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Berlin & BrandenburgLausitz will als klimafreundliche Modellregion Pionier sein

16.12.2025, 06:01 Uhr
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Schnelle Genehmigungen und Pioniergeist: Die Lausitz will in Europa zum Vorbild für grüne Industrie werden. Neben Aufbruchstimmung gibt es auch kritische Stimmen.

Cottbus (dpa/bb) - Die Lausitz in Brandenburg und Sachsen will sich auf den Weg machen zu einer Modellregion für umweltfreundliche Technologien. Die durch den Kohlebergbau geprägte Region soll mit einem heute (16.00 Uhr) erwarteten Beschluss das erste europäische Net Zero Valley werden. Mit möglichst wenig Bürokratie und schnellen Genehmigungen sollen sich dort Unternehmen ansiedeln und neue Projekte entstehen.

Die Stadt Cottbus spricht von Pionierarbeit. Das Interesse von Investoren sei auch bereits da, heißt es von der Wirtschaftsentwicklung der Behörde.

Was steckt hinter dem Net Zero Valley?

Das Net Zero Valley ist eine Initiative der EU. Sie will mit dem Net Zero Industry Act (Netto-Null-Industrie-Gesetz) die Produktion von Schlüsseltechnologien für die Energiewende - etwa Solar, Wind und Wasserstoff - in Europa stärken. Hintergrund ist das Klimaneutralitätsziel der EU bis 2050. Mit dem Net Zero Industry Act soll die EU mindestens 40 Prozent des jährlichen Bedarfs an strategisch wichtigen klimaneutralen Technologien in Europa herstellen.

Net Zero (deutsch: netto null) steht für das Ziel, unter dem Strich keine weiteren Treibhausgase in die Atmosphäre zu entlassen. Valley (deutsch: Tal) steht in Anlehnung an das Silicon Valley in Kalifornien für eine Region, in der sich Forschungs- und Produktionsstätten einer Branche ballen.

Welche Ziele verfolgt die Lausitz?

Zur Modellregion gehören elf Industrieflächen, für die bereits eine strategische Umweltprüfung vorgenommen wurde. Auf rund 800 Hektar Fläche soll ein beschleunigter Auf- und Ausbau von "sauberer" Industrie ermöglicht werden. Dabei geht es etwa um Batterie- und Speichertechnologien sowie Wasserstoff- und Stromnetztechnologien. "Die Lausitz hat ein großes Potenzial, da der Ausbau erneuerbarer Energien dort bereits sehr weit fortgeschritten ist", teilte die Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) auf Anfrage mit.

Die Bergbauregion Lausitz steckt angesichts des bis 2038 vereinbarten Kohleausstiegs bereits mitten im Wandel. Das Energieunternehmen Leag etwa richtet Geschäftsfelder bereits auf Windkraft und Photovoltaik aus und plant einen riesigen Batteriespeicher am Standort Jänschwalde. Das deutsch-kanadische Unternehmen Rock Tech will eine Lithium-Fabrik in Guben aufbauen. Bislang hieß es aber, die Finanzierung für das 800-Millionen-Projekt stehe noch nicht.

In Deutschland wollen auch das Rheinische Revier und die niedersächsische Küstenregion als Net Zero Valley anerkannt werden.

Was bedeutet die Modellregion für Neuansiedlungen?

Das Net Zero Valley soll die Ansiedlung von Produktionskapazitäten erleichtern. Dafür stellten die Länder auch eine zentrale Anlaufstelle bereit, die sich um alle notwendigen Genehmigungsverfahren kümmerten, sagte Maria Marquardt, Projektmanagerin im Geschäftsbereich Finanzmanagement, Wirtschaftsentwicklung und Soziales der Stadt Cottbus.

"Ersichtlich ist zum jetzigen Zeitpunkt bereits das hohe Interesse von nationalen und internationalen Investoren, die sich für die Rahmenbedingungen und eine Ansiedlung im ersten Net Zero Valleys Europas interessieren." Es ist auch von einer Art Sonderwirtschaftszone die Rede.

Schon heute siedelten sich Unternehmen außerhalb der Fläche an, mit dem Verweis, dass sie vom "Valleystrudel" profitieren möchten, sagte Marquardt. Sie rechnet damit, dass nach Ausweisung der Modellregion das Interesse weiter steigt. Zudem sind laut der Expertin Förderprogramme angekündigt, unter anderem um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in Verwaltungsprozessen zu unterstützen.

Wo liegen Hürden dabei?

Für die Behörden gilt es als schwierig, die Planung und Genehmigung in der Praxis zu beschleunigen. Es gebe unterschiedliche Zuständigkeiten, und vieles, was der Net Zero Industry Act anstrebe, sei noch nicht in europäisches und nationales Recht umgesetzt, so die Cottbuser Projektmanagerin Marquardt. "Aber wir wollten nicht warten, bis alles implementiert ist, sondern Teil dieses Prozesses sein. Als erstes Net Zero Valley leisten wir Pionierarbeit bei der konkreten Ausgestaltung von Net Zero Valleys."

Sorgen mache ihr, dass neue Technologien im Bereich der E-Mobilität oder im Batteriesektor unter Druck geraten seien, sagte die Bürgermeisterin der Lausitz-Stadt Spremberg, Christine Herntier (parteilos), die sich stark für das Net Zero Valley einsetzt. Zu groß sei das Projekt für die Lausitz, die bereits viel Erfahrung mit dem Strukturwandel habe, aber nicht.

Elektroautos haben sich in Deutschland bislang nicht so durchgesetzt wie erhofft. Zudem steckt Deutschland insgesamt in einer wirtschaftlichen Krise.

Aus Sicht der Wissenschaft muss in den kommenden Jahren auch die Forschung gefördert werden. "Die Klimaziele dürfen nicht immer wieder in den Hintergrund rücken, da die Auswirkungen auf das Weltklima sehr kritisch sind und ohne Gegenmaßnahmen weitere schwerwiegende Folgen zu erwarten sind, die für die Bevölkerung nicht mehr tragbar wären", so die BTU Cottbus.

Gibt es Kritik an der Modellregion?

Umweltschützer sind skeptisch, ob Umweltstandards eingehalten werden. "Im Namen des Klimaschutzes sollen Bäume und Beteiligungsrechte fallen, teilweise für fossile Projekte. Das ist nicht das, was die EU mit dem Net Zero Industry Act fördern will", kritisierte die Umweltgruppe Cottbus der Grünen Liga im Mai die Pläne der Lausitz. Die Befürchtung: Tatsächliche Umweltfolgen durch Bauprojekte würden aufgrund des Sonderstatus der Region nicht mehr richtig erfasst.

Quelle: dpa

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