Politik

Ministerpräsident tritt nicht mehr an Rüttgers scheut Machtkampf

Taktik oder Eingeständnis der Niederlage? Rüttgers tritt nicht mehr an.

Taktik oder Eingeständnis der Niederlage? Rüttgers tritt nicht mehr an.

(Foto: dpa)

Der Machtkampf ist entschieden: NRW-Ministerpräsident Rüttgers kandidiert nicht gegen SPD-Herausforderin Kraft. Auch Fraktionschef will er nicht werden. Damit ist der Weg für eine rot-grüne Minderheitsregierung frei. SPD-Chefin Kraft hofft dabei auf die Hilfe der FDP. "Nichts ist im Moment unmöglich", glaubt sie. Die FDP widerspricht.

Nordrhein-Westfalens Regierungschef Jürgen Rüttgers tritt bei der Neuwahl des Ministerpräsidenten nicht mehr an und will auch nicht Oppositionsführer werden. "Ich habe mich eingesetzt für die Große Koalition", begründete er seine Entscheidung, nicht gegen SPD-Chefin Hannelore Kraft anzutreten. Diese strebt eine Minderheitsregierung mit den Grünen an.

Rüttgers sagte nach einer Sitzung des CDU-Landesvorstandes in Düsseldorf, er stehe am Tag der Wahl des Ministerpräsidenten nicht zur Verfügung. Auch den Fraktionsvorsitz im Landtag wolle er nicht übernehmen. Sein Abgeordnetenmandat wolle er allerdings ausüben, ebenso den Parteivorsitz. "Ich habe dem Landesvorstand gesagt, dass ich mich nicht vom Acker mache", sagte der 58-Jährige.

Rüttgers will sich aus den parlamentarischen Alltagsscharmützeln heraushalten und als CDU-Landeschef auf seine zweite Chance warten. "Wir werden uns auf die Situation vorbereiten, dass diese instabile rot-rot-grüne Zusammenarbeit sehr schnell zu Ende gehen kann", sagte Rüttgers. SPD und Grüne hätten keine Mehrheit und seien von der Linken abhängig. "Da können die noch so oft in die Verfassung gucken."

Rüttgers entgeht Blamage

Der CDU-Politiker entgeht mit seiner Absage an eine Kandidatur gegen Kraft auch der Gefahr, nicht alle Stimmen aus dem geschrumpften schwarz-gelben Lager zu erhalten. Bei der Begründung dieses Schritts berief sich Rüttgers auf Ex-Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD). Der sei 2005 nicht gegen ihn angetreten. Damals war die Wahl des Regierungschefs allerdings reine Formsache. Rüttgers hatte eine satte schwarz-gelbe Mehrheit hinter sich.

Nun kann SPD-Chefin Kraft versuchen, Ministerpräsidentin zu werden.

Nun kann SPD-Chefin Kraft versuchen, Ministerpräsidentin zu werden.

(Foto: dpa)

SPD-Chef Sigmar Gabriel zollte Rüttgers Respekt für seine Entscheidung. Der Rückzug sei konsequent, sagte er der "Welt am Sonntag". Rüttgers wolle sich offenbar "die erwartbare Demütigung ersparen, am Ende nicht alle Stimmen seiner eigenen und heillos zerstrittenen CDU zu bekommen". Kraft sagte dazu: "Offensichtlich laufen jetzt die personellen Klärungsprozesse in der CDU". Sie sei sehr gespannt darauf, ob dies auch eine inhaltliche Klärung nach sich ziehen werde.

Kraft hofft auf FDP

Für Kraft hat sich durch den Verzicht von Rüttgers wenig geändert. Sie ist weiter darauf angewiesen, dass sich bei der für Mitte Juli geplanten Wahl zur Ministerpräsidentin Abgeordnete der Linkspartei enthalten. Rückendeckung erhielt sie vom Landesparteirat der SPD, der das Votum Landesvorstandes zur sofortigen Aufnahme von Koalitionsverhandlungen bestätigte. Auch die Landesdelegiertenkonferenz der Grünen begrüßte die für Dienstag geplante Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der SPD.

Rot-Grün hat zehn Stimmen mehr im Landtag als Schwarz-Gelb, aber keine absolute Mehrheit. Diese ist bei einer Ministerpräsidenten-Wahl im Landtag nur in den ersten drei Wahlgängen ist nötig, im vierten reicht eine einfache Mehrheit.

Verweigert sich allen Avancen der SPD: FDP-Chef Pinkwart.

Verweigert sich allen Avancen der SPD: FDP-Chef Pinkwart.

