Politik

Diplomatische Mühen nur symbolisch Syrische Panzer schießen

Der Sender Al-Arabija zeigt, wie Panzer in Hama auffahren.

Der Sender Al-Arabija zeigt, wie Panzer in Hama auffahren.

(Foto: dpa)

Während die Diplomatie über ihre Mittel nachsinnt, zielen in Syrien weiter Panzer auf Menschen. Die Veto-Mächte China und Russland blockieren den UN-Sicherheitsrat, und in Berlin muss sich Kanzlerin Merkel gegen Passivitätsvorwürfe wehren. Derweil kappt das syrische Militär alle Kommunikationswege aus der Protesthochburg Hama. Massive Panzerverbände stoßen in das Herz der Stadt vor.

Trotz der Eskalation der Gewalt in Syrien zieht Deutschland anders als Italien seinen Botschafter nicht aus Damaskus ab. Deutschland respektiere die Entscheidung Italiens, werde den eigenen Botschafter allerdings bis auf weiteres nicht aus Damaskus abziehen, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer. "Aus unserer Sicht ist es angesichts der starken und sehr erfolgreichen Informationsblockade durch die syrischen Behörden ganz wichtig, dass die Botschaft weiter vor Ort Informationen sammeln kann". Außerdem gehe es darum, weiter die Kontakte zur syrischen Opposition zu unterhalten.

Das Foto von einem Amateur-Video soll den Trauerzeug für einen von der Armee Getöteten zeigen.

Das Foto von einem Amateur-Video soll den Trauerzeug für einen von der Armee Getöteten zeigen.

(Foto: Reuters)

Die Frage des diplomatischen Umgangs mit der Krise werde auch Thema der Gespräche auf EU-Ebene am Donnerstag sein, kündigte Schäfer an. Auf Initiative von Außenminister Guido Westerwelle werde es eine Sitzung der Botschafter im sicherheitspolitischen Komitee der EU geben. Dabei solle über das weitere Vorgehen der EU und potenzielle weitere Sanktionen gegen Syrien beraten werden. Eine gemeinsame Erklärung der EU-Regierungschefs, die den syrischen Staatschefs Baschar al-Assad zum Rücktritt auffordert, ist bislang nicht vorgesehen.

Die Bundesregierung sieht sich dem Vorwurf der Unentschlossenheit und Passivität ausgesetzt. Italien hatte nach dem Abzug seines Botschafters aus Damaskus die europäischen Partner aufgefordert, sich dem Schritt anzuschließen. Berlin und Brüssel wollen dies nicht tun.

Regierung "erschreckend passiv"

SPD und Grüne kritisieren die Bundesregierung für ihre Zurückhaltung angesichts der andauernden Gewalt in Syrien."Deutschland muss endlich seine guten Beziehungen zu Russland nutzen, um Assads Regime konsequent zu isolieren", forderte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin der "Berliner Zeitung". Die Europäische Union und Russland als Mitglieder des sogenannten Nahost-Quartetts könnten kein Interesse an einer weiteren Destabilisierung der Region haben, sagte Trittin. "Hier aber zeigen Merkel und Westerwelle erschreckende Passivität."

Anhaltender Protest: Sprechchöre gegen Assad im Dorf Taybet Al-Imam in der Nähe Hama.

Anhaltender Protest: Sprechchöre gegen Assad im Dorf Taybet Al-Imam in der Nähe Hama.

(Foto: REUTERS)

Ähnlich äußerte sich der stellvertretende SPD-Fraktionschef Gernot Erler in der Zeitung. Deutschland gehöre zu den wichtigsten Partnern Russlands und Chinas, sagte der frühere Staatsminister im Auswärtigen Amt. "Warum wurden die Treffen in den letzten Wochen in Berlin und in Hannover nicht dazu genutzt, um die Russen und die Chinesen davon zu überzeugen, von ihrer Haltung im Sicherheitsrat abzurücken? Ich habe keinerlei Aktivitäten auf bilateraler Ebene dazu feststellen können", sagte Erler. "Es ist ein Drama, dass der Sicherheitsrat bislang nicht in der Lage war, wenigstens einen Konsens darüber zu finden, die Gewalt gegen die Zivilbevölkerung in Syrien zu verurteilen."

