Politik

Gespannte Stimmung in Kairo USA ziehen Mitarbeiter ab

Mursi-Anhänger wappnen sich für die Ausschreitungen.

Mursi-Anhänger wappnen sich für die Ausschreitungen.

(Foto: AP)

Am Sonntag wollen in Ägypten die Gegner des islamistischen Präsidenten Mursi in Massen demonstrieren. Ausländer verlassen in großer Zahl das Land. Obama warnt vor einer Eskalation, Geistliche haben sogar Sorge vor einem Bürgerkrieg.

Vor den Großdemonstrationen gegen Ägyptens Präsidenten Mohammed Mursi wächst die Furcht vor einer gefährlichen Eskalation. In Kairo und anderen Städten herrschte zunächst angespannte Ruhe, während sich immer mehr Menschen an zentralen Plätzen versammelten.

US-Präsident Barack Obama forderte während eines Besuchs in Südafrika, Demonstranten und Sicherheitskräfte sollten Zurückhaltung üben und der Gewalt abschwören. "Wir unterstützen friedliche Proteste und friedliche Methoden, im Land Wandel zu schaffen", sagte er nach einem Gespräch mit dem südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma in Pretoria. Allerdings wolle er in dem Konflikt keine Partei ergreifen. "Das ägyptische Volk muss seinen Weg finden." Obama äußerte auch die Befürchtung, die Gewalt könne auf andere Länder übergreifen.

Zum Jahrestag des Amtsantritts Mohammed Mursis am Sonntag sind im ganzen Land Demonstrationen geplant. Auch auf dem Tahrir-Platz, auf dem die ägyptische Revolution im Januar 2011 begann, und vor dem Präsidentenpalast in Kairo werden Proteste stattfinden. Unterstützer des Präsidenten sammelten sich vor der nicht weit vom Amtssitz des Präsidenten entfernten Rabea-al-Adawija-Moschee. Mursi hat den Palast bereits verlassen. Das Militär sicherte wichtige staatliche Institutionen.

Ausländer reisen aus

Auf dem internationalen Flughafen in Kairo herrschte Hochbetrieb. Sämtliche Flüge in die USA, nach Europa und in die Golfstaaten waren nach Angaben aus Sicherheitskreisen ausgebucht. Auch Mitarbeiter und Familienangehörige der US-Botschaft – insgesamt 45 Personen – verließen das Land unter anderem in einer Maschine nach Frankfurt am Main. Das US-Außenministerium warnte Amerikaner vor nicht unbedingt nötigen Reisen nach Ägypten.

Die Demonstration auf dem Tahrir-Platz verlief bislang friedlich.

Die Demonstration auf dem Tahrir-Platz verlief bislang friedlich.

(Foto: AP)

Bei Protesten gegen den islamistischen Präsidenten waren bereits am Freitag mindestens drei Menschen getötet und mehr als hundert verletzt worden. Unter den Toten war auch ein 21-jähriger US-Student. Nach Angaben der Sicherheitskräfte stach ihm in Alexandria ein Mann mit einem großen Messer in die Brust, als er Demonstranten fotografierte. Seit Mittwoch kamen nach offiziellen Angaben mindestens sieben Menschen bei den Krawallen ums Leben.

Das Auswärtige Amt empfiehlt deutschen Staatsbürgern "nachdrücklich", während und nach den angekündigten Großdemonstrationen "besondere Vorsicht walten zu lassen und den jeweiligen Einzugsbereich der Demonstrationen  weiträumig zu meiden".

Opposition hat 22 Millionen Unterschriften gesammelt

Die ägyptische Staatsanwaltschaft ordnete derweil Ermittlungen gegen Oppositionsaktivisten und Initiatoren der Unterschriftenkampagne gegen Mursi an. Die Zeitung "Al-Ahram" berichtet, dass es um den Vorwurf der "Verschwörung zum Sturz der Regierung" gehe. Solche Anschuldigungen gebe es unter anderem gegen Friedensnobelpreisträger Mohammed ElBaradei und seine Mitstreiter Amre Mussa und Hamdien Sabahi.

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(Foto: AP)

Ziel der Protestbewegung "Tamarod" (Rebellion) ist der Rücktritt Mursis. Die islamistische Führung des Landes lehnt Neuwahlen aber ab. Mursi war 2012 bei der ersten freien Präsidentschaftswahl mit knapper Mehrheit gewählt worden. Die Protestbewegung will nun mehr als 22 Millionen Unterschriften von Bürgern übergeben, die die Absetzung Mursis fordern. Die große Zahl der Unterzeichner zeige, dass Mursi seine Legitimität als Präsident verloren habe, erklärten die Initiatoren.

Einflussreiche Geistliche warnen eindringlich vor einer Eskalation der Gewalt und forderten Wachsamkeit, "um sicherzustellen, dass wir nicht in einen Bürgerkrieg abgleiten". Das Militär, das eine entscheidende Rolle beim Aufstand vor zwei Jahren innehatte, kündigte an, erneut einzugreifen, sollte die Gewalt überhandnehmen. Man werde den "Willen des Volkes" verteidigen, hieß es. Die Armee teilte zudem mit, landesweit Soldaten zum Schutz der Bürger und Einrichtungen von nationaler Wichtigkeit abkommandiert zu haben.

"Es gibt keine Stimmen der Vernunft"

Die Vereinten Nationen, die Europäische Union und die USA rufen alle Seiten zur Zurückhaltung auf. Die Regierung in Washington warnte ihre Bürger angesichts der angespannten Sicherheitslage vor Reisen nach Ägypten und zog bis auf einen Kernstab Mitarbeiter der US-Botschaft sowie deren Familienangehörige ab.

Viele Menschen sind wegen der massiven wirtschaftlichen Probleme Ägyptens unzufrieden. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, den Bürgern fehlt es an Geld für Lebensmittel, Benzin ist knapp.

Der Leiter des Kairoer Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung, Ronald Meinardus, sprach von einer einzigartigen Polarisierung: "Es gibt keine Stimmen der Vernunft", sagte er im Deutschlandradio Kultur. Niemand wolle Brücken schlagen, sondern alle Ägypter rechneten sich entweder dem einen oder den anderen Lager zu.

Quelle: ntv.de, che/dpa/rts

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