Politik

Proteste gegen griechisches Sparpaket Verletzte bei Ausschreitungen

Erst beginnt der zweitägige Generalstreik in Griechenland. Dann gibt es eine Großdemonstration gegen das neue Sparprogramm der Regierung. Schließlich kommt es in Athen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Protestlern und der Polizei. Diese setzt Tränengas ein, einige Demonstranten werfen Steine und stecken Autos in Brand.

Einen Tag vor der entscheidenden Abstimmung im griechischen Parlament über das Sparprogramm der Regierung ist es bei Protesten in Athen zu Ausschreitungen gekommen. Die Polizei ging mit Tränengas gegen Demonstranten vor, die einen Lastwagen in Brand gesetzt hatten. Ein zweitägiger Generalstreik gegen das von EU und IWF geforderte Sparprogramm legte das öffentliche Leben weitgehend lahm.

Mit Ausnahme der U-Bahn stand der öffentliche Nahverkehr in der Hauptstadt Athen still. Die U-Bahnfahrer hatten beschlossen, sich nicht an dem Streik zu beteiligen und stattdessen möglichst viele Fahrgäste zu einer Großdemonstration in der Innenstadt zu bringen. Die etwa 20.000 Demonstranten marschierten bis zum Syntagma-Platz vor dem Parlament, das von tausenden Polizisten abgeriegelt war. Dort vereinigten sich die Demonstranten mit den sogenannten Empörten ("Aganaktisméni"), die seit drei Wochen auf dem Platz campieren.

Sicherheitskräfte verhaften einen Protestler.

Sicherheitskräfte verhaften einen Protestler.

(Foto: AP)

Die Gewerkschaften rechneten mit massenhafter Unterstützung des Generalstreiks nicht nur durch ihre Mitglieder. "In den nächsten 48 Stunden werden Arbeiter, Arbeitslose und junge Menschen die Straßen bevölkern", kündigte ADEDY-Chef Spyros Papaspyros an, dessen Gewerkschaft eine halbe Million Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes vertritt. Der Zorn über das Sparprogramm reicht über die Gewerkschaften und die radikale Linke hinaus. So äußerte auch der Einzelhandelsverband ESEE Ablehnung und rief seine Mitglieder auf, ihre Schaufenster aus Protest mit griechischen Flaggen zu drapieren.

Mehrere Menschen verletzt

Am Rande der Proteste kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei. Nach Angaben der Behörden setzten die Beamten Tränengas gegen eine Gruppe jugendlicher Demonstranten ein, als diese Mülltonnen in Brand setzten und Fensterscheiben einwarfen. Drei Polizisten wurden verletzt, mindestens drei Demonstranten hatten Atemprobleme. Die Polizei gab 18 Festnahmen bekannt. Bei Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Gruppen wurde eine Person durch einen Stich verletzt. Am frühen Nachmittag wurde aus Protest gegen die geplante Privatisierung des wichtigsten griechischen Elektrizitätskonzerns in Athen die Stromversorgung für 80 Minuten gekappt.

Auf den Straßen waren nur wenige Autos unterwegs, weil viele Menschen nicht zur Arbeit fuhren. Schulen waren ebenso wie viele Ladengeschäfte geschlossen. Die sonst so belebten Einkaufsstraßen im Stadtzentrum wirkten wie ausgestorben. An den Flughäfen wurden zahlreiche Inlandsflüge gestrichen, nachdem sich die Fluglotsen der Streikbewegung angeschlossen hatten. Im Hafen von Piräus bei Athen behinderten Hafenarbeiter und Aktivisten der KP-nahen Gewerkschaftsfront Pame das Auslaufen der Fähren. Ministerien, staatliche Betriebe und viele Banken wurden ebenfalls bestreikt. Die Krankenhäuser erhielten ihren Betrieb mit einem Notdienst aufrecht.

DAB2945-20110628.jpg351943125401266384.jpg

(Foto: AP)

Zu dem zweitägigen Ausstand hatten die griechischen Gewerkschaften aufgerufen. Es ist bereits der vierte Generalstreik in diesem Jahr. Das Sparprogramm der Regierung von Giorgos Papandreou von der sozialdemokratischen PASOK-Partei beinhaltet bis 2015 neue Steuern und weitere Einschnitte bei den Beamten und hat ein Volumen von 28 Milliarden Euro. Weitere 50 Milliarden Euro sollen durch die Privatisierung von Staatsbetrieben zusammenkommen. Die Verabschiedung des Sparpakets ist die Voraussetzung für die Auszahlung weiterer Hilfsmittel der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Opposition soll Verantwortung übernehmen

Nur wenn die Abgeordneten weiteren Einsparungen zustimmten, könne ein Staatsbankrott mit negativen Folgen für ganz Europa verhindert werden, sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn. Es gebe keinen "Plan B". EU-Ratspräsident Hermann Van Rompuy sagte im Europaparlament, die kommenden Stunden seien nicht nur für das griechische Volk, sondern auch für die Eurozone und die Weltwirtschaft entscheidend. Er rief die Opposition auf, "Verantwortung zu übernehmen", auch wenn das Sparpaket "hart" sei.

Das Sparprogramm steht am Mittwoch im Parlament in Athen zur Abstimmung. Für Donnerstag ist dann die Debatte und Abstimmung der Abgeordneten über das Ausführungsgesetz für die Sparmaßnahmen vorgesehen. Die PASOK verfügt über eine knappe Mehrheit von 155 der insgesamt 300 Abgeordneten. Finanzminister Evangelos Venizelos appellierte an die Volksvertreter, dem Sparprogramm zuzustimmen: "Es geht um das Schicksal unseres Landes, damit sollte niemand leichtfertig umgehen."

Allgemein wird mit einer knappen Mehrheit gerechnet. Ohne weitere Zahlungen droht Griechenland schon Mitte Juli der Staatsbankrott. Das Land erlebt derzeit die schwerste Rezession seit den 1970er Jahren. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei über 40 Prozent, die öffentliche Verschuldung bei 150 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Quelle: ntv.de, AFP/rts

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen