Politik

Parteitag der Demokraten Was passiert in Denver?

Anders als die deutschen Parteien treffen sich Demokraten und Republikaner in den USA nur alle vier Jahre zu Bundesparteitagen. Auf diesen "National Conventions" werden die Präsidentschaftskandidaten gekürt; nebenbei wird auch die aktuelle "Platform" verabschiedet, eine Art Wahlprogramm.

Wer kommt? Was passiert?

Zum Nominierungsparteitag der Demokraten vom 25. bis zum 28. August werden neben den mehr als 4000 Delegierten über 50.000 Gäste erwartet, darunter 15.000 Journalisten. Zum Rahmenprogramm gehören Konzerte, ökumenische Gebetstunden und Yoga-Kurse.

Höhepunkt des viertägigen Ereignisses ist der Donnerstagabend. Dann wird Barack Obama die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Demokraten offiziell annehmen. Er wird dies nicht vor dem Parteitag im Pepsi-Center tun, sondern vor 76.000 Anhängern im Football-Stadion der Stadt. Das Datum ist historisch: Am 28. August vor genau 45 Jahren hielt Martin Luther King seine Rede "Ich habe einen Traum".

Sind die Nominierungsparteitage nicht nur reine Show-Veranstaltungen?

Ja und Nein. "Es gab eine Zeit, als Parteitage die Dringlichkeit und Dramatik von Politik einfingen", schreibt Barack Obama in seinem Buch "The Audacity of Hope" (Hoffnung wagen). Dies war die Zeit, "als Nominierungen von Funktionären und Klüngelrunden und Absprachen und Überredungen bestimmt wurden". Obama hat Recht. Wer US-Parteitage als undemokratische Show abtut, hat die Vorwahlen vergessen.

Obama beschreibt aber auch den Haken an der Sache: "Die heutigen Parteitage bieten keine Überraschungen mehr. Sie sind eher ein einwöchiger Info-Werbeblock für die Partei und ihren Kandidaten - und ein Dankeschön für die Getreuen und Großspender der Partei mit vier Tagen Essen, Trinken, Unterhaltung und Fachsimpelei."

Wer sind die Delegierten?

Die meisten der rund 4200 Delegierten sind "gebundene Delegierte", die auf einen Bewerber festgelegt sind. Rein rechtlich spielt diese Bindung keine Rolle. Die unterlegenen Präsidentschaftsbewerber geben ihre Delegierten in der Regel vor dem Parteitag frei. Dieser Akt hat lediglich eine symbolische Bedeutung.

Die Konstruktion von Bindung und Freigabe sorgt dafür,
- dass die Wähler sicher sein können, dass die von ihnen gewählten Delegierten ihre Stimme nicht willkürlich ignorieren,
- dass es beim Nominierungsparteitag keine Überraschungen gibt
- und dass der Sieger der Vorwahlen auf dem eigentlichen Nominierungsparteitag eine große Mehrheit erhält (2004 erhielt John Kerry etwa 98,4 Prozent der Stimmen).

Neben den gewählten Delegierten gibt es rund 800 "Super-Delegierte" - Parteifunktionäre und Mandatsträger, auch verdiente Mitglieder der Partei. Super-Delegierte dürfen wählen, wen sie wollen. Am Ende stimmen auch die meisten Super-Delegierten in der Regel für den Sieger der Vorwahlen.

Wie wird abgestimmt?

Die Wahl des Präsidentschaftskandidaten findet am Mittwoch statt. Die Stimmenvergabe erfolgt in mehreren Schritten. Entscheidend ist der "roll call" der Bundesstaaten, eine Art Anwesenheitsappell, bei dem der Vorsitzende des Wahlkomitees jeden Staat einzeln in alphabetischer Reihenfolge aufruft, um die Stimmen zu erfragen. Das Abstimmungsverhalten der Delegierten ist nicht geheim.

Die Stimmen der Delegierten aus Florida und Michigan zählen in diesem Jahr nur zur Hälfte, weil diese Bundesstaaten entgegen der Absprachen mit den Parteien ihren Vorwahltermin vorverlegt hatten. Über diese Sanktion soll allerdings am ersten Tag des Parteitags im Wahlausschuss noch einmal beraten werden.

Seit 1960 wird der Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten vom Präsidentschaftskandidaten bestimmt und vom Parteitag lediglich bestätigt. John Edwards, der 2004 als Vize neben John Kerry antrat, wurde per Akklamation zum Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten "gewählt"; so dürfte in diesem Jahr auch Joe Biden bestätigt werden.

Hatten die Parteitage früher eine stärkere Bedeutung?

