt.

Der für Selbstmordanschläge in Israel verantwortliche Dschihad kündigte an, Mohammed "mit unseren Seelen und unserem Blut verteidigen". Dschihad-Anführer Chader Habib sagte in Gaza-Stadt, bislang habe seine Gruppe nur eine Entschuldigung der Regierungen verlangt. "Wenn sie aber ihre Angriffe auf unseren geliebten Propheten Mohammed fortsetzen, werden wir den Boden unter ihren Füßen anzünden", drohte er, während seine Anhänger in die Luft schossen. Es war die erste derartige Ankündigung einer Palästinenser-Gruppe. Andere Organisationen haben gedroht, Europäer als Geiseln zu nehmen.

Angriff auf französische Botschaft

In Teheran griffen Demonstranten die französische Botschaft mit Brandbomben an. In der iranischen Hauptstadt versammelten sich Augenzeugen zufolge rund 70 aufgebrachte Demonstranten vor der Vertretung Frankreichs und skandierten "Tod für Frankreich", "Tod für Amerika". Sie warfen Steine und mindestens drei Brandbomben auf das Botschaftsgebäude. Bereits zuvor hatten rund 200 Demonstranten die dänische und die britische Botschaft mit Steinen beworfen.

In den vergangenen Tagen haben Moslems teils gewaltsam gegen die Zeichnungen protestiert, die Mohammed unter anderem mit einer Bombe im Turban abbilden. Mehrere Menschen kamen dabei ums Leben. Die Karikaturen waren zuerst von einer dänischen Zeitung veröffentlicht und dann von mehreren europäischen Blättern nachgedruckt worden. Der zuständige Redakteur der "Jyllands-Posten" ist beurlaubt worden. Dänemark hat Forderungen nach einer Entschuldigung zurückgewiesen.

"Diese abscheulichen verabscheuungswürdigen Europäer"

In Amman marschierten zehntausende Jordanier zur Vertretung der Europäischen Union. Die Beleidigung von Moslems sei eine Kriegserklärung, riefen sie. "Diese abscheulichen, verabscheuungswürdigen Europäer, die uns beleidigen - wir werden sie mit unseren Schuhen niedertrampeln", riefen sie. Der Protest blieb friedlich. Dagegen hinderte die Polizei in Bangladesch 10.000 wütende Demonstranten nur mit Gewalt daran, die dänische Botschaft in Dhaka zu stürmen. In Kenia setzte die Polizei Schusswaffen gegen hunderte Demonstranten ein, die gegen die Karikaturen in Nairobi protestierten. Mindestens eine Person wurde dabei verletzt. Auch in der Türkei, in Sri Lanka, Afghanistan, dem Iran, Indien und Malaysia gab es Proteste.

"Millionen Moslems weltweit verteidigen mit einer Stimme Gottes Propheten", lobt der angesehene saudiarabische Geistliche Abdel-Rahman al-Sudeis in einer Predigt in Mekka die Proteste. Entschuldigungen reichten nicht aus. "Wir fordern strenge Strafen ohne Gnade für die, die den Propheten Mohammed verhöhnen." Im Iran forderte ein Geistlicher zwar weitere Proteste. Die Gewalt müsse jedoch enden, sagte Ayatollah Ahmad Chatami. Trotz seines Appells bewarfen erneut etwa 200 Menschen die dänische Botschaft in Teheran mit Steinen. Anschließend zogen sie weiter zur britischen Vertretung im Norden der Stadt. Ernsthafte Schäden wurden aber auch dort nicht angerichtet.

Malaysia verhängte eine Zensur von Zeichnungen. Ab sofort dürften keine Karikaturen mehr gezeichnet, veröffentlicht oder ins Land gebracht werden, die die öffentliche Sicherheit gefährden und Chaos auslösen könnten, hieß es. In Schweden wurde die Internet-Seite einer rechten Partei mit den Karikaturen gesperrt. Der Provider teilte mit, die Polizei und das Innenministerium hätte aus Furcht vor Protesten Druck ausgeübt. Die Partei Schwedischer Demokraten erklärte, sie erwäge nun rechtliche Schritte.

Der nationale Rat der französischen Muslime will die Zeitungen in Frankreich verklagen, die dänische Mohammed-Karikaturen nachgedruckt hatten. Das teilte der Präsident des muslimischen Rates, Dalil Boubakeur, in Paris mit. Das Pariser Boulevardblatt "France Soir" und die satirische Wochenzeitung "Charlie Hebdo" hatten die zwölf umstrittenen Karikaturen mit dem Propheten veröffentlicht. Einzelheiten teilte Boubakeur zunächst nicht mit.

Solana bereist Nahen Osten

Um eine Entschärfung des Konflikts will sich in der kommenden Woche der EU-Außenbeauftragte Javier Solana bemühen. Solana plant eine Reise durch den Nahen Osten, die ihn nach Saudi-Arabien, Ägypten, Jordanien und in die palästinensischen Gebiete führen wird.

"Al Fagr" druckte Karikaturen schon im Oktober

Ohne Proteste hervorzurufen, wurden in der ägyptischen Wochenzeitung "Al-Fagr" schon im Oktober des vergangenen Jahres die Mohammed-Karikaturen nachgedruckt worden. Wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtet, wurde die Ausgabe vom 17. Oktober erst jetzt aus dem Internetportal der Zeitung genommen. Die Karikaturen waren am 30. September in Dänemark veröffentlicht worden, die Welle der Proteste setzte Ende Januar 2006 ein - auch in Kairo, wo sich bis dahin niemand über den Nachdruck in "Al-Fagr" im Oktober aufgeregt hatte. Ihre jüngste Ausgabe widmet die ägyptische Zeitung, die sich einen Namen damit gemacht hat, politische Tabus zu verletzen, eine mehrseitige Beilage mit dem Thema "Bilder der Propheten".

In islamischen Ländern wurden mittlerweile insgesamt mindestens vier Zeitungen verboten, die die Karikaturen veröffentlicht hatten. In Jordanien sind zwei Chefredakteure in polizeilichem Gewahrsam, deren Zeitungen ebenfalls die Zeichnungen aus Dänemark reproduziert hatten. Den beiden Journalisten drohen bis zu drei Jahre Haft. Anträge, sie auf Kaution freizulassen, wurden abgelehnt.

Quelle: ntv.de

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