Politik

Gegen den Strich Wenn Sigmar Gabriel Kanzler ist

Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen: Das läuft in die falsche Richtung. Wenn das so weitergeht, wird das Land zu Klein-Griechenland. Und würde Sigmar Gabriel Kanzler einer linken Minderheitsregierung, dann drohten ganz Deutschland griechische Verhältnisse.

2013 wird gewählt. Kommt es zu einem Machtwechsel in Berlin?

2013 wird gewählt. Kommt es zu einem Machtwechsel in Berlin?

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Serie an Niederlagen, die CDU und FDP bei Landtagswahlen einstecken mussten und werden einstecken müssen, macht es wahrscheinlich, dass es auf Bundesebene zu einem Machtwechsel kommt. Doch der könnte anders ausfallen, als im Moment die meisten Auguren mutmaßen und nicht wenige Bundesbürger hoffen. Statt der prognostizierten rot-grünen Koalition unter dem "Hoffnungskanzler" Peer Steinbrück, könnte eine Minderheitenregierung unter dem "Populismuskanzler" Sigmar Gabriel stehen. Mit fatalen Folgen für Deutschland, Europa und den Euro.

Dieses Szenario lautet ungefähr wie folgt: Deutschland hat gewählt. Die Wahlsieger SPD und Grüne sind allerdings an der absoluten Mehrheit der Sitze vorbeigeschrammt. Alle Bemühungen in den folgenden Wochen, ein breites Bündnis zustande zu bekommen, sind gescheitert: die Sondierungen für ein Jamaika-Bündnis aus Union, FDP und Grünen ebenso wie für eine Ampel aus SPD, Grünen und FDP. Eine große Koalition haben Sozialdemokraten und Christdemokraten nicht ernsthaft in Erwägung gezogen. Die ebenfalls im Bundestag vertretene Linkspartei hat sich wegen der großen innerparteilichen Gegensätze zwischen fundamentalistischen Westlern und pragmatischen Ostlern selbst ins Aus gestellt. Ihre Anführer verweigern sich rot-grünen Avancen aus Sorge um die Einheit der Partei, also aus demselben Grund, weshalb sie bei der Bundespräsidentenwahl 2010 nicht für den respektablen Kandidaten Joachim Gauck gestimmt haben.

Rot-grüne Sirenenklänge

Nun stützen Gabriel, Trittin & Co, wie sie sagen, ihre Regierung auf eine "Koalition der Einladungen" – und spekulieren vor allem auf eine Duldung durch die Fraktion Die Linke. Um sich deren Wohlwollen zu sichern, kündigt der neue Kanzler eine Reihe von sozialen Wohltaten an, die auch bei der gestärkten Linken in den eigenen Reihen und den Gewerkschaften Applaus finden: die Rückkehr zur Rente mit 65, die Erhöhung von Hartz IV im ersten Schritt auf 420 Euro, zusätzliche Milliarden für die Arbeitsmarktförderung, eine Steigerung der Bildungsausgaben des Bundes um 10 Prozent sowie einen bundesweiten Mindestlohn von 8,50 Euro. Finanzierung? Vermeintlich überhaupt kein Problem. Rauf mit dem Spitzensatz in der Einkommensteuer auf 49 Prozent, weniger Vergünstigungen für Verwandte bei der Erbschaftsteuer, die neue Erhebung der Vermögensteuer, die ja nicht abgeschafft, sondern ausgesetzt ist.

Die daraus zu erwartenden Mehreinnahmen würden allerdings nicht reichen, räumt Kanzler Gabriel ein, um aus dem normalen Haushalt die geplanten Verbesserungen für die Menschen zu finanzieren. Daher müsse die Regierung – leider, leider – nun mehr Kredite aufnehmen. Aber die neuen Schulden seien gute Schulden. Denn mit ihnen finanziere die Regierung wichtige und unaufschiebbare Investitionen. Es seien Investitionen in die Zukunftsfähigkeit unseres Staates, Investitionen für die Steigerung des Wachstums und die Stärkung des sozialen Zusammenhalts in unserem Land. Am Ende koste die zusätzliche Verschuldung allerdings weniger, als wenn die Regierung jetzt die Hände in den Schoß lege. So die rot-grünen Sirenenklänge.

Erst Nordrhein-Westfalen, dann Berlin?

Gewiss, in diesem Szenario steckt zugegebenermaßen noch eine ordentliche Portion Spekulation. Das aktuelle politische Spiel auf der Landesbühne Nordrhein-Westfalen könnte allerdings die künftige Wirklichkeit in Berlin vorwegnehmen. Die Abläufe im bevölkerungsreichsten und wirtschaftsstärksten Bundesland haben das Zeug, das Drehbuch für die Entwicklungen nach der Bundestagswahl 2013 abzugeben.

Beim Urnengang für den Düsseldorfer Landtag im Mai 2010 schmierte die schwarz-gelbe Regierungskoalition ab. SPD und Grüne schmiedeten nach einigem Hin und Her – nach dem vergeblichen Ausloten anderer Konstellationen – eine Minderheitenkoalition. Weil ihr eine Stimme zur absoluten Mehrheit fehlt, ist sie auf die Linke als Mehrheitsbeschafferin angewiesen. Ihr Wohlwollen muss sich Rot-Grün erkaufen. Soziale Wohltaten und Hätscheln der Beschäftigten im öffentlichen Dienst sind der an Rhein und Ruhr extrem dunkelroten Linken besonders genehm. Weil die neue Regierung damit keine Schwierigkeiten hat, tut sie das auch fleißig.

Kaum an den Schalthebeln der Macht, erhöhte Rot-Grün erst mal flugs die Neuverschuldung, und zwar um 35 Prozent auf 8,9 Milliarden Euro. Dabei schaufelt der unerwartet kräftige Wirtschaftsaufschwung mehr Geld in die Landeskasse. Dennoch bescheinigte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in der Regierungserklärung ihrer Koalition unverfroren den "Mut" zu einer "neuen" und zugleich "nachhaltigen Finanzpolitik": "Wir bekennen uns offen und selbstbewusst dazu, dass dies zunächst höhere Ausgaben und gegebenenfalls zusätzliche Schulden bedeutet." Krafts Begründung klingt scheinbar umwerfend: Eine hohe Rendite winke. Könne Nordrhein-Westfalen etwa mit den schuldenfinanzierten Investitionen die Zahl der Schulabbrecher halbieren, rechnet die Regierungschefin vor, brächte diese Maßnahme dem Land eine zusätzliche Wirtschaftsleistung von 790 Milliarden Euro – bis zum Jahr 2100.

Rot-Grün läuft wieder in die falsche Richtung. Wenn Rot-Grün nach dieser Methode weitermacht, dann wird Nordrhein-Westfalen zu Klein-Griechenland. Und wenn Sigmar Gabriel Kanzler einer linken Minderheitsregierung wird, dann drohen ganz Deutschland griechische Verhältnisse. Mit fatalen Folgen für Europa und den Euro.

Prof. Dr. Klaus Schweinsberg

Prof. Dr. Klaus Schweinsberg

Prof. Dr. Klaus Schweinsberg ist Gründer des Centrums für Strategie und Höhere Führung und Vorstand der INTES Stiftung für Familienunternehmen. Der Volkswirt und Publizist arbeitet als persönlicher Berater für große Unternehmen und Top-Manager.

Quelle: ntv.de

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