Das "neue Gesicht" des Dr. Baschar Assad will kein Paria mehr sein
17.06.2008, 16:43 UhrDer syrische Präsident Baschar al-Assad (42) hat seit seinem Amtsantritt vor acht Jahren schon so oft seine Strategie geändert, dass ihm die anderen Staatschefs der Region inzwischen fast jeden Kurswechsel zutrauen. Dass er nach Jahren der Unterstützung für radikale Gruppierungen im Irak, im Libanon und in den Palästinensergebieten nun plötzlich indirekte Friedensverhandlungen mit Israel führt und sich auch mit dem vormals von ihm geschmähten französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy wieder versöhnt, kommt für sie daher nicht wirklich überraschend. "Konfus, weltfremd, eigensinnig", so beschreiben Diplomaten anderer arabischer Staaten den Führungsstil von Baschar al-Assad.
Der junge syrische Staatschef wäre heute wahrscheinlich immer noch Augenarzt, wenn sein für die "Thronfolge" bestimmter Bruder Basil nicht 1994 einem Autounfall zum Opfer gefallen wäre. Als Baschar al- Assad im Sommer 2000 die Nachfolge seines ebenso schlauen wie unnachgiebigen Vaters Hafis antrat, galt er zunächst als unerfahren, beeinflussbar und idealistisch. Vorsichtig ließ er in dem Geheimdienststaat, den ihm Assad senior hinterlassen hatte, die Meinungsfreiheit keimen. Doch kaum hatte die Pflanze zu Wachsen begonnen, zertrat er sie mit aller Macht. Sein Schwager, der mächtige Geheimdienstoffizier Asef Schaukat, assistierte ihm dabei.
Bündnis mit dem Iran, Feinde im Libanon
Assad schmiedete ein enges Bündnis mit dem Iran, obwohl sein eigenes säkulares System außer der Feindschaft mit Israel kaum Gemeinsamkeiten mit dem Schiiten-Regime in Teheran hat. Die zwei mächtigsten arabischen Führer der Region, König Abdullah von Saudi-Arabien und den ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak, stieß er dagegen wiederholt vor den Kopf.
Auch im Libanon hat sich Assad viele Feinde gemacht. Vor allem die Anhänger von Ex-Regierungschef Rafik Hariri, der im Februar 2005 durch ein Bombenattentat in Beirut starb, hegen einen tiefen Groll gegen den Präsidenten des Nachbarlandes. Sie geben ihm die Schuld an der Ermordung Hariris, was letztlich den Abzug der letzten syrischen Truppen und Geheimdienstoffiziere aus dem Libanon beschleunigte. Zu den Hintermännern des Attentates soll angeblich auch Schaukat gehören, der mit Assads Schwester Buschra verheiratet ist, und wegen einer angeblichen Verschwörung gegen den Präsidenten seit einigen Wochen in seinem Damaszener Haus unter Arrest stehen soll. Arabische Medien behaupten inzwischen sogar, Buschra habe bereits mit ihren Kindern das Land verlassen. Die syrische Exil-Opposition behauptete kürzlich, sie habe sich in Abu Dhabi niedergelassen.
Der undurchsichtige Augenarzt aus Damaskus
Doch was mag der Grund für den jüngsten Kurswechsel des undurchsichtigen Augenarztes aus Damaskus sein? Seine Kritiker in der arabischen Welt glauben, dass er verstanden hat, dass seine einseitige Partnerschaft mit dem Iran und der schiitischen Hisbollah im Libanon auf Dauer schädlich sein könnte, weil sie ihn international isoliert und auch von der mehrheitlich sunnitischen Bevölkerung Syriens nicht vorbehaltlos akzeptiert wird.
Die libanesische Zukunftsbewegung, die von Rafik Hariri gegründet wurde und heute von dessen Sohn Saad geleitet wird, will aber noch einen anderen Grund für das "neue Gesicht" des Dr. Baschar gefunden haben. Das syrische Regime sei regional isoliert und wirtschaftlich geschwächt, heißt es in einer aktuellen Publikation der Bewegung. Deshalb und weil er hoffe, durch verbesserte internationale Kontakte seiner Bestrafung für das Hariri-Attentat zu entgehen, habe er sich auch auf die indirekten Friedensverhandlungen mit Israel eingelassen.
Von Anne-Beatrice Clasmann, dpa
Quelle: ntv.de