Politik

Strengstes Mediengesetz der EU Ungarn schränkt die Presse ein

Die rechtspopulistische Regierung in Ungarn könnte unliebsame Medien mundtot machen, befürchten Kritiker. Eine neue Medienbehörde kontrolliert die öffentlich-rechtlichen TV- und Radiosender und auch die privaten Medien. Journalisten zeigen sich ratlos.

Die Proteste gegen das neue Mediengesetz halten sich in Grenzen.

Die Proteste gegen das neue Mediengesetz halten sich in Grenzen.

(Foto: dpa)

Trotz heftiger Kritik maßgeblicher Bürgerrechts- und Presseorganisationen im In- und Ausland hat Ungarn das EU-weit restriktivste Mediengesetz eingeführt. Ausgerechnet mit Beginn der halbjährigen ungarischen EU-Ratspräsidentschaft im Januar treten Regelungen in Kraft, die die kritische Öffentlichkeit mundtot machen könnten. Dabei war das Puszta-Land einst Vorreiter bei der Demokratisierung des ehemaligen Ostblocks.

Die im April ans Ruder gekommene rechtspopulistische Partei FIDESZ unter Ministerpräsident Viktor Orban will damit die eigene Macht zementieren. Auch eine neue Regierung hätte es schwer, all dies rückgängig zu machen, denn dazu bräuchte sie im Parlament eine Zweidrittelmehrheit, so wie sie derzeit FIDESZ besitzt. Zudem dauert das Mandat der Präsidentin der mächtigen Medienaufsichtsbehörde neun Jahre - das ist länger als zwei Legislaturperioden. Behördenvorsitzende ist die von Orban persönlich ernannte Annamaria Szalai.

Auch Private unter Aufsicht

Die in diesem Sommer geschaffene Medienbehörde NMHH kontrolliert bereits die öffentlich-rechtlichen TV- und Radiosender, sowie die Nachrichtenagentur MTI. Durch das jetzt beschlossene Mediengesetz wurden außerdem alle privaten Medien unter Kuratel der Behörde gestellt - Funk, Fernsehen, Printmedien, Internetportale. Durch hohe Geldstrafen, die die NMHH eigenmächtig verhängen kann, können vor allem finanzschwächere Produkte, wie etwa Wochenzeitungen, wirtschaftlich ruiniert werden.

Zwar können Betroffene vor Gericht klagen, jedoch hängt es vom Wohlwollen des Richters ab, ob die Geldbuße sofort, oder eventuell erst nach Prozessende bezahlt werden muss. Dabei ist es noch nicht einmal klar, welche Verstöße überhaupt geahndet werden. Reicht schon ein kritischer Zeitungskommentar über Orban für das Todesurteil gegen eine Zeitung? Was geschieht, wenn ein Oppositionspolitiker im Fernsehen seine Meinung sagt? Im neuen Gesetz steht, dass nicht näher definierte "politische Propaganda" außerhalb der Wahlkampfzeiten unzulässig ist - es sei denn, es geht dabei um eine Volksbefragung.

Kaum Schutz für Informanten

Zudem darf die Behörde Verordnungen erlassen. Dies wurde jetzt in der Verfassung verankert. Der im demokratischen Europa selbstverständliche Schutz für Informanten von Journalisten wurde praktisch abgeschafft, da die Behörde Redaktionsräume nach Akten durchsuchen darf.

Bisher ist der große gesellschaftliche Aufschrei in Ungarn ausgeblieben. Nur etwa 1500 Studenten demonstrierten am Montagabend gegen einen Maulkorb für die Presse. Während der Abstimmung im Parlament klebten sich Oppositionsabgeordnete demonstrativ den Mund zu, ein Parlamentarier brachte einen Maulkorb mit. Mehrere Zeitungen waren zuvor aus Protest mit weißem Titelblatt erschienen.

Warum gab es keine heftigeren Proteste? "Die Ungarn haben derzeit andere Sorgen materieller Art", sagt der junge Journalist Pal Daniel Renyi, Redakteur des linksliberalen Wochenblatts "Magyar Narancs". Auch Renyis Chefredakteur Endre Bojtar zeigt sich ratlos, aber entschlossen, sich keinem Diktat zu beugen. Dass sich die "Magyar Narancs"-Nummer mit dem weißen Protest-Titelblatt deutlich besser verkauft hat als frühere Ausgaben, ist für ihn eine eher bittere Genugtuung.

Quelle: ntv.de, Kathrin Lauer, dpa

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