Politik

Kubicki sieht kein Ende der Affäre "Wulff hat es nicht mehr in der Hand"

Bundespräsident Wulff spricht im Berliner Schauspielhaus auf einem Festakt zum 300. Geburtstag Friedrichs II.

Bundespräsident Wulff spricht im Berliner Schauspielhaus auf einem Festakt zum 300. Geburtstag Friedrichs II.

(Foto: dpa)

Der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef Kubicki glaubt nicht, dass die Affäre Wulff bald ausgestanden ist. Wulff habe "diese Sache nicht mehr in der Hand", sagt Kubicki im Interview mit n-tv.de. Zugleich fordert er Wulff auf, juristisch gegen den niedersächsischen Grünen-Fraktionschef Wenzel vorzugehen. Dieser hatte Wulff einen "Lügner" genannt.

n-tv.de: Gegen Bundespräsident Wulff gibt es eine ganze Reihe von Vorwürfen: Urlaube bei reichen Freunden, günstige Konditionen für seinen Kredit bei der BW-Bank, kostenlose Kleider für Frau Wulff, auch soll er Sponsoren für den "Nord-Süd-Dialog" eingeworben haben - welcher Vorwurf wiegt für Sie am schwersten?

Wolfgang Kubicki: Ich kann in der Tatsache, dass die Frau Bundespräsidentin hervorragend gekleidet Deutschland repräsentiert, nichts Verwerfliches finden. Aber im Ernst: Das größere Problem für Christian Wulff sehe ich in der Affäre Glaeseker.

Gegen Wulffs langjährigen Sprecher Olaf Glaeseker ermittelt die Staatsanwaltschaft Hannover wegen des Verdachts der Bestechlichkeit.

Wolfgang Kubicki ist Spitzenkandidat der FDP für die Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 6. Mai.

Wolfgang Kubicki ist Spitzenkandidat der FDP für die Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 6. Mai.

(Foto: picture alliance / dpa)

Angesichts der Vielzahl der beschlagnahmten Unterlagen kann Christian Wulff nicht wissen, welche Vermerke es gibt oder welche E-Mails die Beteiligten ausgetauscht haben, in denen sein Name auftaucht. Er hat diese Sache nicht mehr in der Hand. Meine Erfahrung als Strafverteidiger sagt mir, dass man in beschlagnahmten Unterlagen immer etwas findet, was man heute anders lesen kann, als es damals gemeint war.

Der niedersächsische Regierungssprecher Oliver Wagner spricht vom "System Glaeseker", die Opposition vom "System Wulff". Was trifft es besser?

Das System Glaeseker ist vom System Wulff nicht zu trennen, denn Glaeseker und der damalige Chef der Staatskanzlei haben sehr lange sehr vertrauensvoll zusammengearbeitet.

Lothar Hagebölling war damals Chef der Staatskanzlei, ist heute Chef im Bundespräsidialamt.

Nach meiner parlamentarischen Erfahrung ist es unvorstellbar, dass in einer Staatskanzlei wesentliche Dinge geschehen, ohne dass der Chef der Staatskanzlei darüber unterrichtet wird. Dieses enge Vertrauensverhältnis ist möglicherweise von Herrn Glaeseker für die eigene, private Bedürfnisbefriedigung benutzt worden.

Hagebölling hat dem niedersächsischen Landtag im April 2010 gesagt, es habe keine Beteiligung des Landes am "Nord-Süd-Dialog" gegeben. Das scheint nicht zu stimmen. Wulff beruft sich darauf, er habe davon nichts gewusst - ist das vorstellbar?

Das ist vorstellbar, weil Ministerpräsidenten über Vorgänge in der Größenordnung von 3000 bis 5000 Euro nicht unterrichtet werden. Aber beim Chef der Staatskanzlei muss das angekommen sein, denn gerade bei Fragen politischer Brisanz ist es so, dass alles - wirklich alles - über den Tisch des Chefs der Staatskanzlei geht. Insofern gibt es Fragen, die man dem jetzigen Chef des Bundespräsidialamtes stellen sollte.

