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Steinmeier, BND und die NSA Das Sandkastenmanöver der Union

Frank-Walter Steinmeier und Angela Merkel schieben sich gegenseitig den schwarzen Peter zu.

Frank-Walter Steinmeier und Angela Merkel schieben sich gegenseitig den schwarzen Peter zu.

(Foto: picture alliance / dpa)

Ex-Kanzleramtschef Steinmeier ist das Ziel von Attacken: Er habe die Grundsatzentscheidung getroffen für die Datenlieferungen Deutschlands an die NSA - ein Sandkastenmanöver der Union. Fehler der Vorgänger machen die eigenen nicht besser.

Seit 2002 gibt es eine enge Kooperation zwischen dem Bundesnachrichtendienst und der National Security Agency. Ein entsprechendes Papier soll belegen, dass nicht die schwarz-gel be Koalition, sondern vielmehr der damalige Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier und damit die rot-grüne Regierung die Grundlage für die massenhafte Ausspähung in Deutschland genehmigt habe. Ronald Pofalla, inzwischen an Steinmeiers Position, soll kommenden Montag im Parlamentarischen Kontrollausschuss Details dazu vorstellen.

Die Union weigerte sich in den vergangenen Monaten beständig, die NSA-Spähaffäre und damit die 500 Millionen Datensätze pro Monat allein aus Deutschland als Wahlkampfthema zu vereinnahmen. Während die Opposition munter drauflospolterte, zeigte Bundeskanzlerin Angela Merkel offen ihr Desinteresse, sagte, es sei nicht ihre Aufgabe, sich in Details einzuarbeiten. Unwissenheit als Verteidigungslinie.

Auch wenn es anders klingt: Die Attacke auf Steinmeier setzt dieses Prinzip fort. Sie ist die einfachste Art, sich in den letzten Wochen des Bundestagswahlkampfes mit einem unerwarteten Thema zu befassen. Zudem ist sie Teil eines Sandkastenmanövers: Wir haben nur das gemacht, was die anderen auch gemacht haben. Dabei agierten nur der BND und die NSA; die Politik schaute bei den fortwährenden Menschenrechtsverletzungen stillschweigend zu - oder einfach weg.

Im Bann des Bündnisfalls

Dass Steinmeier die Vorwürfe der Bundesregierung mit Verweis auf die Terroranschläge in den USA vom 11. September 2001 zurückweist, ist zumindest nachvollziehbar. "Was an Zusammenarbeit zur Aufklärung eines grauenhaften Verbrechens notwendig war, hat nichts zu tun mit der lückenlosen und flächendeckenden Abschöpfung von Daten unserer Bürgerinnen und Bürger", argumentierte der SPD-Fraktionschef. In der Konsequenz stimmt das: Prism gibt es frühestens seit 2005, das Allmachtswerkzeug XKeyscore seit 2007.

Steinmeiers "Grundsatzentscheidung" für die Zusammenarbeit des Bundesnachrichtendienstes mit dem US-Geheimdienst NSA geschah unter dem Eindruck von 9/11, als die ganze Welt Jagd machte auf Osama bin Laden und das Terrornetzwerk Al-Kaida. In Hamburg hatte sich die Zelle um Mohammed Atta geformt und die Anschläge geplant. Zur Erinnerung: Deutschland musste handeln, denn die USA hatten den Nato-Bündnisfall ausgerufen.

Bei der Jagd auf die Terroristen waren sich damals alle Parteien einig. Dass die Spionagekooperation zur Totalüberwachung des Internets durch die Vereinigten Staaten geführt hat, rechtfertigt das nicht. Der Sündenfall der politischen Reaktionen ist, dass die Bespitzelung nie gestoppt wurde. Die Union hat Recht, wenn sie Steinmeier und damit Rot-Grün für die Kooperation des Bundesnachrichtendienstes mit der NSA mit verantwortlich macht. Die komplette Schuld auf den damaligen Kanzleramtsminister zu schieben, ist jedoch hanebüchen.

Rasante Entwicklung

Wie auch immer die Zusammenarbeit im Jahr 2002 aussah: Der Umfang der Daten ist heute um ein Vielfaches größer. Damals begannen die Ausspähungen der USA auf Basis des Patriot Acts, doch seither hat sich das Netz rasant entwickelt. Kurz nach dem Zusammenbruch der New Economy gab es keine sozialen Netzwerke wie Facebook oder StudiVZ; Youtube und Google Maps kamen erst Jahre später. Die Enthüllungen wie auch das Gefasel vom "Super-Grundrecht" zeigen: Die Geheimdienste haben offenbar Schritt gehalten - und haben das Maß gemeinsam mit der Politik verloren.

Quelle: ntv.de

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