Frau Merkel ist in Sorge

Die Bundesregierung wies die Vorwürfe der Opposition zurück. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verfolge "mit großer Aufmerksamkeit und Sorge, wie die syrische Regierung weiter mit brutaler Waffengewalt gegen die eigene Zivilbevölkerung vorgeht", sagte Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans. Merkel begrüße, dass der UN-Sicherheitsrat nach der erneuten Eskalation in den vergangenen Tagen ein weiteres Mal zusammengetreten ist.

Außenamtssprecher Schäfer sagte, die Bundesregierung habe von Anfang an eine klare Haltung eingenommen und die Repressionen in Syrien kritisiert. Berlin habe sich früh für Sanktionen eingesetzt, auch gegen Präsident Assad persönlich. Man bemühe sich seit Monaten mit Nachdruck darum, im Sicherheitsrat eine Resolution mit einer "klaren Botschaft der Verurteilung" Syriens zu verabschieden. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) habe zudem auch mit seinen Außenministerkollegen aus Russland, China, Brasilien und anderen Ländern intensiv über die Lage in Syrien gesprochen.

Trotz immer mehr Toten in Syrien

Der Sicherheitsrat kann sich nicht auf eine gemeinsame Position einigen.

Der Sicherheitsrat kann sich nicht auf eine gemeinsame Position einigen.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Die Veto-Mächte Russland und China blockieren weiter im Sicherheitsrat eine deutliche Verurteilung Syriens, von Wirtschaftssanktionen ganz zu schweigen. Eine gemeinsame Resolution gegen das Regime in Damaskus wird es kaum geben. Doch nach zähem Feilschen war der Rat am Dienstag erstmals in konkrete Textverhandlungen eingestiegen. Nach fast achtstündigen Gesprächen gelang es nach Angaben aus westlichen Diplomatenkreisen erstmalig, ernsthafte Gespräche über eine mögliche Reaktion auf die eskalierende Gewalt in Syrien einzuleiten.

Grundlage für die Beratungen war zunächst der seit bereits zwei Monaten vorliegende Resolutionsentwurf der europäischen Mitglieder des Sicherheitsrates. Laut Teilnehmerkreisen gelang es den Europäern, die bislang eher zögerlichen Regierungen Indiens, Brasiliens und Südafrikas aktiv in die Textverhandlungen einzubeziehen. Es hieß, dadurch sei überhaupt erst ein Einstieg in Verhandlungen mit Russland und China möglich geworden. Auch das nichtständige Ratsmitglied Libanon lehnt eine Resolution ab. Eine Resolution braucht 9 der 15 Sicherheitsratsstimmen - und mindestens die Enthaltung der fünf ständigen Mitglieder USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich.

Truppen verschärfen Offensive

Während die Diplomatie über ihre Mittel nachsinnt, verfolgt Assad unbeirrt weiter einen harten Kurs. Alle Appelle der internationalen Gemeinschaft verhallen ungehört. Die Vereinten Nationen schätzen, dass bisher mindestens 1500 Menschen in Syrien von den Schergen des Regimes getötet, 12.000 Syrer als politische Gefangene inhaftiert wurden und mindestens 3000 Menschen verschwunden sind.

Syrische Streitkräfte haben nach Angaben von Regimegegnern ihre Offensive gegen die Stadt Hama verschärft. Massive Panzerverbände seien am Mittwoch auf dem Orontes-Platz im Zentrum der Protesthochburg eingerückt, berichteten syrische Aktivisten. Regelmäßig seien Explosionen und Gewehrfeuer zu hören gewesen. Auch ins Zentrum der nordöstlichen Stadt Deir al-Zor sollen Panzerkolonnen eingefahren sein.

Aus Hama kamen nur spärlich weitere Nachrichten. Die Behörden hatten zuvor sämtliche Telefonleitungen gekappt, teilten Menschenrechtler in Beirut mit. Der Nachrichtensender Al-Dschasira meldete am Nachmittag erneuten Granatbeschuss.

Die syrischen Sicherheitskräfte hatten am vergangenen Sonntag eine Offensive gegen Hama gestartet. Allein am ersten Tag sollen an die 100 Zivilisten getötet worden sein. Das Regime in Damaskus bezeichnete die Aktion als Maßnahme zur Bekämpfung von "bewaffneten Banden".

Quelle: ntv.de, hdr/dpa/AFP

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