Umschichtung und starke Schultern Soziale Töne aus der FDP
26.06.2010, 20:26 UhrSo richtig nach der FDP eines Guido Westerwelle klingt das nicht. Die liberale Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger fordert eine stärkere Belastung der oberen Einkommensgruppen. "Die Leistungsträger müssen dazu beitragen, den Sozialstaat zu finanzieren". Die FDP müsse jetzt mit Inhalten punkten.

Leutheusser-Schnarrenberger will umschichten.
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FDP-Vize und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger will bei der bevorstehenden Krisenklausur ihrer Partei einen sozialen Kurs verordnen und plädiert für eine stärkere Belastung der oberen Einkommensgruppen. "Steuerpolitik heißt Umverteilen", sagte sie der "Welt am Sonntag". "In solch schwierigen Zeiten müssen auch wir in der FDP uns fragen, wie wir diejenigen Bürger im oberen Einkommensbereich daran beteiligen können, dass die mittleren und unteren Einkommen entlastet werden. Die starken Schultern müssen mehr tragen", ergänzte sie. Es müsse klar sein, "dass wir das Auseinanderdriften zwischen Arm und Reich verhindern. Die Leistungsträger müssen dazu beitragen, den Sozialstaat zu finanzieren."
Leutheusser-Schnarrenberger schlägt vor, Steuersubventionen abzuschaffen, "die bestimmte Gruppen bevorzugen". Sie forderte, das System der müsse "grundsätzlich überarbeitet werden. Das dürfen wir nicht auf die lange Bank schieben. Die FDP muss deutlich machen, dass wir Gerechtigkeit auch im Steuersystem erzeugen wollen. Alles mit dem Ziel, vor allem im mittleren und unteren Einkommensbereich Entlastung zu erreichen. Und das geht nicht mit neuen Schulden, sondern mit Umschichtung."
Auch die Vorsitzende der FDP-Fraktion im Bundestag, Birgit Homburger, drängte Finanzminister Wolfgang Schäuble, die geplante Reform der Mehrwertsteuer anzugehen. Der CDU-Politiker sei "aufgefordert, endlich die vereinbarte Kommission zur Überarbeitung des Mehrwertsteuersystems einzusetzen und die Reform auf den Weg zu bringen", sagte Homburger dem "Hamburger Abendblatt". "Der Mehrwertsteuerdschungel muss endlich gelichtet werden. Das System ist undurchschaubar und führt zu absurden Ergebnissen."
Die FDP wolle das Mehrwertsteuersystem endlich wieder vom Kopf auf die Füße stellen. "Deshalb muss es radikal vereinfacht und für jeden wieder verständlich werden", forderte die FDP-Fraktionschefin. In Deutschland gilt der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent für rund 50 Produktgruppen.
Hohn bei der Opposition

Die ermäßigte Mehrwertsteuer für die Hotelbranche wird seit ihrer Einführung kritisiert.
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Mit ihrer Forderung löste Homburger Spott in der Opposition aus. "Nur Mut! Helfen Sie kräftig mit beim Lichten des Dschungels, indem Sie das unsinnige Mehrwertsteuergeschenk für die Hotellerie abschaffen", erklärte Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast an die Adresse der FDP-Politikerin gerichtet. Im Koalitionsvertrag haben Union und FDP vereinbart, den Katalog der ermäßigten Mehrwertsteuersätze auf den Prüfstand zu stellen. Zum Jahresanfang führte die Regierung allerdings den ermäßigten Satz für die Hotelbranche ein und schuf damit eine weitere Ausnahme.
Bei einer am Sonntagabend beginnenden zweitägigen Klausursitzung in Berlin wollen die FDP-Spitzen einen Weg aus dem Umfragetief finden. Die Liberalen wollen dazu an ihrem sozialen Profil arbeiten. Auf dem Tisch liegt unter anderem der Vorschlag für eine Bildungsstiftung, in die Wohlhabende freiwillig einzahlen könnten.
Überlegungen aus der Partei, den Spitzensteuersatz anzuheben, stoßen dagegen auf Widerstand. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die FDP am Ende ihrer Klausur für eine Erhöhung der Einkommensteuer einsetzt", sagte FDP-Vorstandsmitglied Jörg Bode dem "Hamburger Abendblatt". Die Forderung nach einem höheren Spitzensteuersatz - derzeit 42 Prozent - gilt in der FDP als sehr unwahrscheinlich. Damit würden auch Facharbeiter und Inhaber von Kleinunternehmen getroffen, wird argumentiert.
Auf der Klausurtagung wird dem Vernehmen nach in der Parteiführung über eine "sozialverträgliche Verbesserung der Einnahmen" diskutiert, um in einem zweiten Schritt Steuerentlastungen für die Mittelschicht doch noch in dieser Legislaturperiode zu erreichen. Auch eine Anhebung der sogenannten Reichensteuer - derzeit 45 Prozent ab 250.000 Euro Jahreseinkommen - wird bei den Liberalen nicht ausgeschlossen.
FDP ein "chaotischer Hühnerhaufen"
Der FDP-Fraktionschef im schleswig-holsteinischen Landtag, Wolfgang Kubicki, kritisierte das Erscheinungsbild seiner Partei. Es sei der Eindruck entstanden, die FDP sei in den vergangenen Monaten "auf Tauchstation" gegangen, sagte Kubicki im Deutschlandradio Kultur. Zudem habe sich die Regierung als "chaotischer Hühnerhaufen" präsentiert. Der Absturz der FDP in den Umfragen von fast 15 auf noch fünf Prozent sei "eine Klatsche, (...) die es so in der Geschichte Deutschlands noch nicht gegeben hat".
Leutheusser-Schnarrenberger verteidigte ihren Vorsitzenden Guido Westerwelle und machte die CSU für den Dauerstreit in der schwarz-gelben Koalition verantwortlich. "Guido Westerwelle bekommt zu Unrecht einseitig viel vom Missmut über den schlechten Start dieser Koalition ab. Daran tragen alle Koalitionspartner Schuld, vor allem die CSU", sagte sie der Zeitung. Auf der bevorstehenden Vorstandsklausur müssten die Liberalen "mit Inhalten punkten. Das wird dann auch bei Guido Westerwelle auf die Butterseite schlagen".
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts