Firmen-Chef Steim im Interview Darum bleiben Junghans-Uhren "Made in Germany"
09.04.2025, 10:44 Uhr
Junghans-Chef und Hobbypilot Hannes Steim setzt auf den Standort Deutschland.
(Foto: Junghans)
Im ntv.de-Interview erklärt Hannes Steim, Chef der Uhrenfirma Junghans aus Schramberg im Schwarzwald, warum es unter seiner Führung bei Deutschland als Produktionsstandort bleibt - "solange die Familie Steim bei Junghans was zu sagen hat".
"Made in Germany" gilt weltweit als Qualitätsgarantie. Mittlerweile produzieren die meisten deutschen Firmen aber im Ausland. Die Gründe: Günstigere Arbeitskräfte und Produktionskosten sowie weniger Bürokratie. Selbst Unternehmen, die auf Nachhaltigkeit wert legen, tun das meist im – teilweise weit entfernten – Ausland. Aber es gibt einige Firmen, die nicht davon abrücken: Sie produzieren in Deutschland. Wir stellen hier in einer Serie einige davon vor. Was bewegt die Firmenlenker und womit kämpfen sie?
2009 übernehmen Hannes Steim und sein Vater Dr. Hans-Jochem Steim das Schwarzwälder Uhrenunternehmen Junghans. Seit 2022 führt Hannes Steim das Unternehmen als geschäftsführender Gesellschafter.
Firmen-Chef Hannes Steim ist mit Junghans verbunden
Für Hannes Steim ist Junghans nicht einfach irgendeine Firma. Schon sein Ur-Urgroßvater hat Aufzugsfedern für Junghans zugeliefert. Aber nicht nur seine Familie, dem ganzen Ort geht es durch die Uhrenfirma gut. "Schramberg ist durch Junghans groß geworden", erklärt Steim. Als Junghans nach einer Insolvenz unter dem Mutterkonzern Egana Goldpfeil zum Verkauf steht, übernimmt die Familie Steim. "Für uns war die Entscheidung relativ klar: Wir steigen dort ein", so Steim.
Ob es unter noch schwierigeren Umständen denkbar wäre, die Produktion komplett ins Ausland zu verlagern? Da ist Hannes Steim ganz klar: "Wir erhalten die Arbeitsplätze im Ort". Und daher gelte: "So lange die Familie Steim bei Junghans was zu sagen hat, findet die Produktion in Schramberg statt". Mit aktuell 110 Mitarbeitern stellt Junghans in Schramberg Mechanik-, Quarz und Funkuhren her.
Junghans war der größte Uhrenhersteller der Welt
Schwarzwald = Kuckucksuhren? Tatsächlich fing damit 1861 bei der Schwarzwälder Firma Junghans alles an. Dann habe man sich überlegt, wie man Uhren besser, schneller und in höherer Stückzahl produzieren könne, erklärt Steim. Mit der Miniaturisierung zur Taschenuhr und Armbanduhr wurde das Unternehmen auch international erfolgreich. 1903 war Junghans schon der weltweit größte Uhrenhersteller. In den 1950er Jahren war Junghans der drittgrößter Chronometer-Hersteller - nach Rolex und Omega. Chronometer sind über die COSC auf ihre Ganggenauigkeit geprüfte mechanische Uhren. Bis heute hat die Firma über 500 Millionen große und kleine Uhren verkauft, so Steim. Ab unter 500 Euro und bis an die 15.000 Euro legen Uhrenliebhaber für eine Junghans hin. "Die deutsche Uhr" war lange Zeit der Slogan der Schwarzwälder Uhrenfirma. Insofern passend laut Steim, da Junghans in Deutschland seit 1861 ununterbrochen am Markt ist und eben in Deutschland produziert.
"Wunderwerk in kleinster Mechanik" - Mechanische Uhren sind im Trend
Für Uhrenfans ist es ohnehin klar, was eine Traditionsmarke wie Junghans am Handgelenk bedeutet. Hannes Steim macht aber insgesamt wieder einen Trend in Richtung Entschleunigung aus. Viele Menschen würden sich zurückbesinnen auf die traditionelle Uhrmacherkunst. Also Mechanik statt "irgendein Computer". Nicht die ganze Zeit online sein und Nachrichten bekommen. Als die Familie Steim die Firma Junghans übernommen hat, lag der Anteil von verkauften Mechanikuhren bei 40 Prozent. Heute sind es 70 Prozent. Wenn Hannes Steim in Schramberg durchs Unternehmen führt, nimmt er bei den Besuchern Emotionen wahr. Wer aus nächster Nähe sehe, wie so ein Uhrwerk montiert wird, begreife "was da für ein Wunderwerk in kleinster Mechanik entsteht".