Ja. Im 19. Jahrhundert fiel die Entscheidung ausschließlich auf den Parteitagen. Das System der Vorwahlen wurde zwar bereits um 1900 in einzelnen Bundesstaaten eingeführt. Es wurde jedoch erst nach dem chaotischen Parteitag der Demokraten von 1968 verbindlich. Präsident Lyndon B. Johnson hatte im Vorfeld auf eine erneute Kandidatur verzichtet, nachdem Robert Kennedy seinen Hut in den Ring geworfen hatte. Kennedy wurde jedoch im Vorwahlkampf ermordet - gut einen Monat nach der Ermordung von Martin Luther King. Dazu kam der Streit um den Vietnam-Krieg.

Die Delegierten nominierten schließlich einen Mann, der sich an keiner einzigen Vorwahl beteiligt hatte: den bisherigen Vizepräsidenten Hubert Humphrey. Er verlor die Präsidentschaftswahl gegen Richard Nixon. Als Konsequenz aus diesem Chaos-Parteitag entwickelten die Demokraten Regeln für die Wahl der Delegierten.

Die Republikaner folgten diesem Beispiel. 1976 fand der letzte Nominierungsparteitag statt, dessen Ergebnis nicht schon im Vorfeld feststand. In diesem Jahr setzte sich Amtsinhaber Gerald Ford nur knapp gegen Ronald Reagan durch; Ford verlor später gegen Jimmy Carter.

Und heute?

Streng genommen sind die heutigen Parteitage ein Relikt des 19. Jahrhunderts. Man kann sie allerdings auch als feierliches Abschlussritual eines basisdemokratischen Wahlmarathons sehen. Zugleich sind die Conventions durchgestylte Krönungsmessen, die auf die beste Sendezeit im Fernsehen abzielen. Allerdings ist das Interesse der großen US-Fernsehsender an den Parteitagen in den vergangenen Jahren geringer geworden. Der demokratische Parteitag in diesem Jahr dürfte eine Ausnahme bilden. Verantwortlich dafür ist in erster Linie Hillary Clinton - denn noch immer ist unklar, was sie eigentlich will.

Übrigens hat auch John McCain eine Hillary - sie heißt George W. Bush. Der scheidende US-Präsident ist in den USA mittlerweile so unbeliebt, dass es unklug wäre, sich allzu häufig an seiner Seite zu zeigen. Das Verhältnis zwischen McCain und Bush ist ohnehin gespannt: Im Vorwahlkampf des Jahres 2000 unterlag McCain in einem überaus schmutzigen Vorwahlkampf gegen Bush. In der Folgezeit gehörte McCain zu den schärfsten innerparteilichen Bush-Kritikern. Dennoch kann McCain sich im Wahlkampf natürlich nicht offen gegen Bush positionieren.

Warum steht Hillary Clinton in Denver zur Wahl?

Als bekannt wurde, dass Clintons Name auf den Stimmzetteln des Parteitags stehen wird, dachten viele zunächst an einen Coup der Ex-First-Lady. Sie selbst sagte, ihre Anhänger müssten "das Gefühl haben, dass ihre Stimmen gehört und ihre Ansichten respektiert werden". Dieses ungewöhnliche Vorgehen wird nun als "Zeichen der Einigkeit" dargestellt. Clinton will ihre Delegiertenstimmen am Mittwoch Obama übergeben. Viele US-Medien sind jedoch nicht überzeugt von ihrer Loyalität. "Was immer die Clintons für unehrliche Worte der Unterstützung aufbringen, ihr eigentlicher Schrei wird immer lauter: Er kann nicht gewinnen! Wir haben es Euch gleich gesagt", schrieb die "New York Times".

Warum sprechen Bill und Hillary Clinton an zwei von vier Abenden?

Sowohl Bill als auch Hillary Clinton haben bereits beim Nominierungsparteitag 2004 gesprochen - damals allerdings gleich am ersten Abend, an dem auch Jimmy Carter und Al Gore ihren Auftritt hatten. In Denver wird Hillary Clinton sich am Dienstagabend in einer Rede an die Delegierten wenden, Bill Clinton soll am Mittwoch sprechen, ehe die Delegierten offiziell den Kandidaten wählen.

Die Clintons haben noch immer so viel Macht, dass Obama nicht an ihnen vorbeikommt. Allerdings könnte man auch argumentieren, dass Obama sie geschickt eingebunden hat. Möglicherweise strebt Hillary Clinton tatsächlich die Präsidentschaftskandidatur 2012 an. Dann muss sie darauf hoffen, dass John McCain gewählt wird. Doch selbst wenn dies ihr Plan sein sollte: Sie hat keine Wahl. Wenn sie sich jetzt nicht loyal gibt, kann sie Ambitionen auf 2012 vergessen.

Quelle: ntv.de

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