Bundestagsabstimmung zum Panzergeschäft Schwarz-Gelb soll Farbe bekennen
07.07.2011, 18:16 Uhr
Demonstranten protestieren vor dem Reichstag in Berlin gegen geplante Panzerlieferungen an Saudi-Arabien.
(Foto: dpa)
Die christlich-liberale Koalition von Angela Merkel soll gezwungen werden, Auskunft über die geplante Lieferung von 200 "Leopard 2"-Panzern nach Saudi-Arabien zu geben. Unmittelbar vor der Sommerpause setzt die Linke eine Abstimmung im Bundestag über das Rüstungsgeschäft durch. Offenbar wollen weder Union noch FDP die Abstimmung verhindern, machen aber bereits die Ablehnung des Antrags deutlich.
Der Bundestag wird am Freitag aller Wahrscheinlichkeit nach über das Panzergeschäft mit Saudi-Arabien abstimmen. Die Linken setzten am Donnerstag einen Antrag auf die Tagesordnung, in dem die Regierung aufgefordert wird, ihre Genehmigung des Verkaufs von 200 Leopard-II-Panzern nach Saudi-Arabien zu widerrufen. Sie will eine namentliche Abstimmung beantragen und damit die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen zwingen, Farbe zu dem Panzerdeal zu bekennen. Nach dpa-Informationen wollen weder Union noch FDP versuchen, die Abstimmung zu verhindern. Auch die SPD bereitet einen Antrag zu dem Panzerdeal vor. Nach einer Umfrage lehnen 94 Prozent der Bundesbürger solche Geschäfte ab.
Der Bundessicherheitsrat hatte die Lieferung der schweren Kampfpanzer in der vergangenen Woche nach Angaben aus Regierungskreisen genehmigt. Öffentlich schweigt die Regierung unter Hinweis auf die Geheimhaltungspflicht beharrlich. Auch eine Aktuelle Stunde im Bundestag zu diesem Thema brachte überhaupt nichts. Parlamentarier sahen sich gezwungen, andere Wege zu suchen.
Merkel: Transparenz in einem Jahr reicht aus
Inzwischen hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Kritik am Verhalten ihres Kabinetts zurückgewiesen. Die Bundesregierung leiste "selbstverständlich ihren Beitrag, um die demokratische Entwicklung in Nordafrika und im Nahen Osten zusammen mit unseren Partnern weiter zu unterstützen," sagte sie der in Regensburg erscheinenden "Mittelbayerischen Zeitung".
Auch den Vorwurf mangelnder Transparenz will Merkel nicht gelten lassen. "Transparenz über gelieferte Waffen und Rüstungsgüter ist gegeben, indem dies detailliert jedes Jahr im Rüstungsexportbericht nachgelesen werden kann, der auch dem Bundestag vorgelegt wird."
Den Rüstungsexportbericht für 2011, in dem das neue Geschäft zu veröffentlichten wäre, gibt es aber erst Ende nächsten Jahres. Dann wäre an dem Geschäft allerdings nichts mehr zu rütteln. Die Lieferung der 200 Panzer wäre mit Abstand das größte Rüstungsgeschäft, das es mit Saudi-Arabien jemals gab. Aus früheren Rüstungsexportberichten geht hervor, dass seit 1991 unter anderem 36 Fuchs-Transportpanzer und etwa 1400 Luftabwehrraketen aus Deutschland in das Königreich gingen.
Grüne wollen klagen
Die Grünen wollen nun mit einer Anzeige gegen den Rüstungskonzern Krauss-Maffei Wegmann (KMW) Auskunft erzwingen. Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck begründete die Anzeige in der "Süddeutschen Zeitung" mit einem Anfangsverdacht auf Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz. Dies ergibt sich nach seiner Auffassung daraus, dass der Export von 200 Leopard-2-Panzern im Sinne der Export-Richtlinien der Bundesregierung überhaupt nicht genehmigungsfähig und somit illegal wäre. Der Leopard-2 wird von den deutschen Konzernen KMW und Rheinmetall gebaut. Experten schätzen den Wert des Geschäfts auf mindestens 1,7 Milliarden Euro.

Wie die Geschichte zeigt, werden durchaus Panzer zur Niederschlagung von Demokratiebewegungen benutzt.
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Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele drohte sogar mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. "Ich verlange Aufklärung und will Einzelheiten dieses Deals wissen", sagte Ströbele der "Mitteldeutschen Zeitung". "Wenn das nicht geschieht, halte ich eine Verfassungsklage für dringend erforderlich."
Flossen Schmiergelder?
Der Linke-Abgeordnete Jan von Aken forderte die anderen Parteien auf, keine Spenden von Rüstungskonzernen mehr anzunehmen. KMW und Rheinmetall finanzierten in den vergangenen Jahren sowohl Union und FDP als auch SPD. Nach Linke-Angaben erhielten CDU und CSU seit 2002 mindestens 298.000 Euro, die SPD 249.000 Euro und die FDP 79.000 Euro.
