Politik

"Jung ist Verfassungsfeind" Streit um Flugzeug-Abschuss

Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) würde ein für einen Terroranschlag entführtes Verkehrsflugzeug notfalls auch ohne Rechtsgrundlage abschießen lassen. FDP, Grüne und Linkspartei reagierten entsetzt.

Der frühere Bundestagsvizepräsident Burkhard Hirsch (FDP) betonte, es sei "das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass ein Minister offen erklärt, er werde eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts missachten und ein Verbrechen anordnen, wenn er es für richtig hält". Hirsch hatte vor dem Verfassungsgericht gegen das frühere Luftsicherheitsgesetz geklagt, das im Extremfall den Abschuss einer Passagiermaschine erlaubt hätte. 2006 kippte das Bundesverfassungsgericht das Gesetz.

Für Jung "gelten anderen Regeln"

Jung sagte dem "Focus", zwar habe das Bundesverfassungsgericht den Abschuss eines gekaperten Passagierflugzeugs auf die Fälle beschränkt, in denen nur Terroristen und keine Unschuldigen an Bord sind. "Aber wenn es gemeine Gefahr ist oder die Gefährdung der freiheitlich- demokratischen Grundordnung, dann gelten andere Regeln."

Im Notfall müsse er "vom Recht des übergesetzlichen Notstands Gebrauch machen", meinte Jung: "Wenn es kein anderes Mittel gibt, würde ich den Abschussbefehl geben, um unsere Bürger zu schützen." Er wünsche sich "eine verfassungsrechtliche Klarstellung". Zugleich räumte er ein, es gebe "noch keinen Konsens in der Koalition".

"Kanzlerin muss eingreifen"

FDP-Fraktionsvize Birgit Homburger nannte Jungs Äußerungen inakzeptabel. "Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass die Grundrechte unschuldiger Passagiere einen Abschuss nicht zulassen. Der Minister kann sich genau in diesem Fall deshalb nicht auf einen übergesetzlichen Notstand berufen", erklärte Homburger. "Die Bundeskanzlerin ist aufgefordert klarzustellen, dass der Bundesverteidigungsminister nicht die Haltung der Regierung wiedergegeben hat, und die Regierung sich selbstverständlich an die geltende Rechtslage hält."

Der Grünen-Innenpolitiker Wolfgang Wieland erklärte: "Verteidigungsminister Jung geriert sich offen als Verfassungsfeind. Denn es gibt ein klares Verbot des Bundesverfassungsgerichtes, eine Passagiermaschine abzuschießen."

Auf der Suche nach dem geeigneten Piloten

Jung sagte, in Abstimmung mit der Luftwaffe sollten "nur diejenigen Piloten fliegen, die auch vor dem Hintergrund dieser schwierigen rechtlichen Frage dazu bereit wären, diesen Befehl auszuführen". Er müsse sich auf die Soldaten verlassen können: "Ich kann in einer solchen Situation nicht lange diskutieren."

Aus Homburgers Sicht brächte der Verteidigungsminister die Soldaten damit in erhebliche Schwierigkeiten: "Einen solchen rechtswidrigen Befehl kann er Soldatinnen und Soldaten nicht erteilen, da Soldaten nach dem Soldatengesetz gehalten sind, einen rechtswidrigen Befehl nicht zu befolgen."

Die Linke-Bundestagsfraktion warf Jung vor, er wolle "Gott spielen und Leben gegen Leben aufrechnen". Fraktionsvize Petra Pau erklärte: "Nicht nur der Verteidigungsminister steht auf Kriegsfuß mit dem Grundgesetz. Gefragt sind obendrein getreue Vasallen."

Quelle: ntv.de

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