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Schatten über dem Libanon Massaker im Flüchtlingslager

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem

Aufsteigende schwarze Rauchwolken über dem palästinensischen Flüchtlingslager Nahr el Barred bei Tripoli werfen Schatten auf ganz Libanon. Die Syrien und El-Kaida nahestehende islamistische Fatah-al-Islam gelangte vor Monaten dank Syriens Geheimdienst in das Flüchtlingslager. Die Gruppe soll die pro-westliche Regierung des Fouad Siniora zu schwächen, wie es vom Süden her die Hisbollah-Miliz tut. Seit 1983, als Jassir Arafat in Tripoli einen palästinensischen Aufstand anzettelte und bitter geschlagen wurde, hat laut Abkommen die libanesische Armee keinen Zutritt mehr zu dem Lager. Jetzt rächt sich der akzeptierte Zustand von Rechtlosigkeit im Lager, einer Brutstätte für Terror und Aufruhr. Solange die Armee nicht einmarschiert, bleibt ihr nur ein Massaker mit Panzergranaten mitten im dicht besiedelten Flüchtlingslager.

Der Chefarzt eines Hospitals im Lager, Khalil Makawi, berichtet telefonisch von zerstörten Häusern mit Verschütteten unter den Trümmern, Toten auf den Straßen, einem Mangel an Betten, Strom, Wasser und Medikamenten. "Tote und Verletzte, Kinder und Zivilisten, strömen ins Krankenhaus."

Und so drohen die Kämpfe sich nicht nur auf Tripoli auszuweiten, sondern auch auf Beirut, wo am Sonntag im Christenviertel Aschrafije eine Autobombe explodierte. Der Libanon steht wieder vor einem Bürgerkrieg, nachdem es die Regierung niemals geschafft oder auch nur versucht hat, die radikalen, teilweise von Außen gelenkten Gruppen einzugliedern oder unter Kontrolle zu bringen. Das gilt für die unterdrückten 400.000 Palästinensern in den Lagern, die mit Berufsverbot, ohne Papiere, Arbeits- oder Baugenehmigungen in ihrem Elend gelassen und aus der libanesischen Gesellschaft ferngehalten werden. Und es gilt auch für die inzwischen mehrheitlichen Schiiten im Süden. Mangels Bildung, infolge hoher Geburtenrate und antiwestlicher Ideologie wurden sie von einer Teilnahme an Libanons sprichwörtlicher Wohlstandsgesellschaft ebenfalls ausgeschlossen.

Quelle: ntv.de

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