Nordrhein-WestfalenVorgabe für Uber-Fahrten: Wie Essen das Taxi schützen will

Essen schreibt bald als einzige Stadt in NRW Mindestpreise für Mobilitäts-Anbieter wie Uber und Bolt vor. Die Taxibranche jubelt. Kritiker warnen hingegen, dass Fortbewegung nur noch teurer werde.
Essen (dpa/lnw) - Die Stadt Essen will ihre Taxis schützen und führt zum Jahreswechsel strengere Vorgaben für Anbieter wie Uber und Bolt ein - als derzeit einzige Stadt in Nordrhein-Westfalen. Maximal sieben Prozent günstiger als ein Taxi darf eine spontane Fahrt mit Uber und Co. in Essen künftig sein - bislang lag der Preisunterschied teilweise bei 30 bis 40 Prozent.
Es ist der vorläufige Höhepunkt eines erbitterten Streits um Kunden, der inzwischen in allen Städten tobt. Die Taxibranche beklagt einen ruinösen Wettbewerb, die Anbieter der sogenannten Mietwagenfahrten fühlen sich gegängelt und bereiten juristische Schritte vor.
Was ist überhaupt ein "Mietwagen mit Fahrer"?
Das Angebot ist in Deutschland noch vergleichsweise neu, inzwischen aber in den Städten weit verbreitet. Anbieter Uber vermittelt nach eigenen Angaben in 70 Städten Fahrten. Auch Konkurrent Bolt breitet sich immer weiter aus.
Nutzer können per App eine Fahrt buchen und sehen auch gleich vorab den Preis - der in der Regel deutlich günstiger ist als eine Fahrt mit einem klassischen Taxi. Über die App wird dann der Kontakt zu einem registrierten Fahrer hergestellt. Mietwagenchauffeure brauchen ähnlich wie Taxifahrer einen Personenbeförderungsschein und eine Konzession von der Stadt. Sie dürfen aber nicht an den Taxi-Plätzen auf Fahrgäste warten oder sich am Straßenrand heranwinken lassen.
Laut Verband Wirfahren sind übrigens die wenigsten Mietwagenfahrer Solo-Selbstständige, sondern fast alle sind bei Mietwagenunternehmen angestellt.
Was ist der Vorteil von klassischen Taxis?
Taxis sind an einen von der Stadt festgelegten Tarif gebunden und zählen zum Öffentlichen Personenverkehr. Sie müssen ein Angebot rund um die Uhr sicherstellen. Außerdem müssen Taxi-Unternehmen zum Beispiel jede auch noch so kurze Fahrt annehmen und auch betrunkene Fahrgäste an ihr Ziel bringen.
Wie können Mietwagenunternehmen so viel günstiger sein?
Kritiker werfen Mietwagenunternehmen vor, Rosinenpickerei zu betreiben - also nur ausreichend lukrative Fahrten überhaupt anzubieten. Es gibt auch Kritik an den Arbeitsbedingungen. Laut einer Studie, die die Stadt Essen in Auftrag gegeben hat, sind diese günstigen Preise häufig nur möglich, weil Mietwagenunternehmern sich nicht an arbeits- und sozialrechtliche Pflichten halten. Die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben sei bei den angebotenen Preisen "kaum möglich", betont die Essener Stadtverwaltung.
Die Branche weist diese Vorwürfe zurück. Mietwagenfirmen seien günstiger, weil sie ihre Fahrzeuge effizienter auslasten und Preise flexibel kalkulieren könnten - und anderem wegen der App-basierten Vermittlung. Diese Flexibilität werde durch Mindestpreise wie in Essen ausgehebelt - mit gravierenden Folgen: "Etliche Arbeitsplätze sind durch diese Maßnahme in Gefahr und das Leben der Essener wird sich weiter verteuern", sagt ein Uber-Sprecher.
Weshalb mischen sich Städte wie Essen in den Wettbewerb ein?
Für die Taxi-Unternehmen hätten solche Kampfpreise gravierende Folgen, argumentierte die Stadt in ihrer Vorlage weiter. Sie hätten mit erheblichen Umsatzeinbußen zu kämpfen - teilweise würden Taxi-Konzessionen in der Stadt bereits zurückgegeben. "Durch einen unreglementierten Mietwagenverkehr droht eine Schädigung des öffentlichen Verkehrssystems", argumentiert die Stadtverwaltung.
Wie ist die Situation in anderen Städten?
Den Konflikt gibt es im Prinzip überall. So versuchen etwa Düsseldorf und Dortmund, mit regelmäßigen Kontrollen dafür zu sorgen, dass Mietwagenfahrer die gesetzlichen Vorgaben nicht unterlaufen. Die Solinger Stadtverwaltung hat als Reaktion auf massive Proteste der Taxifahrer zuletzt sogar schon einmal einen ähnlichen Weg beschritten wie jetzt Essen und den Mietwagenfahrern Mindestpreise vorgeschrieben - allerdings ohne politischen Beschluss und nur für wenige Wochen.
Der Bundesverband Taxi hofft, dass viele Kommunen dem Essener Beispiel folgen. Die Politik müsse entscheiden, was sie wolle: "Billige Fahrten, egal wie diese zustande kommen - oder eine faire Mobilität von Mensch zu Mensch", sagt Verbandsgeschäftsführer Michael Oppermann.
Gilt denn in jeder Stadt etwas anderes?
Tatsächlich liegen sowohl die Taxis als auch die Mietwagenfahrten in der Zuständigkeit der Städte. Deshalb gibt es überall unterschiedliche Taxitarife, und deshalb muss auch jede Stadt ihren eigenen Weg mit den Mietwagenfahrten finden.
Solingens Oberbürgermeister Daniel Flemm (CDU) fordert allerdings, dass Landes- und Bundespolitik die Städte mit dem Problem nicht allein lassen dürften. Er wünscht sich Regelungen für faire Wettbewerbsbedingungen, die überall gelten.
Dafür sieht NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) keine gesetzliche Möglichkeit. Er stellt sich aber hinter Städte, die sich für Mindestpreise entscheiden. "Ich würde mich freuen, wenn die Städte viel stärker als bisher ihre Möglichkeiten nutzen würden, den Taxi- und Mietwagenverkehr im Sinne der Kunden besser zu regulieren", sagt der Minister.