"Die Sache ist quasi beendet" Strauss-Kahn feiert Freiheit
02.07.2011, 17:57 Uhr
Für die Medien ist der Fall zu Gunsten von DSK gekippt.
(Foto: REUTERS)
Dem freudigen Anlass angemessen gibt's Pasta mit Trüffeln. Während Ex-IWF-Chef Strauss-Kahn mit Gattin und Freunden seine wiedergewonnene Freiheit feiert, diskutieren seine Parteifreunde in Frankreich über ein Comeback des Sozialisten. In New York kommen inzwischen noch mehr Ungereimtheiten der Anklage wegen Vergewaltigungsvorwürfen ans Tageslicht.
Möglicherweise hätte Ex-Währungsfondschef Dominique Strauss-Kahn schon Wochen eher auf freiem Fuß sein können. Die Übersetzung eines Telefongesprächs, das das angeblich angegriffene Zimmermädchen in die Nähe von Kriminellen rückt, lag laut "New York Times" erst mehr als sechs Wochen, nachdem es aufgezeichnet worden war, vor. Erst am Mittwoch habe die Staatsanwaltschaft die entscheidenden Hinweise, die letztlich zur Entlassung von Strauss-Kahn aus dem Hausarrest geführt haben, prüfen können.
Die Staatsanwaltschaft sei von dem Inhalt des Gesprächs alarmiert gewesen, schrieb das Blatt unter Berufung auf einen der Ermittler. Am Donnerstag hatte die Staatsanwaltschaft Gericht und Verteidigung informiert. Einen Tag später hatte ein Gericht in New York den strengen Hausarrest Strauss-Kahns aufgehoben.
Schwierige Übersetzung verzögert Freilassung
Das Gespräch sei 28 Stunden nach dem angeblich erzwungenen Oralsex geführt worden. Die 32-Jährige habe einen Freund angerufen, der wegen Drogenschmuggels in Arizona in Haft sitzt. Beide hätten sich auf Fulani, "einem einzigartigen Dialekt" aus ihrer Heimat im westafrikanischen Guinea, unterhalten. Dabei sollen sie über die Möglichkeit gesprochen haben, Geld aus der Begegnung zu schlagen. "Dabei sagte sie so etwas wie 'Keine Angst, der Typ hat eine Menge Geld. Ich weiß, was ich tue'", zitiert das Blatt den Ermittler.
Das Protokoll sei nur das letzte Element in einer Serie von Ungereimtheiten gewesen. Unmittelbar nach der Tat habe sich die Frau noch als "sehr fromme, demütige muslimische Frau" bezeichnet, "eine scheinbar ideale Zeugin", schreibt das Blatt. Sie habe aber bei ihrem Asylantrag gelogen, über eine angebliche Vergewaltigung in ihrer Heimat und über ihre Verhältnisse. So soll der kriminelle Freund immer wieder Geld auf ihr Konto eingezahlt haben, insgesamt um die 100.000 Dollar (69.000 Euro).
Der Fall ist zwar noch nicht abgeschlossen und Strauss-Kahn steht nach wie vor unter Anklage. Da die Justiz Strauss-Kahns Pass einbehielt, kann er sich vorläufig nur innerhalb der USA frei bewegen. Der Anwalt des mutmaßlichen Vergewaltigungsopfers warnte die Staatsanwaltschaft davor, den Fall einzustellen. Seine Mandantin habe zwar "Fehler" gemacht, sagte Anwalt Kenneth Thompson. Gerichtsmedizinische Beweisstücke belegten jedoch Strauss-Kahns Schuld. Berichte, wonach die Frau in Drogenhandel oder Geldwäsche verstrickt sei, seien "eine Lüge".
"Sie bleibt bei ihm"
Seinen ersten Abend in Freiheit feierte der Franzose derweil mit einem angeblich 700 Dollar (480 Euro) teuren Essen. Nach Angaben der "New York Daily News" speiste der Franzose mit seiner Frau und einem weiteren Ehepaar in dem italienischen Restaurant Scalinatella an Manhattans Upper East Side, in dem auch Madonna gerne isst. Nach Angaben des Blattes gab es zunächst Pasta mit schwarzen Trüffeln, dazu einen Pinot Grigio. Als Hauptgang wurde Wolfsbarsch serviert.
"Das waren sehr freundliche, fröhliche Menschen", zitieren die "Daily News" den Koch. Eine Besucherin wunderte sich über die Sorgfalt, mit der das Restaurant die prominenten Gäste umhegte. "Der Service, den sie genossen, war unglaublich. Jedesmal, wenn etwas serviert wurde, waren da fünf oder sechs Kellner", sagte Silvia Grottola, die am Nebentisch saß.
"Das Lächeln auf ihrem Gesicht hat mir genügt, um zu wissen, dass sie bei ihm bleibt", sagte die 48-Jährige dem Blatt über Strauss-Kahns Frau Anne Sinclair. Beide sind im November 20 Jahre verheiratet. Sinclair ist in New York geboren.
Medien: Der Fall ist erledigt

Raus durch den Lieferanteneingang - hat nichts genutzt: Die Fotografen waren schon da.
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Beobachter in den USA rechnen damit, dass der Fall damit vorbei ist, auch wenn der Richter den nächsten Gerichtstermin am 18. Juli noch einmal ausdrücklich bestätigte. "Der Fall ist einen Schritt näher an der Einstellung", schrieb die "New York Times" am Samstag. Es gebe zu viele Lücken in der Glaubwürdigkeit der Kronzeugin. "Der Fall ist vorbei. Oder er sollte zumindest vorbei sein", schrieb das "Wall Street Journal". Dem Fernsehsender CBS sagte die Rechtsexpertin und frühere Staatsanwältin Sunny Hostin, die Sache sei quasi beendet: "Der Staatsanwalt hat die Anklage noch nicht fallengelassen, aber ich erwarte das bald."
Auch nach seiner Freilassung aus dem Hausarrest will sich Strauss-Kahn in der Öffentlichkeit bedeckt halten. "Er wird sich äußern, wenn jeglicher Verdacht beseitigt ist", sagte sein französischer Anwalt Jean Veil dem Fernsehsender BFM TV. Dies werde dann sein, wenn Strauss-Kahn zurück in Frankreich sei. Ein Zeitpunkt dafür ist allerdings noch völlig ungewiss.
Wirbel in Frankreich
Die überraschende Wende im Strafverfahren gegen DSK, wie der Ex-IWF-Chef in Frankreich auch genannt wird, hat in Paris für politischen Wirbel gesorgt. Die Sozialisten diskutieren bereits über ein mögliches politisches Comeback des 62-Jährigen, der vor seiner Festnahme als Hoffnungsträger für die Präsidentschaftswahl 2012 galt.
Der frühere französische Regierungschef Lionel Jospin sprach nach der Entscheidung von einem "Donnerschlag - nur diesmal in umgekehrter Richtung". Ex-Parteichef François Hollande, der bei der Präsidentenwahl 2012 selbst gegen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy antreten will, schlug vor, die am 13. Juli endende Bewerbungsfrist für die Vorwahlen der Sozialisten "bis Ende Juli oder sogar Ende August" zu verlängern, um Strauss-Kahn eine Chance zu geben.
Der sozialistische Abgeordnete Arnaud Montebourg, der ebenfalls bei den Vorwahlen im Oktober antreten will, wies den Vorschlag zurück. Es gebe "keinen Grund", den Zeitplan zu ändern. Sein Parteifreund und Konkurrent Manuel Valls sagte, es dürfe nichts "überstürzt" werden. Sozialisten-Chefin Martine Aubry, die ebenfalls kandidieren will, erklärte lediglich, sie glaube, dass die Wahrheitsfindung in den Vereinigten Staaten vorankomme.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP