Politik

Was macht Klaus? Tschechien führt die EU

Tschechien hat mit dem Jahreswechsel die Ratspräsidentschaft der EU von Frankreich übernommen. Bis zum 30. Juni führt nun das Kabinett von Ministerpräsident Mirek Topolanek in Prag die Amtsgeschäfte der EU. Unklar bleibt dabei die Rolle des tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus, der sich selbst einen "europäischen Dissidenten" nennt und auch in der Frage des Klimaschutzes skurrile Positionen vertritt.

Ebenfalls in der Silvesternacht führte die Slowakei als 16. EU-Mitgliedstaat den Euro als offizielles Zahlungsmittel ein. Vor 16 Jahren hatten sich die Slowakei und Tschechien getrennt, die bis dahin zusammen die Tschechoslowakei gebildet hatten.

In der slowakischen Hauptstadt Bratislava feierten 100.000 Menschen den Beitritt zur gemeinsamen Währungszone. Einer Umfrage zufolge befürworten rund 58 Prozent der 5,4 Millionen Slowaken die neue Währung. Noch bis Mitte Januar gilt in der Slowakei neben dem Euro auch die Krone als Zahlungsmittel.

Tschechien will am 1. November einen Zeitplan für die Euro-Einführung vorlegen. "Das ist das Datum", sagte Topolanek im Staatsfernsehen. Er nannte kein Terminziel. Experten halten einen Beitritt Tschechiens zur Euro-Zone frühestens 2012 für möglich, weil die Regeln des Stabilitätspaktes eingehalten werden müssen.

"Das Klima ist okay"

In der nächsten Woche erwartet Prag den Besuch der Brüsseler EU-Kommission und ein informelles Treffen der EU-Außenminister. Inwieweit Präsident Klaus in die Beratungen eingreifen will, ist offen. In seiner Neujahrsansprache sagte Klaus: "Wir möchten dazu beitragen, dass die EU wirklich demokratisch wird; zu einer Zone, in der politische Entscheidungsprozesse nahe dem Bürger sind und in der jeder Politiker verantwortlich gegenüber dem Bürger sein muss und kontrollierbar." Zur Mitgliedschaft in der EU bestehe keine Alternative, sagte Klaus, der aber den Lissabon-Vertrag der EU entschieden ablehnt.

Bei einem Besuch in Rumänien hatte Klaus im Dezember betont, sein Land werde "kein Vorkämpfer für das Klimapaket" der EU sein. Das Klima sei "okay", das Problem der Erderwärmung sei eine "Ideologie", sagte Klaus, der ein Buch mit dem Titel "Blauer Planet in grünen Fesseln" geschrieben hat. Eine Klimakatastrophe hält er für ausgeschlossen.

Ähnlich isoliert steht Klaus in seiner Position zur Finanzkrise. Es sei zu befürchten, dass die Krise als Vorwand dienen werde, um "die fundamentalen Institutionen des Kapitalismus und der freien Märkte zu untergraben", hatte Klaus in Rumänien gesagt. Er verglich die Finanzkrise mit einer "Grippe", deren Heilung "eine Woche dauert, wenn man zum Arzt geht, und sieben Tage, wenn man nichts tut".

Auch in der Zeit der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft will Klaus keine EU-Flagge an seinem Amtssitz hissen lassen. "Unser Partner ist nicht Klaus", kommentierte der EU-Abgeordnete Elmar Brok (CDU). Für die Europapolitik seien in Tschechien vor allem Regierungschef Topolanek, Europaminister Alexandr Vondra sowie Außenminister Karel Schwarzenberg zuständig. Sowohl die Regierung als auch die überwiegende Mehrheit der Opposition in Tschechien seien pro-europäisch eingestellt. Klaus wird voraussichtlich im Februar vor dem EU-Parlament sprechen.

Gaza-Konflikt erste Herausforderung

Schwarzenberg sagte in der Nacht zum Donnerstag, der militärische Konflikt im Gazastreifen sei "eine erste Herausforderung", an der sich die EU-Präsidentschaft beweisen müsse. Regierungschef Topolanek kündigte an, eine EU-Delegation unter Führung von Schwarzenberg solle in den kommenden Tagen in den Nahen Osten reisen.

Gleich am ersten Tag seiner Ratspräsidentschaft musste Tschechien auch in den Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine eingreifen. In einer Erklärung machte Prag im Namen der EU deutlich, dass der russische Lieferstopp an die Ukraine die Versorgung in der Europäischen Union nicht beeinträchtigen dürfe.

Eine weitere Herausforderung für Topolanek ist es, den unter französischer Ratspräsidentschaft eingeleiteten Weg aus der Verfassungskrise der EU fortzusetzen. Irland hatte sich im Dezember verpflichtet, in diesem Jahr eine zweite Volksabstimmung über den Reformvertrag von Lissabon abzuhalten. Auch in Tschechien steht die Zustimmung des Parlaments zum Lissabon-Vertrag noch aus. In die Zeit des tschechischen Vorsitzes fällt außerdem die Europawahl im Juni.

"Europa ohne Barrieren"

Das offizielle Programm der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft will Topolanek am 6. Januar vorstellen. Schwerpunkte sind die Wirtschafts- und Außenpolitik der Union sowie der Bereich Energie. "Europa ohne Barrieren" heißt das Motto, unter dem Prag die Union weiter auf die Situation nach dem Systemwechsel in Osteuropa einstellen will.

Tschechien mit gut zehn Millionen Einwohnern trat der EU zum 1. Mai 2004 bei. Am Neujahrstag sagte Topolanek im staatlichen Fernsehen, er strebe innenpolitisch eine rasche Kabinettsumbildung seiner Mitte-Rechts-Regierung an. Als Reaktion auf die Wirtschaftskrise werde er einen nationalen Wirtschaftsrat unter Einbeziehung der sozialdemokratischen Opposition einberufen.

Quelle: ntv.de

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