(Foto: REUTERS)

Kraft sagte dem "Spiegel", sie hoffe nach der geplanten Bildung einer rot-grünen Minderheitsregierung bei Abstimmungen im Landtag auf die Hilfe der FDP. "Auf mittlere Sicht schließe ich nicht aus, dass wir auch bei den Liberalen Unterstützung finden können", sagte Kraft. "Nichts ist im Moment unmöglich. Da ist unglaublich viel in Bewegung."

Linke bietet sich an

FDP-Chef Andreas Pinkwart machte Kraft aber wenig Hoffnung: "Die FDP wird nicht der Hilfsmotor für Rot-Rot-Grün sein. Die rot-grüne Minderheitsregierung wird von der Linken toleriert, von Seiten der FDP wird es dafür keine Stimme geben", sagte er dem "Focus".

Die Linkspartei hat bereits ihre Unterstützung signalisiert und nicht ausgeschlossen, den Haushalt von Rot-Grün mitzutragen. Eine Ablehnung des Etats gilt als Scheitern der geplanten Minderheitsregierung und als Auslöser von Neuwahlen in NRW.

Grünen-Parteichefin Claudia Roth geht davon aus, dass eine rot-grüne Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen keine Übergangslösung sein wird. Sie sei sehr optimistisch, dass das Bündnis im Düsseldorfer Landtag künftig immer wieder Mehrheiten für wichtige Projekte bekommen werde, sagte sie der Nachrichtenagentur dpa in Berlin. Sie forderte CDU, FDP und Linke auf, sich konstruktiv auf die neuen Verhältnisse einzustellen. "Ich erwarte von den anderen Fraktionen, dass sie im Interesse Nordrhein-Westfalens auf das offensive Angebot von Rot-Grün zur Zusammenarbeit eingehen."

Merkel spricht von Wortbruch

Kanzlerin Angela Merkel warf der SPD massiven Wortbruch vor. "Wir erleben zum zweiten Mal nach Hessen, dass Versprechungen nach dem Tag der Landtagswahl überhaupt keine Gültigkeit mehr haben", kritisierte die CDU-Chefin auf der Sitzung der Kreisvorsitzenden ihrer Partei in Berlin. "Das spottet jeder Beschreibung." Kraft habe mehrfach betont, dass ein so wichtiges Bundesland wie Nordrhein-Westfalen nicht von einer Minderheitsregierung regiert werden dürfe. "Die politische Kultur in Deutschland darf nicht so verkommen, dass man sich nicht mehr verantwortlich fühlt für das, was man versprochen hat", sagte Merkel. "Demokratie kann es nur geben, wenn es Vertrauen und Verlässlichkeit gibt." Auch Rüttgers sprach von "Wählertäuschung". Kraft mache sich mit einer Minderheitsregierung "zum Spielball der Linkspartei", warnte er in der "Bild am Sonntag".

Wer folgt auf Rüttgers?

Rüttgers' Nachfolger als Fraktionschef könnte ihn bald auch auf dem Parteisessel beerben.

Rüttgers' Nachfolger als Fraktionschef könnte ihn bald auch auf dem Parteisessel beerben.

(Foto: dpa)

Die politische Zukunft steht für Rüttgers noch in den Sternen, sie könnte sich aber bereits im November entscheiden. Dann ist CDU-Bundesparteitag, auf dem die Wahl der Parteiführung ansteht. Ob Rüttgers dann noch einmal als Stellvertreter von Parteichefin Angela Merkel antritt, dürfte auch von den Entwicklungen in den kommenden Wochen abhängen. Zunächst muss sich die CDU in Düsseldorf neu aufstellen. Einen Rüttgers-Kronprinzen gibt es nicht. Deshalb ist auch offen, wer neuer Chef der Landtagsfraktion wird, die derzeit nur kommissarisch geführt wird. Die Abgeordneten sollen ihren neuen Vorsitzenden am 6. Juli wählen. Dann müssen sie sich möglicherweise zwischen Arbeitsminister Karl-Josef Laumann und Integrationsminister Armin Laschet entscheiden.

Der bodenständige Westfale Laumann gilt als der in der Fraktion beliebtere Politiker. Der Chef des CDU-Arbeitnehmerflügels ist ein ausgewiesener Sozialpolitiker und kann CDU-Säle auf die Stühle treiben. Laschet ist ein politischer Generalist und vertritt den Parteiflügel, der für Schwarz-Grün offen ist. Eventuell wirft auch Generalsekretär Andreas Krautscheid seinen Hut in den Ring. Rüttgers' Mann für alle Fälle wird aber auch in der Parteizentrale gebraucht. Falls demnächst ein Nachfolger für Rüttgers an der Parteispitze gesucht werden sollte, kommen noch andere Kandidaten ins Spiel. Dann dürfte auch der Name von Bundesumweltminister Norbert Röttgen fallen.

Quelle: ntv.de, tis/dpa/rts

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