Inwieweit betrifft das Wulff? Wäre er aus dem Schneider, wenn es einen zweiten Rücktritt in seinem Umfeld gäbe?

Aus dem Schneider wird er erst sein, wenn die Diskussion aufhört, und das sehe ich momentan nicht. Ein weiterer Rücktritt in der unmittelbaren Nähe von Christian Wulff würde nur weitere Fragen aufwerfen.

"Christian Wulff könnte sich fragen, ob er sich das noch antun will."

"Christian Wulff könnte sich fragen, ob er sich das noch antun will."

(Foto: REUTERS)

Wie kann die Debatte dann beendet werden?

Es gibt mehrere Möglichkeiten. Christian Wulff könnte sich fragen, ob er sich das noch antun will. Man könnte auch feststellen, dass es keine weiteren Details aus seinem Leben gibt, die berichtenswert sind. Aber ich vermute, dass die staatsanwaltlichen Ermittlungen im Hinblick auf Herrn Glaeseker und Herrn Schmidt ...

... Manfred Schmidt, den Veranstalter des "Nord-Süd-Dialogs", ...

... noch eine Reihe von Dingen zutage fördern werden, die dem amtierenden Bundespräsidenten Schwierigkeiten bereiten können.

Wulff sagt, für Glaeseker gelte die Unschuldsvermutung.

Das ist selbstverständlich auch so. Aber spätestens dann, wenn sich herausstellt, dass aus der Unschuldsvermutung eine Schuldgewissheit wird, muss der Bundespräsident sich fragen, ob er sich mit den richtigen Personen umgeben hat. Spätestens dann, wenn der niedersächsische Staatsgerichtshof feststellt, dass die Regierung Wulff das Parlament falsch unterrichtet hat, muss der Bundespräsident sich fragen, ob er als oberster Hüter der Verfassung neben dem Bundesverfassungsgericht sein Amt noch ausüben kann.

Könnte er?

Ich würde das verneinen.

Der niedersächsische Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel hat Wulff persönlich einen "Lügner" genannt.

Ich finde es unverschämt und unverantwortlich von einem führenden Landespolitiker in Niedersachsen, egal welcher Partei, den Bundespräsidenten einen "Lügner" zu nennen, um ihn herauszufordern, dagegen gerichtlich vorzugehen. Die Titulierung "Lügner" ist eine strafrechtliche Beleidigung, und Herr Wenzel tut sich selbst und der Demokratie keinen Gefallen, wenn er den obersten Repräsentanten unseres Landes so tituliert. Es hätte auch gereicht, zu sagen, die Regierung Wulff hat in einem nachweisbaren Punkt das Parlament falsch unterrichtet.

Rechnen Sie damit, dass Wulff juristisch gegen Wenzel vorgehen wird?

Christian Wulff ist es sich selbst und dem Amt schuldig, Strafanzeige zu erstatten. Die Verunglimpfung des Bundespräsidenten wird hart bestraft in Deutschland - wir können es nicht zulassen, dass die Symbole des Staates und ihre obersten Repräsentanten mit Gossenjargon belegt werden.

In Schleswig-Holstein wird am 6. Mai gewählt. Würde es Ihnen im Wahlkampf helfen, wenn Wulff vorher zurückträte?

Die Diskussion schadet der gesamten politischen Klasse - wie immer, wenn Menschen glauben, "die da oben" seien sowieso nur auf ihren persönlichen Vorteil aus. Im Wahlkampf ist diese ganze Diskussion nur lästig: Wo immer ich auftrete, ist die erste Nachfrage: "Was sagen Sie zur Affäre Wulff?" Das überdeckt die weitaus drängenderen Herausforderungen, die sich den Menschen in Schleswig-Holstein stellen.

Mit Wolfgang Kubicki sprach Hubertus Volmer

Quelle: ntv.de

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