Ströbele erinnerte an die Parteispendenaffäre der CDU unter Helmut Kohl und äußerte den Verdacht, auch bei dem Panzergeschäft mit Saudi-Arabien könnten Schmiergelder an Politiker oder Parteien geflossen sein. Der Waffenlobbyist Karlheinz Schreiber soll Schmiergeld eingesetzt haben, um 1991 den in der damaligen Regierung von Kanzler Helmut Kohl umstrittenen Verkauf von 36 Thyssen-Panzern nach Saudi-Arabien durchzusetzen. Ströbele sagte: "Ich habe es bis 1999 nicht für möglich gehalten, dass man aus solchen Panzer-Deals Millionen an eine der hier staatstragenden Parteien, Manager oder Mitglieder der Bundesregierung zahlt." Im Parteispenden-Untersuchungsausschuss habe er dann mitbekommen, "dass solche Sachen Realität sind". Die Union reagierte empört. "Ich finde diese Unterstellung ganz unerhört", sagte CDU/CSU-Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier in der ARD.
Geschäft wiegt schwerer als Menschenrechte
Altmaier kritisierte auch, die Diskussion über den mutmaßlichen Panzerdeal sei "sehr verkürzt". Saudi-Arabien sei ein Land mit vielen Facetten. Es gebe problematische Aspekte bei den Menschenrechten, aber Saudi-Arabien sei auch ein wichtiger stabilisierender Faktor in der Region.
Die Pläne zur Lieferung von Leopard-Kampfpanzern werden unter anderem wegen Menschenrechtsverletzungen im autoritär regierten Saudi-Arabien kritisiert. Zudem war das Königreich an der Niederschlagung von Protesten im Nachbarland Bahrain beteiligt. Zur Rechtfertigung wird von der Koalition darauf verwiesen, dass Saudi-Arabien ein wichtiger Partner gegen den Iran sei.
Beck hielt der schwarz-gelben Koalition ein "peinliches Demokratieverständnis" vor, wenn sie über die Justiz gezwungen werden müsse, wesentliche Elemente der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik zu erläutern. Die Regierung beruft sich darauf, dass der Bundessicherheitsrat - der über solche Geschäfte entscheidet - immer schon geheim tagt. Wirtschaftsminister Philipp Rösler sagte der "Passauer Neuen Presse": "Die Sitzungen sind absolut vertraulich. Deshalb kann ich dazu nichts sagen." Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich weiterhin nicht.
Auch der frühere Leiter der Münchener Sicherheitskonferenz, Horst Teltschik, hält den Verkauf für "mehr als bedenklich". Saudi-Arabien müsse als Krisenregion eingestuft werden, sagte der ehemalige sicherheitspolitische Berater der Regierung von Helmut Kohl im Deutschlandfunk. Die Führung in Riad wehre sich massiv gegen den Veränderungsprozess in der arabischen Welt.
Teltschik forderte die Bundesregierung ebenso auf, die Gründe für ihre Entscheidung öffentlich zu erklären. Der Bundessicherheitsrat tage zwar geheim, dort gehe es um die Interessen der Länder, die Waffen kaufen wollen. "Es kann nicht im Interesse der Partnerländer sein, dass ihre Interessen öffentlich im Detail bekanntwerden. Aber die Entscheidung selbst ist natürlich nicht geheim und ist auch nicht geheim zu halten."
FDP und Union werden Merkel stützen
In dem Antrag der Linken heißt es, die Genehmigung verletze die Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung und den gemeinsamen Standpunkt der EU zu dem Thema. "Es besteht hinreichender Verdacht, dass diese Waffen zur internen Repression in Saudi-Arabien eingesetzt werden." Der Panzerexport würde zudem die Sicherheit und Stabilität der Region gefährden.
Die SPD bereitet einen eigenen Antrag für die Debatte vor und hat dafür eine Sondersitzung der Fraktion einberufen. Die Grünen haben sich noch nicht über ihr Vorgehen verständigt. "Wir werden in geeigneter Weise zum Ausdruck bringen, dass wir gegen diesen Panzerdeal sind", sagte Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck lediglich.
Union und FDP sind offenbar gewillt, die Linke ins Leere laufen zu lassen, obwohl auch etliche Abgeordnete der Koalitionsparteien Bedenken wegen des Panzergeschäfts haben und diese auch öffentlich äußerten. FDP-Fraktionsgeschäftsführer Jörg van Essen kritisierte das Vorgehen der Linken scharf. "Diese von der Linken erneut vom Zaun gebrochene Debatte ist völlig überflüssig", sagte er. Alle Aspekte seien ausführlich in einer Aktuellen Stunde am Mittwoch diskutiert worden. Seitdem seien keine neuen Tatsachen bekanntgeworden.
Die Union reagierte gelassen. Die Fraktion werde einen solchen Linken-Antrag sicherlich geschlossen ablehnen, hieß es. Zum einen sei gar nicht bekannt, ob die Regierung dem Geschäft schon zugestimmt habe. Zudem gebe es keinen Parlamentsvorbehalt.
Derzeit kann die Bundesregierung Rüstungsexporte im Alleingang genehmigen und muss die Entscheidungen auch erst im jährlichen Rüstungsexportbericht veröffentlichen. Grundlage für die Exportgenehmigungen sind das Rüstungswaffenkontrollgesetz sowie die politischen Grundsätze für Waffenlieferungen ins Ausland.
Quelle: ntv.de, hdr/dpa/rts/AFP