Dossier

Fünf Jahre nach 7/7 London hat kaum noch Angst

Vor fünf Jahren wurde London von schweren Terroranschlägen erschüttert. Mittlerweile ist die Stadt darüber hinweg - doch Experten warnen vor einem trügerischen Gefühl der Sicherheit.

In drei Londoner U-Bahnen und einem Bus detonierten am 7. Juli 2005 Bomben.

In drei Londoner U-Bahnen und einem Bus detonierten am 7. Juli 2005 Bomben.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

An den 7. Juli 2005 kann sich Peter Hillebrand aus Essen noch erinnern, als ob es gestern gewesen wäre. Der heute 69-Jährige pensionierte Lehrer und seine Frau Uta (64) waren an jenem Tag mit dem Auto auf dem Weg nach London. Plötzlich erschienen auf elektronischen Anzeigetafeln über der Autobahn Warnhinweise wie "London geschlossen" und "Meiden Sie London".

"Ich hab gedacht, ich träume", schildert Hillebrand. "Dann habe ich das Autoradio angemacht." Dort erfuhr er: Bombenanschläge in drei Londoner U-Bahnen und in einem Doppeldeckerbus. "Umdrehen konnten wir schlecht, also sind wir weitergefahren - hinein in die Stadt, aus der alle raus wollten."

"Es war völlig unwirklich"

Die Hauptzufahrtsstraßen waren alle gesperrt, ebenso wie das gesamte Bankenviertel, der wichtigste Finanzplatz der Welt. "Überall kamen uns Unmengen von Fußgängern entgegen, das waren alles Leute auf dem Weg nach Hause, es fuhren ja keine U-Bahnen oder Busse mehr", erzählt Hillebrand. Langsam tastete er sich mit seinem Wagen mit dem deutschen Kennzeichen durch die Menschenmenge vor. "Alle verhielten sich sehr diszipliniert, aber es war natürlich völlig unwirklich. Gespenstisch geradezu."

Die Anschläge vom 7. Juli - oder 7/7, wie man in England sagt - haben 52 Menschen das Leben gekostet. Auch die vier Täter - bis auf einen alle gebürtige Briten aus pakistanischen Einwandererfamilien - kamen um. Mehr als 700 Menschen wurden verletzt. Die Bilder der Opfer könnten aus einem Weltatlas der Kulturen stammen: Schwarze und Weiße sind darunter, Frauen mit Kopftuch und Männer mit Turban.

Keiner schaut mehr nach herrenlosen Rucksäcken

Den islamistischen Selbstmordattentätern ging es vor allem darum, Großbritannien zu schwächen, Amerikas wichtigsten Verbündeten im Irakkrieg. Aber getroffen haben sie in erster Linie eine Stadt, die in mancherlei Hinsicht gar nicht mehr britisch ist: eher eine Weltmetropole im Zeitalter der Globalisierung, in der 300 Sprachen gesprochen werden.

Ein Mahnmal im Londoner Hyde Park erinnert an die 52 Opfer.

Ein Mahnmal im Londoner Hyde Park erinnert an die 52 Opfer.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die Attentäter haben diese Stadt nicht dauerhaft erschüttern können. Anfangs schauten sich die Londoner in der U-Bahn noch um, wenn sie einen scheinbar herrenlosen Rucksack herumstehen sahen, denn in Rucksäcken waren die Bomben versteckt gewesen. Heute schaut keiner mehr.

Die frühere Labour-Regierung hat unter Hinweis auf die Terrorgefahr eine Reihe von umstrittenen Gesetzen erlassen, die bürgerliche Freiheiten einschränken. Die jetzt regierenden Konservativen und Liberaldemokraten wollen diesen Big-Brother-Staat kräftig zurechtstutzen. So sollen Vorratsdatenspeicherung und Internetsperren abgeschafft werden. Auch ein Teil der 4,5 Millionen Überwachungskameras soll verschwinden. In der Innenstadt von London kann man kaum einen Schritt in der Öffentlichkeit tun, ohne dabei von Kameras erfasst zu werden.

Terrorgefahr ist nach wie vor groß

Labour-Politiker, nunmehr in der Opposition, warnen jedoch ebenso wie unabhängige Sicherheitsexperten vor all zu großer Sorglosigkeit. Die Terrorgefahr sei nach wie vor hoch, sagen sie. Der ehemalige Anti-Terror-Chef der Londoner Polizei, Andy Hayman, schrieb letzte Woche in der "Times", die Frage sei nicht, ob es einen weiteren Anschlag geben werde, sondern nur, wann. In den letzten Jahren sind mehrere Anschläge von der Polizei vereitelt worden. "Es ist entscheidend, dass wir uns auf jede Eventualität vorbereiten, von einer schmutzigen (Atom)Bombe bis hin zu einem Anschlag wie dem in Bombay."

In zwei Jahren werden in London die Olympischen Sommerspiele ausgetragen. Zu diesem Ereignis wird die 7,5-Millionen-Metropole einen schweren Sicherheitspanzer anlegen. Denn ein Anschlag auf die Spiele wäre das absolute Horrorszenario.

Quelle: ntv.de, Christoph Driessen, dpa

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