Politik

Schily zur Holocaust-Leugnung "Straftatbestand sollte man überdenken"

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Otto Schily war von 1998 bis 2005 Bundesinnenminister.

(Foto: picture alliance / dpa)

Wer in Deutschland den Holocaust leugnet, landet im Gefängnis. Doch ist das wirklich richtig so? Der frühere Innenminister Otto Schily zweifelt daran.

Es grenzt an Tabubruch: Der frühere Bundesinnenminister Otto Schily stellt den Straftatbestand der Holocaust-Leugnung infrage. "Ich finde, diesen Straftatbestand sollte man überdenken", sagt der SPD-Politiker dem "Zeit-Magazin". "Den Holocaust zu leugnen ist gewiss abscheulich, moralisch verwerflich, grotesk und töricht. Aber deshalb über Jahre ins Gefängnis?"

Wer in der Bundesrepublik behauptet, es habe den organisierten Mord an Millionen Juden durch die Nationalsozialisten nicht gegeben, muss mit bis zu fünf Jahren Haft rechnen. Auch wer den Holocaust verharmlost oder öffentlich gutheißt, muss sich auf empfindliche Strafen einstellen. Geregelt ist all das im § 130 des Strafgesetzbuches (StGB).

Die Bundesrepublik ist zwar bei weitem nicht das einzige Land, in dem das so geregelt ist. In Deutschland hat die Leugnung des Massenmordes historisch aber eine besondere Bedeutung. Abgesehen von den Mitgliedern rechtsextremer Parteien gab es auch deshalb bisher nur sehr wenige Politiker, die überhaupt in Erwägung gezogen hätten, den Straftatbestand infrage zu stellen.

Eine Frage der Menschenwürde?

Gegner des Straftatbestands führen immer wieder die hohe Bedeutung des Rechts auf Meinungsfreiheit auf. Doch es gibt noch andere Argumente. Der frühere Richter am Bundesverfassungsgericht Wolfgang Hoffmann-Riem gehörte zu den wenigen öffentlich geachteten Persönlichkeiten, die sich für eine Abschaffung des Paragrafen einsetzten. 2008 sagte er: "Wäre ich Gesetzgeber, würde ich die Leugnung des Holocaust nicht unter Strafe stellen." Als Verfassungsrichter hätte er sich "schwer getan", die Strafe zu begründen. Denn laut Hoffmann-Riem werde durch die Strafbarkeit der Holocaust-Leugnung nicht das Rechtsgut geschützt, das geschützt werden soll - die Menschenwürde.

Die Reaktion folgte damals allerdings prompt: "Es ist unverantwortlich, dass sich eine Koryphäe der Rechtswissenschaft beim Thema Holocaust-Leugnung solche Kapriolen leistet", antwortete der damalige Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan J. Kramer.

Schily spielte mit seiner Kritik auch auf die Inhaftierung seines früheren Anwaltskollegen Horst Mahler an. Mahler, früher ein Anhänger und Verteidiger der linksradikalen Roten Armee Fraktion (RAF), wandte sich Mitte der 1990er Jahre immer stärker dem Rechtsextremismus zu. Mehrfach verurteilt wegen Volksverhetzung, Terrorismus und Raub, sitzt er seit 2006 im Gefängnis. Bei seinem Haftantritt zeigte er den Hitler-Gruß.

Quelle: ntv.de, ieh

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