Pressestimmen "Wir brauchen weder Kaiser noch König"
30.04.2013, 20:30 Uhr
Mit viel Pomp, Kitsch und Tränen begehen die Niederländer den Abschied von Königin Beatrix und die Krönung ihres neuen Oberhauptes Willem-Alexander. Auch in Deutschland wird das neue Königspaar gefeiert. Die deutsche Presse nutzt den Anlass, um über das deutsch-niederländische Verhältnis und den Patriotismus im eigenen Land zu sinnieren.
Ein "ungebrochener, freundlicher Patriotismus" zeige sich in den Emotionen der jubelnden Niederländer, schreibt die Hessische Niedersächsische Allgemeine. Hierzulande fehle dies, denn: "Unsere Geschichte ist mit tiefen Brüchen gepflastert". Allerdings sei dies keineswegs zu beklagen: "Wir brauchen weder Kaiser noch König. Denn wir haben kluge Bundespräsidenten gehabt, wir können stolz sein auf unsere Verfassung, auf das nach dem Krieg Geleistete. Und für Freudenfeste in Schwarz-Rot-Gold müssen wir nicht auf einen Willem-Alexander oder eine Maxima hoffen, sondern auf die Schweinsteigers und Götzes."
Die Nürnberger Zeitung hingegen bedauert dies: "Unsere Nachbarn können in orangefarbenen Wahnsinn ausbrechen, ohne ein einziges Fußballspiel gewonnen zu haben. Wir Deutsche dagegen sind zum Siegen verurteilt, wenn wir uns als fröhliche Patrioten zeigen wollen." Zumindest aus diesem Grunde, so die Zeitung: "beneiden wir die Niederländer schon um ihre Staatsform".
Auch der Fränkische Tag scheint die Niederländer um ihre Monarchie zu beneiden: "Ob Thronwechsel, ob Prinzenhochzeit oder Königinnengeburtstag - das Zeremonische und dessen dramaturgischer Unterbau wärmen die Herzen, sind Labsal in einer sonst recht schnörkellos gewordenen Welt. Die Monarchie, so wie aktuell am Beispiel der Niederlanden gut zu sehen, hat in ihrer Antiquiertheit etwas sehr Zeitgeistiges. Weil sie Halt zu geben scheint, weil sie klare Strukturen vermuten lässt und weil sie uns hinwegführt aus dem Mediokren."
"Im europäischen Einigungsprozess spielte die niederländische Monarchie eine prägende Rolle", schreibt das Straubinger Tagblatt und fügt im Hinblick auf das deutsch-niederländische Verhältnis hinzu: "Der jetzige König Willem-Alexander, gut vorbereitet auf die Staatsgeschäfte, darf eine Tradition fortsetzen, über die sich nicht nur seine Landsleute, sondern auch seine Nachbarn freuen dürfen. Es ist insofern mehr als eine diplomatische Floskel, wenn Bundespräsident Joachim Gauck bekräftigt, dass sich die Freundschaft zwischen beiden Nachbarn auch unter dem neuen König weiter festigen werde."
Die Mitteldeutsche Zeitung lobt die moderne Einstellung der neuen Throninhaber: "In den vergangenen Wochen haben Willem-Alexander und seine Ehefrau Maxima gezeigt, wie sich ein neues Königspaar inmitten einer Republik positionieren kann. Das offene Angebot, sogar den Entzug der automatischen Mitgliedschaft in der Regierung zu akzeptieren, hat dem neuen Monarchen viel Respekt eingebracht. Zugleich gelang es seiner Frau Maxima, die Distanz zwischen Krone und Volk aufzubrechen." Allerdings stellt sich angesichts der Fortschrittlichkeit des royalen Regenten die Frage, ob dieser die Monarchie nicht gar abschaffen könne: "Die Vorstellung, dass das neue Königspaar sogar durch einen solchen Schritt dem Volk dienen könnte, macht es zum Vorbild für andere Monarchien."
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Aljoscha Ilg