Scientology scheitert Überwachung rechtens
12.02.2008, 17:29 UhrDer Verfassungsschutz darf Scientology weiter mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwachen. Das hat das Oberverwaltungsgericht für Nordrhein-Westfalen in Münster entschieden. Die Organisation, die sich selbst als Kirche bezeichnet, scheiterte damit auch in zweiter Instanz beim Versuch, die bereits seit 1997 andauernde Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln verbieten zu lassen. Das OVG ließ die Revision nicht zu. Dagegen können die Kläger eine sogenannte Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einlegen (Az: 5 A 130/05).
In der Urteilsbegründung führte der Vorsitzende Richter Michael Bertrams aus, Scientology und die Mitglieder strebten eine Gesellschaftsordnung an, mit der "zentrale Verfassungswerte wie die Menschenwürde und das Recht auf Gleichbehandlung außer Kraft gesetzt oder eingeschränkt" werden sollen. Dies ergebe sich aus teilweise nicht öffentlich zugänglichen Schriften, aber auch aus den Aktivitäten von Scientology.
Gang zum Bundesverwaltungsgericht angekündigt
Die Vorstandssprecherin der "Scientology Kirche Deutschland e.V." (München), Sabine Weber, kündigte nach der Entscheidung den Gang zum Bundesverwaltungsgericht an. "Es war eine falsche Entscheidung, aber das Urteil kam nicht ganz unerwartet." Die Richter hätten sich an einzelnen Zitaten von Scientology orientiert, nicht aber an der "gelebten Wirklichkeit". "Wir stehen auf der Seite des Grundgesetztes", betonte Weber, die zugleich Präsidentin der "Scientology Kirche Berlin e.V." ist. Sie sprach von "Schikane" gegen Scientology. Der Staat habe bisher keinerlei stichhaltigen Beweise für Verstöße gegen die Verfassung vorlegen können. Beide Vereine waren mit ihrer Klage für ein Beobachtungsverbot bereits in erster Instanz im Jahr 2004 vor dem Verwaltungsgericht Köln gescheitert.
Im Laufe der mehrstündigen mündlichen Verhandlung hatten die Rechtsbeistände von Scientology mehrfach auf einen Wandel innerhalb der Organisation abgehoben und in diesem Zusammenhang ältere demokratie-kritische Äußerungen von Scientology-Gründer Ron Hubbard (1911-1986) als "Altlasten" bezeichnet. Diese würden heute so nicht mehr vermittelt.
Dies sah der 5. Senat anders: Es gebe auch aktuelle Hinweise über Aktivitäten von Scientology, eigene Prinzipien mehr und mehr in Deutschland zu verbreiten. Daher bestehe auch künftig der "begründete Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen", die eine Beobachtung mit nachrichtendienstlichen Mitteln rechtfertige.
Nicht als Religionsgemeinschaft anerkannt
Scientology wird in Deutschland nicht als Religionsgemeinschaft anerkannt. Sekten-Experten werfen der Organisation vor, ihre Anhänger psychisch und finanziell abhängig zu machen. Im vorigen Dezember hatten Innenminister von Bund und Ländern einen möglicherweise noch weitergehenden Beschluss gefasst, die Erfolgsaussichten eines Verbotsverfahrens zu prüfen.
Das Urteil von Münster wurde in der Politik parteiübergreifend begrüßt. Der Sektenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Jörn Thießen, nannte die Scientology-Organisation einen "pseudoreligiösen Strukturvertrieb". Die Beobachtung durch den Verfassungsschutz sei das richtige Mittel, um Informationen zu sammeln, ob Scientology gegen die Verfassungsordnung verstoße. Ein mögliches Verbotsverfahren sei nur dann Erfolg versprechend, wenn der Staat Scientology konkrete Verstöße nachweisen könne.
Die CDU-Sekten-Expertin Antje Blumenthal erklärte: "Scientology versucht, besonders zentrale Verfassungswerte wie die Menschenwürde und das Recht auf Gleichbehandlung außer Kraft zu setzen. In der von ihnen angestrebten scientologischen Gesellschaft sollen Nicht-Scientologen keine Bürgerrechte erhalten. Eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz ist deshalb absolut notwendig."
Quelle: ntv.de