Dossier

Parlament stürzt Volkstribun Rumäniens Präsident in Turbulenzen

Nach dem Bukarester Parlamentsvotum für ein Referendum zur Amtsenthebung von Präsident Traian Basescu (55) werden beim EU-Neuling Rumänien die Weichen neu gestellt. Binnen eines Monats müsste demnach das Volk darüber abstimmen, ob Basescu weiter Staatsoberhaupt bleiben darf. Oder es kommt binnen drei Monaten zur vorgezogenen Präsidentenwahl, falls Basescu seine Ankündigung wahr macht und zurücktritt. Weil Basescu laut Umfragen der populärste Politiker im Lande ist, dürfte er sowohl ein Referendum überstehen als auch Neuwahlen gewinnen. Seine Gegner könnten somit Basescu einen guten Dienst erwiesen haben. Die größte Sorge der Rumänen bleibt aber, was angesichts bevorstehender Wahlkampfzeiten aus den dringend notwendigen Reformen wird.

Die Oppositionsparteien von PSD (Sozialisten), ultra- nationalistischen Romania Mare (Großrumänien) und der kleinen Konservativen Partei (PC) hatten die Volksabstimmung beantragt. Dafür gestimmt hatten aber auch Politiker aus dem Regierungslager, denn anders wäre die klare Mehrheit von 322 zu 108 Stimmen nicht zu Stande gekommen. Ministerpräsident Calin Popescu Tariceanu (55) regiert seit Ostern mit einem Minderheitskabinett aus Politikern seiner Nationalliberalen Partei (PNL) und der Ungarn-Partei (UDMR), unterstützt von den oppositionellen Sozialisten. Vorher war die Regierungskoalition zerbrochen, weil Tariceanu die bürgerliche Demokratische Partei (PD) ausgeschlossen hatte, die Basescu nahesteht. Zwischen Basescu und Tariceanu herrscht seit zwei Jahren ein Machtkampf sowie ein Streit um die Reformpolitik.

Vorerst muss Basescu sein Amt ruhen lassen. Seine Geschäfte übernimmt derweil der Senatspräsident Nicolae Vacaroiu, als zweiter Mann im Staate. Vacaroiu vertritt innerhalb der sozialistischen Oppositionspartei PSD den altkommunistischen und nationalistischen Flügel. Basescu wiederum dürfte sich derweil in einen aggressiven Wahlkampf stürzen und dabei seine Talente als Volkstribun erneut unter Beweis stellen - egal ob es ein Referendum oder Neuwahlen gibt. Medienwirksame Auftritte in Menschenmengen sind sein Element.

Keine Partei hat derzeit einen Kandidaten zu bieten, der es mit Basescu an Publikumswirksamkeit aufnehmen kann. Deshalb hatte Basescus Rücktrittsankündigung bei den Initiatoren des Amtsenthebungsreferendums für große Aufregung gesorgt. Denn, anders als bei einem Referendum müsste Basescu bei Neuwahlen Gegenkandidaten haben. Weil diese im Vergleich zu ihm blass wirken würden, wäre Basescu im Vorteil. Dies hat der nunmehr suspendierte Präsident allem Anschein nach einkalkuliert, denn die Macht will er nicht abgeben. Im Gegenteil, er möchte aus der Konfrontation mit den Wählern gestärkt hervorgehen, um mit neuer Legitimation wirksamer gegen seinen Rivalen Tariceanu vorgehen zu können.

Von Kathrin Lauer, dpa

Quelle: ntv.de

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