Nordrhein-Westfalen Stalag 326 droht das Aus: Unverständnis über Kreis-CDU
27.09.2023, 17:10 Uhr
Düsseldorf/Schloß Holte-Stukenbrock (dpa/lnw) - Nach einer Ablehnung der Finanzierung der Gedenkstätte Stalag 326 in Ostwestfalen durch den Kreistag in Gütersloh droht der Anlage jetzt das Aus. Die Befürchtung äußert Nordrhein-Westfalens Landtagspräsident André Kuper. "Wir haben vor der Entscheidung viele Gespräche geführt und führen sie weiterhin. Der durch den Beschluss eingetretene Schaden ist groß, so denkt beispielsweise der Förderverein sogar über eine Schließung der heutigen Gedenkstätte nach", sagte Kuper am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur.
Die Gedenkstätte Stalag 326 in Schloß Holte-Stukenbrock sollte nach einer Idee von Altbundespräsident Joachim Gauck zu einem Ort mit nationaler Bedeutung ausgebaut und die Arbeit auf professionelle Füße gestellt werden. Gauck hatte im Jahr 2015 das Gelände besucht. Dort waren im Zweiten Weltkrieg von 1941 bis 1945 über 300.000 Kriegsgefangene überwiegend aus der Sowjetunion als Zwangsarbeiter untergebracht. Ein Förderverein kümmert sich bislang um die Gedenkstätte mit einer Dauerausstellung in einer ehemaligen Arrestbaracke.
Der Bundestag hatte für den Ausbau des 60 Millionen Euro teuren Projekts bereits 25 Millionen Euro zugesagt. Das Land sollte den Rest zuschießen. Die jährlichen Betriebskosten von rund 4 Millionen sollten sich einige Kreise in Ostwestfalen und die Städte Bielefeld und Schloß Holte-Stukenbrock teilen. Anfang der Woche hatte die CDU-Fraktion im Gütersloher Kreistag aber einen Zuschuss von 400.000 Euro verweigert und sich damit gegen den eigenen Landrat gestellt. Bei 33 Ja- und 36 Nein-Stimmen stimmte der Kreistag gegen die Betriebskostenbeteiligung. Sven-Georg Adenauer (CDU) hatte sich stets für die Gedenkstätte stark gemacht. Ebenso Landtagspräsident Kuper (CDU), der nach dem Gauck-Besuch einen Arbeitskreis für den Ausbau der Gedenkstätte initiiert hatte.
Auch der Landschaftsverband Westfalen-Lippe zeigte sich entsetzt. "Wir bedauern diese Entscheidung sehr. Wir fürchten, dass damit in Westfalen-Lippe nun eine einmalige Möglichkeit für eine nationale Gedenkstätte verloren geht. Das ist sehr schade, denn die Gedenkstätte wäre wichtig für die demokratische und politische Bildung in Deutschland gewesen", sagte Kulturdezernentin Barbara Rüschoff-Parzinger der dpa.
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag äußerte ebenfalls ihr Unverständnis. "Im Stalag 326 in Schloß Holte-Stukenbrock wurden Kriegsgefangene in einer erniedrigenden, entmenschlichten und entrechtenden Prozedur nach ihrer Arbeitskraft selektiert und von hier aus zu Arbeitskommandos verschickt. Die Weiterentwicklung der Gedenkstätte Stalag 326 ist wichtig für die Erinnerungskultur und für die historisch-politische Bildung zur Aufarbeitung der Verbrechen des Nationalsozialismus gegenüber Kriegsgefangenen", sagte Wibke Brems der dpa.
Dass das Projekt zur Stärkung der Erinnerungskultur aktuell auf der Kippe stehe, "weil sich die lokale CDU-Fraktion im Kreistag Gütersloh dagegen ausspricht", sei fatal. "Gerade in Zeiten von erschreckend hohen Zustimmungswerten für rechtsextreme Positionen sollten alle Demokratinnen und Demokraten der Erinnerungskultur verpflichtet sein. Ich bin CDU-Kollegen aus Europa, Land und von vor Ort dankbar, die öffentlich deutliche Kritik am Abstimmungsverhalten ihrer Parteikollegen äußern und sich für die Gedenkstätte einsetzen", sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende.
Quelle: dpa