"Vorschläge reichen nicht" Union erklärt Migrationsgipfel mit Ampel für gescheitert
10.09.2024, 17:19 Uhr Artikel anhören
Faesers Vorschläge werden den Herausforderungen nicht gerecht: Thorsten Frei begründet den Abbruch der Gespräche.
(Foto: picture alliance/dpa)
Im Spitzengespräch über eine bessere Kontrolle der Migration sind CDU/CSU und Ampel-Regierung nicht vorangekommen. Ein detailliertes Angebot von Innenministerin Faeser weist der Unions-Verhandlungsführer Frei als unzureichend zurück.
CDU und CSU haben die Gespräche mit der Bundesregierung über ein gemeinsames Vorgehen in der Asyl- und Migrationspolitik abgebrochen. Die Vorschläge der Regierung zu einer Zurückweisung von Asylbewerbern an den deutschen Grenzen seien nicht weitgehend genug, sagte Unions-Verhandlungsführer Thorsten Frei zur Begründung in Berlin. "Wir müssen feststellen, dass die Koalition nicht zu einem gemeinsamen Ergebnis gekommen ist", sagte Frei. Die Ampel habe sich Mühe gegeben, einheitlich aufzutreten, aber der Vorschlag werde im Ergebnis nicht zu mehr Zurückweisungen an den Grenzen führen. Das vorgeschlagene Modell zielte nicht auf zusätzliche Zurückweisungen, sondern auf beschleunigte Verfahren im Land. Es werde damit den Herausforderungen nicht gerecht. Die Union wolle aber "alles unterstützen, was unserem Land hilft", sagte der CDU-Politiker.
Auch Unionsfraktionschef Friedrich Merz kritisierte die Vorschläge der Ampel. "Die Bundesregierung ist intern offensichtlich heillos zerstritten und kann sich nicht auf wirksame Maßnahmen einigen", erklärte der CDU-Vorsitzende nach dem Ende der Beratungen der Ampel-Regierung mit Vertretern der Union und von Ländern in Berlin auf der Plattform X. "Die Ampel kapituliert vor der Herausforderung der irregulären #Migration", schrieb Merz weiter und fügte hinzu: "Die Bundesregierung ist handlungsunfähig und führungslos."
Die Bundesregierung bedauerte die Entscheidung der Union zum Abbruch der Gespräche. "Wir sind bereit, das Gespräch weiterzuführen", sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann von der FDP. Bei Maßnahmen zur Eindämmung der irregulären Migration sei die Bundesregierung bereit, alles zu tun, was im Rahmen des nationalen und des europäischen Rechts möglich ist. Die Forderungen der Union nach Zurückweisungen an den deutschen Grenzen gingen aber darüber hinaus. "Man kann von einer Bundesregierung nicht verlangen, dass sie sich in Widerspruch zum Recht begibt", sagte Buschmann.
Faeser: "Keine riskanten Ausnahmen von europäischem Recht"
Bundesinnenministerin Nancy Faeser betonte: "Wir haben wirklich gute Gespräche gehabt, auch wenn das manchmal etwas anders klingt." Die Bundesregierung habe einen Vorschlag vorgelegt, wie Geflüchtete grenznah untergebracht und schnell zurückgewiesen werden können. Dieser Vorschlag stehe in Einklang mit europäischem Recht, sagte die SPD-Politikerin. Dies sei bei der CDU-Forderung nach Zurückweisungen nicht der Fall. Es dürfe "keine riskanten Ausnahmen vom geltenden europäischen Recht geben", sagte sie. Einige Bundesländer hätten bei dem Treffen Interesse signalisiert, den Vorschlag der Regierung weiter zu verfolgen.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock äußerte ihr Unverständnis über den Abbruch. "Bedauerlicherweise hat die Union gesagt, dass sie jetzt nicht mehr weiter reden möchte", sagte die Grünen-Politikerin. Dabei seien bei dem Treffen am Dienstag "viele Themen noch gar nicht besprochen" worden.
Der Ampel-Vorschlag im Detail
Zuvor hatte die Bundesregierung für das Treffen mit der Union ein Modell zur Eindämmung der irregulären Migration vorgelegt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) soll demnach das sogenannte Dublin-Verfahren künftig schneller betreiben. Das hatte Innenministerin Faeser der Union im Detail vorgeschlagen:
- Flüchtlinge, die kein Asylgesuch stellen und auch sonst nicht zur Einreise berechtigt sind, werden durch die Bundespolizei konsequent zurückgewiesen. Diese Maßnahme wird bereits praktiziert.
- Wird ein Asylgesuch geäußert, prüft die Bundespolizei, so Faesers Vorschlag, ob ein anderer Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Bei dieser Prüfung greift die Bundespolizei vorrangig auf EURODAC-Treffer zurück oder zieht andere Belege heran. Die Bundespolizei führt zudem die erforderlichen Befragungen bzw. Anhörungen durch und übermittelt die Daten und das Ergebnis der Befragung an das BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge), welches das Dublin-Verfahren beschleunigt einleitet.
- Die Bundespolizei prüft, ob Haftkapazitäten zur Verfügung stehen und beantragt beim zuständigen Gericht Haft wegen Fluchtgefahr zur Sicherstellung des Verfahrens, um ein Untertauchen der Personen zu vermeiden. Hier ist ein schnelles Handeln der Justiz der Länder erforderlich. Auch müssen die Haftplätze der Länder in ausreichender Anzahl, möglichst in Grenznähe entlang der Migrationsrouten, vorhanden sein. Dieses Anliegen des Bundes an die Länder ist bereits Gegenstand der Beschlüsse im Rahmen der MPK. Alternativ soll eine feste Zuweisung und Wohnsitzauflage vorgesehen werden, wenn Haft nicht in Betracht kommt.
- Das BAMF leitet unmittelbar ein beschleunigtes Dublin-Verfahren ein. Deutschland wird auf hoher politischer Ebene auf die europäischen Partner zugehen, damit von dort eine schnelle Zustimmung zu den deutschen Überstellungsmitteilungen erfolgt und die EURODAC- und Dublin-Regeln eingehalten werden.
- Nach Zustimmung des Mitgliedstaats stellt das BAMF die Unzulässigkeit des Asylantrags fest und ordnet die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat an.
- Sofern die Betroffenen Klage einreichen, muss diese vom zuständigen Verwaltungsgericht zügig entschieden werden.
- Parallel plant die Bundespolizei den Zurückweisungstermin. Das BAMF klärt mit dem Zielstaat die Überstellungsmodalitäten. Der Aufenthalt in einer Einrichtung ermöglicht den unmittelbaren Zugriff auf die zu überstellende Person - daran sind bislang die meisten Rücküberstellungen gescheitert, so auch im Fall des Attentäters von Solingen.
- Nach Abschluss des Verfahrens führt die Bundespolizei die Zurückweisung in den zuständigen Mitgliedstaat durch.
- Wie in den Regierungskreisen betont wird, entspricht dieses Modell dem geltenden nationalen und europäischen Recht. "Es ist effektiv und bedeutet ein abgestimmtes Handeln innerhalb Deutschlands ebenso wie innerhalb der EU."
Quelle: ntv.de, mau/rts/dpa