Politik

Wind-chill-EuroTeuro keine Einbildung

30.05.2002, 10:10 Uhr

Der "gefühlte" Euro ist ein teurer Euro. Was einkaufende Normalbürger schon längst erkannt haben, bestätigen nun auch die Wirtschaftsforscher. So stiegen die Bierpreise um 7, Gaststättenkosten um knapp 4 Prozent. Die Formel „Euro gleich Teuro“ ist allerdings falsch.

Das "Teuro"-Gefühl der Verbraucher nach Einführung des Euro-Bargeldes ist keine Einbildung. Auch Wirtschaftsforscher bestätigen nun, dass die "gefühlte Inflation" deutlich über den offiziellen Teuerungswerten liegt.

Das Kölner Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) kommt in einer Studie zu dem Schluss: "Die Teuerung ist kein Hirngespinst." Im ersten Quartal hätten sich Waren und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs gegenüber dem Vorjahr um "fühlbare" 4,8 Prozent verteuert. Damit sei die "gefühlte Inflation" zweieinhalb Mal höher als der offizielle Wert des Statistischen Bundesamtes für das erste Quartal mit 1,9 Prozent.

An der Spitze der Teuerung steht der Studie zufolge Gemüse mit einem Plus von 14,3 Prozent. Flugreisen seien um 11,4 Prozent, Molkereiprodukte und Bier um je sieben Prozent, Brot und Fleisch um jeweils 4,1 Prozent teurer geworden. In Hotels und Gaststätten müsse 3,6 Prozent mehr bezahlt werden.

Die Formel "Euro gleich Teuro" sei allerdings falsch, betonen die Kölner Forscher. Wie auch die Statistiker verweisen sie auf einen kalten Winter in Südeuropa, der Obst und Gemüse teurer gemacht habe, und auf Steuererhöhungen zu Jahresbeginn.

Die Differenz zwischen "gefühlter" und offizieller Inflation erklärt das IW mit der Breite des Warenkorbs der Statistiker. In ihm machen die Kosten für Miete, Wasser, Strom und Heizung gut ein Viertel aus, die sich nicht verändert hätten. Dies werde aber von den Menschen kaum wahrgenommen, weil sie damit nicht täglich konfrontiert werden. "Der Verbraucher nimmt vor allem die Preise für solche Güter wahr, die er täglich in den Einkaufswagen packt", schreibt das IW in dem Bericht.

„Anti-Teuro-Gipfel“

Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) lud für Freitag Handel, Gastronomie und Verbraucherverbände zu einem "Anti-Teuro-Gipfel" nach Berlin ein. Ziel des Treffens ist es, die Wirtschaft zur Selbstkontrolle zu ermutigen und Druck auf "schwarze Schafe" auszuüben, die den Euro zu drastischen Preiserhöhungen genutzt haben.

Künasts Kabinettskollege Werner Müller hält den Gipfel allerdings für überflüssig. Der parteilose Wirtschaftsminister vertrat bisher die Auffassung, als Regulativ sei der mündige Bürger gefragt – nicht die Politik. Würden Läden oder Gaststätten ihre Preise im Schatten der Euro-Einführung erhöhen, müssten die Verbraucher darauf mit einem Boykott reagieren, sagte Müller.