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ThüringenBrombeer-Koalition: Vom Experiment zum "Stabilitätsanker"

12.12.2025, 13:02 Uhr
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Die Thüringer Koalitionäre von CDU, BSW und SPD sehen die Entwicklung nach einem Jahr im Amt positiv. Angesichts stagnierender bis negativer Umfrageergebnisse gibt sich der Ministerpräsident gelassen.

Erfurt (dpa/th) - Deutschlands erste Brombeer-Koalition in Thüringen war nicht nur für viele Beobachter, sondern auch für die Regierungsparteien CDU, SPD und BSW selbst mit zahlreichen Fragezeichen versehen. Nach einem Jahr im Amt üben die Koalitionäre den demonstrativen Schulterschluss und loben ein geräuschloses und gutes Miteinander.

Thüringen habe sich zum "Stabilitätsanker" im Osten entwickelt, so CDU-Ministerpräsident Mario Voigt. Das Land sei entscheidende Schritte vorangekommen. "Die Wirtschaft wächst, der Unterrichtsausfall sinkt, die Migration und Sicherheit ist geordnet, und das Lebensgefühl stimmt." Thüringen werde wahrgenommen als ein Land, das mit konkreten Projekten überzeugen könne.

Wolf: Nicht einfach, Koalitionspartner unter einen Hut zu bringen

Die Unterschiedlichkeit der Koalitionspartner unter einen Hut zu bringen, sei keine einfache Aufgabe gewesen, so BSW-Finanzministerin Katja Wolf. "Wir sind drei unterschiedliche Parteien, wir haben unterschiedliche Geschichten, unterschiedliche politische Kulturen, unterschiedliche politische Schwerpunkte." Dass es dennoch konstruktiv zugehe, hätten insbesondere die Haushaltsverhandlungen gezeigt.

Die Regierungspartner seien sich schnell einig gewesen, den Schwerpunkt auf Investitionen zu legen. Dennoch sei das in diesem Jahr verabschiedete, eine Milliarde Euro schwere Investitionsprogramm für Thüringer Kommunen nicht selbstverständlich gewesen. "Es ist die größte Investition, die in diesem Land seit der Wende getätigt wurde."

Maier: Gleiche Lebensbedingungen für alle sichern

SPD-Innenminister Georg Maier hob die Herausforderungen des demografischen Wandels für Thüringen hervor. Gleiche Lebensbedingungen in allen Teilen des Landes seien das erklärte Ziel der Regierungspartner. Ein Teil des dafür nötigen Puzzles sei der 100-Millionen-Euro-Rettungsschirm für von Schließung bedrohte Krankenhäuser gewesen.

Investitionen in die Förderung des Ehrenamts und den Ausbau der Feuerwehrstrukturen hätten für mehr Sicherheit beim Brand- und Katastrophenschutz gesorgt. "Obwohl die Anzahl der Jugendlichen und Kinder schrumpft, wächst die Jugendfeuerwehr. Das fällt nicht vom Himmel", so Maier.

Wahlumfrage sieht Brombeer-Koalition weit von Mehrheit entfernt

Dass die Regierungs-Koalition einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage zufolge weit von einer Mehrheit entfernt liegt, nimmt Ministerpräsident Voigt mit Gelassenheit zur Kenntnis. Die vom Meinungsforschungsinstitut Insa im Auftrag der Funke Medien Thüringen durchgeführte Erhebung sieht Voigts CDU bei 24 Prozent und damit etwa auf dem Wert bei der Landtagswahl von 2024. "Wir sind noch lange nicht da, wo wir hinwollen", so der Ministerpräsident, der sich mit Blick auf das erste Amtsjahr aber optimistisch gibt. "Was wir jetzt gesät haben, das werden wir ernten."

Das BSW, bei der Landtagswahl noch bei 15,8 Prozent, sehen die Meinungsforscher jetzt bei sieben Prozent. Im Ergebnis würden der Brombeer-Koalition derzeit neun Prozentpunkte zu einer parlamentarischen Mehrheit fehlen. Sie nehme das "durchaus demütig zur Kenntnis", so BSW-Ministerin Wolf. Sie sehe das Umfrageergebnis auch im Lichte des BSW-Bundesparteitags in Magdeburg vor einer Woche. Dieser war geprägt von Kritik am Thüringer Landesverband und den Ergebnissen der Regierungsbeteiligung in Thüringen.

Die SPD lag wie zur Landtagswahl 2024 bei sechs Prozent. Weiter zulegen konnte die AfD, die mit ihrem Rechtsaußen Björn Höcke auf einen Rekordwert von 39 Prozent kommt.

Linke kündigt Fokus auf "soziale Schieflage" an

Derzeit haben die Regierungsparteien 44 von 88 Sitzen im Landtag. Sie sind daher mit einer Patt-Situation konfrontiert und immer wieder auf die Zusammenarbeit mit der Linken in Thüringen angewiesen.

Die parlamentarische Geschäftsführerin der Linken-Fraktion im Landtag, Katja Mitteldorf, sieht die Partei als "einzige soziale Stimme in diesem Land". Die Partei sehe ihre Rolle darin, weiterhin an der sozialen Schieflage etwas zu verändern. Es seien Ideen nötig für mehr soziales Wohnen, bezahlbare Energie und eine Pflege, die ein Leben in Würde ermögliche. Aus Sicht der Oppositionspartei bleibe die Regierung bislang Antworten darauf schuldig.

Eine "Rückschritts-Regierung" nennt die Grünen-Landessprecherin Ann-Sophie Böhm das Thüringer Regierungsbündnis. Kopfnoten und Handyverbot in Schulen seien Beispiele eines fragwürdigen politischen Stils. Auf den demografischen Wandel gebe die Koalition aus Sicht der Grünen die falschen Antworten: "Anstatt Zuwanderung zu fördern und Menschen zu integrieren, wird eine Drohkulisse aus menschenunwürdiger Abschiebehaftanstalt und diskriminierender Bezahlkarte aufgebaut."

Quelle: dpa

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