Gipfeltreffen zur Organspende Vergabe soll nachprüfbar sein
27.08.2012, 06:50 Uhr
Zweifelhafte Entscheidungen haben nicht nur die Transplantationsmedizin in Göttingen in Verruf gebracht.
(Foto: dpa)
Manipulationen, Schnellvergabe und Organ-Zuteilung nach Sonderstatus - nach dem Organspende-Skandal ist längst nicht alles wieder in Ordnung. In einem Spitzentreffen in Berlin geht es heute um Änderungen in der Transplantationsmedizin. Gesundheitsminister Bahr hat Vertreter der Länder und der Transplantationsmedizin eingeladen.
Vor dem Spitzentreffen zu mutmaßlichen Manipulationen bei Organspenden haben Patientenschützer eine grundlegende Reform des Transplantationssystems gefordert. Das Spende- und Verteilungssystem in Deutschland müsse in staatliche Hände gelegt werden, sagte Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Hospiz Stiftung. Laut "Bild"-Zeitung ergab eine Prüfung der Bundesärztekammer nur eine relativ geringe Zahl von Unregelmäßigkeiten.
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) trifft Vertreter der Länder, der Ärzteschaft und anderer Institutionen, um über eine mögliche Änderungen der Organspende-Richtlinien zu beraten. Die Transplantationsmedizin in Deutschland ist wegen des Verdachts der Manipulation bei der Zuteilung von Organen an Patienten in den Unikliniken in Göttingen und Regensburg in die Kritik geraten. Auch dass immer mehr Organe nicht über Wartelisten, sondern im Zuge eines Schnellverfahrens vergeben werden, löste Sorgen aus, dass die Zuteilung nicht gerecht erfolge.
Anfälliges System
Auch wenn es nicht jede Woche einen Organspendeskandal gebe, werde an den Vorfällen in Regensburg und Göttingen deutlich, "dass wir ein System haben, das hochanfällig für Manipulationen ist, weil es keine Transparenz und rechtstaatliche Kontrolle gibt", sagte der Hospiz-Stiftungs-Vorstand Brysch der "Berliner Zeitung". Die Kriterien zur Organverteilung müssten ihm zufolge gleichfalls durch den Gesetzgeber festgelegt werden.
Nach einer von der Hospiz-Stiftung in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage sind 59 Prozent der Bevölkerung für eine zentrale Bundesbehörde zur Organisation von Transplantationen, wie die "Berliner Zeitung" weiter berichtete. 38 Prozent der Befragten halten das nicht für notwendig.
Anders als Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery zeigte sich der Chefarzt des Herzzentrums in Bad Oeynhausen, Jan Gummert, offen für eine staatliche Kontrolle. "Ich halte jegliche Kontrolle von unabhängiger Stelle für sinnvoll und absolut notwendig, um jetzt wieder Vertrauen wiederherzustellen", sagte er der "Berliner Zeitung".
Geringe Prozentzahl Verstöße
In Deutschland wurden nach Informationen der "Bild"-Zeitung in den Jahren 2000 bis 2011 insgesamt gut 50.000 Organe transplantiert. Dabei habe es 119 "klärungsbedürftige Auffälligkeiten" gegeben, berichtet das Blatt unter Berufung auf einen internen Bericht der Prüfkommission der Bundesärztekammer. In 21 Fällen hätten Verstöße vorgelegen, die an Ministerien oder die Staatsanwaltschaft zur Überprüfung weiter geleitet worden seien.
Der Vorsitzende der Ethikkommission der Deutschen Transplantationsgesellschaft, Richard Viebahn, forderte unterdessen mehr Aufklärung für Patienten. "Wir brauchen eine Clearingstelle, an die sich Patienten bei Fragen nach Organvergaben wenden können", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Welches Organ an welchen Patienten vergeben wird, hängt von so vielen Faktoren ab, dass viele die Prozesse nicht nachvollziehen können." Eine Beratungsstelle könne etwa beim Bundesgesundheitsministerium oder bei der Bundesärztekammer angesiedelt sein.
Quelle: ntv.de, dpa