Existenz in der Arktis bedroht Inuit wollen mitreden
18.06.2008, 13:20 UhrDas Rennen um die Reichtümer der Arktis ist in vollem Gange. Doch während die Anrainer Russland, die USA, Kanada, Norwegen und Dänemark erbittert versuchen, sich das beste Stück in der öl- und gasreichen Region rund um den Nordpol zu sichern, bleiben die Ureinwohner bei politischen Gesprächen weitgehend ungehört. Damit müsse endlich Schluss sein, fordert Aggaluk Lynge. Die Ureinwohner der Inuit seien das einzige Volk, das über seinen Reichtum nicht verfügen dürfe. "Wir lehnen das System der Vergangenheit ab, in dem wir unseren Mund nicht aufmachen durften", sagt der Vorsitzende der Inuit-Polarkreis-Konferenz (ICC) im Namen der rund 150.000 Inuit in der Arktis.
"Genug ist genug", sagt Lynge. "Wir wollen nicht gewaltsam umgesiedelt (...), sondern menschlich behandelt werden." Aber in der Debatte darüber, welcher Anrainerstaat wie viel Land und Wassergebiete in der Arktis kontrolliere, seien die Inuit bei einem Treffen der fünf Außenminister im Mai erneut an den Rand gedrängt worden. "Die Isolation und der harsche Umgang, mit dem wir in der Vergangenheit behandelt worden sind, wollen wir nicht mehr." Der grönländische Politiker und Anwalt kämpft unerbittlich für die Rechte der Inuit. Zu den Beratungen im Mai wurde er als einziger Vertreter einer Nichtregierungsorganisation eingeladen.
Inuit müssen weichen
Das Schicksal der Ureinwohner nahm seinen Lauf, als während und nach dem Zweiten Weltkrieg immer mehr Militärstützpunkte eingerichtet wurden. "Das, wo wir hier stehen, ist Land, das annektiert wurde, um einen US-Militärstützpunkt zu errichten", erklärt Lynge mit einem Blick über die frühere US-Basis in Kangerlussuaq im Westen Grönlands. Kangerlussuaq war nur einer der Orte, aus denen die Ureinwohner verdrängt wurden, um wegen der geopolitisch günstigen Lage zwischen Europa und Nordamerika dort Stützpunkte zu bauen. Abgesehen von einer Radaranlage in Thule sind in Grönland alle von ihnen heute wieder geschlossen.
Zur Zeit des Kalten Krieges wurden die Inuit auch in Kanada, Alaska und Sibirien unter Zwang umgesiedelt. Ein schwerer Schlag für die Ureinwohner, die den Boden traditionell als Naturressource nutzen, die geteilt werden sollte. "Wir haben den Preis für diese Regierungen gezahlt, die unser Land und unsere Ressourcen gestohlen haben", sagt Lynge.
Existenz gefährdet, kein Mitspracherecht
Heute ist es nicht die geopolitische Lage, sondern der Streit um die Ressourcen der Arktis, der das Leben der Inuit gefährdet. Er entbrannte, als schmelzendes Polareis die Region immer zugänglicher machte. Ein Viertel des weltweit bisher unentdeckten Öls und Gases soll einem geologischen US-Gutachten zufolge dort verborgen sein. Zudem gehen Wissenschaftler davon aus, dass die berühmte Nordwest-Passage zwischen Atlantik und Pazifik spätestens ab 2050 ganzjährig mit Schiffen befahrbar sein wird.
Der Reichtum ihrer Heimat an Bodenschätzen blieb den Inuit bislang vorenthalten. So verweigerten die USA und Kanada den Ureinwohnern eine Beteiligung an den von ihnen eingefahrenen Erlösen. Doch nur durch das Jagen könnten die Inuit ihr Überleben nicht sichern, sagt Anwalt Lynge. "Es muss uns wie jedem anderen in der Welt erlaubt sein, zu produzieren und zu exportieren, aber bisher dürfen wir von dem Reichtum unter unseren Füßen nicht profitieren."
Doch Lynge hat Hoffnung. Die Welt habe nun ihre Augen für die Arktis geöffnet, deshalb forderten die Inuit, die Ureinwohner "nicht am Wegesrand zurückzulassen", erklärt der ICC-Chef. Die Inuit-Polarkreis-Konferenz will deshalb im November auf einem eigenen Gipfel im nordkanadischen Kuujjuaq erörtern, wie man den Staaten entgegentreten kann, "die Fragen zum Besitz unseres Landes und unserer Meere debattieren, ohne uns eine Stimme zu geben", sagt Lynge.
Quelle: ntv.de