Schluss mit SonnyboySteinmeier muss ran
Der derzeit populärste SPD-Politiker soll auf dem Parteitag der Sozialdemokraten in Hamburg zusätzlich zum Stellvertreter des Vorsitzenden Beck gewählt werden.
Die Zeiten Frank-Walter Steinmeiers als außenpolitischer Sonnyboy sind vorbei. Der derzeit populärste SPD-Politiker soll am Freitag auf dem Parteitag der Sozialdemokraten in Hamburg zusätzlich zum Stellvertreter des Vorsitzenden Kurt Beck gewählt werden. Aber schon seit einiger Zeit kann er, der früher nie durch eifrige Parteiarbeit aufgefallen ist, sich auch dem Richtungsstreit seiner Partei nicht mehr entziehen.
Es war Becks Idee, Steinmeier in den engsten SPD-Führungszirkel zu holen. Der bodenständige Pfälzer will vom Glanz des effizienten Chefdiplomaten etwas abhaben. Dazu muss der 51-jährige Ostwestfale Steinmeier noch etwas tun: Er, der immer von anderen seine Positionen erhielt und nie eine Wahl gewinnen musste, übernimmt den Wahlkreis 60 im westlichen Brandenburg. Dort hatte Mitte des 19. Jahrhunderts auch der Begründer des Auswärtigen Amtes, Otto von Bismarck, politisch angefangen.
Der Wahlkreis gilt der SPD als sicher: Die bisherige Abgeordnete Margit Spielmann hatte ihn drei Mal direkt gewonnen, will aber 2009 nicht mehr antreten. Sie widmet ihrem Wahlkreis sehr viel Zeit. Ihrem reisepflichtigen Nachfolger wird diese Nähe kaum möglich sein.
Basta in der K-Frage
Im Sommer tauchte die Variante auf, der Chef des Außenamts könnte 2009 ja auch den SPD-Kanzlerkandidaten machen, nicht Beck. Steinmeier galt manchen als letzter Lichtblick angesichts des Höllenschlunds der Umfragewerte und der personellen Alternativen. Inzwischen wird wohl die K-Frage durch den Stimmabstand zu Beck auf dem Hamburger Konvent endgültig besiegelt.
Steinmeier stellte Anfang September zusammen mit Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und dem brandenburgischen Regierungschef Matthias Platzeck das von ihnen herausgegebene Buch "Auf der Höhe der Zeit" vor. Darin plädierten die SPD-Prominenten für die Fortsetzung der Reformagenda 2010, was als Affront gegen Beck und die SPD-Linke ankam. Andrea Nahles, die mit den "Stones" Steinmeier und Steinbrück in Becks Vizetrio aufrücken soll, warf ihnen vor, die Reformpolitik Schröders als heilige Kuh zu behandeln. Juso-Chef Björn Böhning nahm sogar das Wort "Spaltungslinien" in den Mund.
Richtungsentscheidung und Machtkampf
Konkret geht es um die Verlängerung der Auszahlungsdauer von Arbeitslosengeld I. Die Vorentscheidung Beck gegen Arbeitsminister Franz Müntefering fiel am Montag im Parteivorstand. Der unterlegene Vizekanzler blieb dabei, dass die hart erkämpfte Agenda 2010 nicht wieder aufgeweicht werden solle. Für Steinmeier war der Konflikt überraschend gekommen, und zwischen den Fronten sprach er vom Brückenbauen.
Der Hamburger Parteitag wird die Richtungsentscheidung voraussichtlich deutlich gegen Müntefering und damit gegen die fast gesamte SPD-Ministerriege besiegeln. Als frisch gebackener Beck-Stellvertreter wird Steinmeier erstmals in seinem Leben eine Parteitagsrede halten. Er kann dem nicht ausweichen: Über das umstrittene Anti-Terror-Mandat für Afghanistan muss er ohnehin sprechen.
Auch in der Innenpolitik bewährt
Er, der als Außenpolitiker populär wurde, ist hart in den Niederungen der Innenpolitik aufgeschlagen. Aber da kommt er ja eigentlich her: Steuerreform 2000, Atomkonsens, Meisterung der BSE-Krise oder Umsetzung der Hartz-Reformen und Agendapolitik – unter Altkanzler Gerhard Schröder waren das alles seine "Babys".
1993 wurde der Volljurist Bürochef des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Schröder. In der rot-grünen Bundesregierung war Steinmeier zunächst als Staatssekretär Schröders für die Bundesnachrichtendienste und die Koordination der Bundesregierung zuständig.
Nach dem Rücktritt von Bodo Hombach 1999 übernahm er auch dessen Amt als Chef des Bundeskanzleramts.
Als Außenminister musste er sich anfangs erst aus dem Schatten Merkels kämpfen, die gleich nach Amtsantritt ein Feuerwerk außenpolitischer Erfolge abbrannte. "Wandel durch Verflechtung" ist eines der Prinzipien von Steinmeiers weithin geachteter Entspannungspolitik. In Hamburg zeigt sich, ob dies im Machtkampf an der Spitze der Partei auch so funktioniert.