Politik

Die Antwort auf die Bildungskrise? Schavan will frühere Einschulung

Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) hat eine zu späte Einschulung von Kindern in Deutschland beklagt. "Die Altersgrenze von sechs Jahren führt dazu, dass viele Kinder in Deutschland für ihre Verhältnisse zu spät in die Schule kommen", sagte Schavan in der Samstagsausggabe des "Hamburger Abendblatt". Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Lehrerverband wiesen den Vorstoß als überflüssig zurück.

Schavan sagte der Zeitung, schon am Ende der ersten Klasse hätten viele Kinder "keine Lust mehr", weil sie unterfordert seien. Daher dürfe es "keinen starren Stichtag" für die Einschulung geben.

ABC-Schützen immer jünger

In der Regel werden Kinder eingeschult, wenn sie bis zu einem bestimmten Stichtag sechs Jahre alt sind. Diese Stichtage - die in Deutschland nicht einheitlich geregelt sind - werden in mehreren Bundesländern aber immer weiter nach hinten verschoben, damit die Kinder früher in die Schule kommen.

Wenn es nach Annette Schavan geht, erhalten Deutschlands Kinder noch früher ihre Schultüten.

Wenn es nach Annette Schavan geht, erhalten Deutschlands Kinder noch früher ihre Schultüten.

(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)

So sitzen etwa in Bayern immer häufiger schon Fünfjährige auf der Schulbank. Viele Eltern sind damit allerdings unzufrieden und lassen ihre Kinder zurückstellen, weil sie sie noch nicht für schulreif halten. Deshalb hatte der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) vor wenigen Tagen angekündigt, keine sogenannten Dezemberkinder mehr einzuschulen. Ursprünglich sollten alle Kinder eines Jahrgangs gemeinsam eingeschult werden - auch wenn sie erst im Dezember nach der Einschulung ihren sechsten Geburtstag feiern.

Schavan warb unterdessen für eine "viel stärkere Verbindung von Kindergarten und Grundschule" und verwies dabei auf sogenannte Bildungshäuser. Dabei handelt es sich um gemeinsame Bildungseinrichtungen für Kindergarten- und Grundschulkinder, wo Drei- bis Zehnjährige unter der Anleitung von Erziehern und Lehrern gemeinsam spielen und lernen. Nach Schavans Einschätzung kann die gemeinsame Lernzeit "ruhig sechs Jahre betragen, wenn früher damit begonnen wird - etwa im Alter von vier statt erst mit sechs Jahren".

Nutzen bezweifelt

Der Deutsche Lehrerverband bezeichnete Schavans Vorstoß als "unglaublich weit weg von der Realität". Noch vor etwa fünf Jahren sei das durchschnittliche Einschulungsalter mit 6,8 Jahren tatsächlich zu hoch gewesen, sagte Verbandspräsident Josef Kraus. Seither aber habe sich viel getan. So hätten die Bundesländer den Stichtag für die Einschulung schrittweise nach hinten verschoben, so dass Schulanfänger inzwischen durchschnittlich gut 6,4 Jahre alt seien. Angepeilt seien etwa 6,3 Jahre.

"Man kann psychologische Entwicklungen nicht endlos beschleunigen", sagte Kraus. Er habe den Eindruck, dass Bildungspolitik immer öfter ökonomischen statt pädagogischen und entwicklungspsychologischen Aspekten folge. "Für die persönliche Entwicklung, für die Entfaltung der Kreativität muss in der Vorschulzeit Platz sein."

Auch die GEW bezweifelt den Nutzen noch früherer Einschulungen. Krippen und Kindergärten hätten in allen Bundesländern einen Bildungsauftrag, sagte die Stellvertretende Vorsitzende Marianne Demmer. "Da wird natürlich gelernt."

FDP fordert individuellen Bildungsweg

Dass viele Kinder sich bereits im ersten Schuljahr langweilten, hält Demmer für "aus der Luft gegriffen". In der Regel seien Grundschüler mit Eifer bei der Sache. Sollte sich ein Kind im Einzelfall langweilen, könne es individuell gefördert werden, sagte sie. Eine engere Zusammenarbeit von Kindergärten und Schulen wiederum scheitert ihrer Ansicht nach oft an personellen Kapazitäten - und nicht an der grundsätzlichen Bereitschaft zur Kooperation.

Der FDP-Bildungspolitiker Patrick Meinhardt warnte davor, Kinder "im Galopp" durch Kindergarten und Schule zu "pauken". Jeder müsse seinen persönlichen Bildungsweg finden können. Meinhardt sprach sich für ein "flexibles Einschulalter" ab dem fünften Lebensjahr aus sowie für eine gemeinsame Einstiegsphase der ersten und zweiten Klassenstufe.

 

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

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