Design-Klassiker von Junghans: Meister Chronoscope und Max Bill
Unter den Junghaus-Uhren mit dem achtzackigen Stern-Logo gibt es einige weltberühmte Klassiker. Die "Meister"-Uhren sind beispielsweise 1936 von Anton Ziegler entworfen worden. Sie sind mit leichten Veränderungen bis heute im Junghans-Programm, so Hannes Steim. Der Schweizer Designer und Künstler Max Bill hat das Design der Meister-Uhr dann in den 50er Jahren weiter reduziert und dadurch den puristischen Bauhaus-Stil mit eingebracht.
Küchenuhr von Max Bill hängt im MoMa
Zuvor hatte Max Bill aber noch einen anderen Design-Klassiker auf den Weg gebracht: Die tropfenförmige Küchenuhr in Pastell, die im unteren Bereich schmaler ist und dort einen Eierwecker hat. Diese Uhr hängt sogar im Museum of Modern Art in New York. Dennoch hat Hannes Steim sie aus dem Programm genommen. Durch das Produktionsverfahren gab es bei der Keramikuhr Einschlüsse im Material. Und das entspricht nicht seinem Qualitätsanspruch. Nachvollziehen kann er trotzdem, dass viele sie im aktuellen Retro-Trend wieder interessant finden. Ihn selbst erinnert die Küchenuhr an seine eigene Kindheit: Da hing sie auch in der elterlichen Küche.
Fliegerchronograph von Junghans aus den 50ern
Mit dem Fliegerchronographen wieder verstärkt setzt Hobbypilot Steim auf einen Klassiker, der in den 50er Jahren von der Bundeswehr beauftragt wurde. Die auch als "Pilotenuhr" bekannte Uhr ist 2015 neu aufgelegt worden. "Etwas größer im Durchmesser", so Steim. Die Stilelement der 50er Jahre sollten bleiben, aber mit modernerer "Formsprache". Der Chronograph (laut Definition also mit Zeitstoppfunktion) ist seit zwei Jahren als Sondermodell in Navy Blue erfolgreich. Eigentlich nur für den US-amerikanischen Markt gedacht, kommt das Modell auch im Rest der Welt so gut an, dass Steim das Thema Farbe ausbaut. Seit letztem Jahr ist auch eine grüne Variante der Pilotenuhr auf dem Markt.
Junghans Uhren online kaufen
Junghans verkauft die Kollektion online ausschließlich über die eigene Website, dort gib es auch Informationen über die Fachhändler, die die jeweilige Uhr im Angebot haben. Die auch bei Amazon erhältlichen Uhren werden dort von Uhrenhändlern angeboten. Junghans verkauft die Uhren nicht selbst über Amazon.
Personalisierte Uhren von Junghans
Wer für einen privaten Anlass oder ein Jubiläum etwas Einzigartiges will, kann bei Junghans auch Sondermodelle in kleiner Stückzahl bestellen. Auch wer zum Beispiel in einem Nachlass eine alte Junghans-Uhr findet, kann dazu bei den Schramberger Nachfragen stellen. Aus welcher Epoche stammt meine Uhr, wieviel ist sie wert ? Für diese Themen gibt es bei Junghans eigens versierte Mitarbeiter.
Das sogenannte Terrassenbau-Museum in Schramberg ist öffentlich zugänglich und zeigt die Geschichte der Schwarzwälder Uhrenindustrie.
Wie viel "Made in Germany" steckt in Junghans Uhren?
"Jede Junghans Armbanduhr wird hier im Werk in Schramberg hergestellt", erklärt Hannes Steim. Bei den Funkuhren ist die Lage klar: Die werden komplett in Schramberg konstruiert und zusammengebaut. Auch die Funk-Werke werden in Schramberg produziert. Dann wird es kompliziert, denn "Made in Germany" heißt eben auch, den kompletten Wertschöpfungsprozess zu betrachten. Der Designprozess einer Uhr beispielsweise. Der findet, ebenso wie die Konstruktion, im Haus statt. Bei Gläsern, Zifferblatt und Zeiger sieht es anders aus. "Wir kaufen auch Teile zu, das ist normal", so Steim. Eine Uhrenmanufaktur, die komplett alles selber herstellt, ist Junghans nicht. Teilweise stammen die Uhrwerke aus der Schweiz oder sie werden als Kit geliefert, die in Schramberg zusammengesetzt werden. Aber das Zifferblatt bedrucken, die Montage, Qualitätssicherung und Versand - das alles kommt dann wieder von den Schrambergern. Ausreichend Mitarbeiter zu finden ist dabei kein Problem von Hannes Steim.
Kein Fachkräftemangel bei Junghans
"Wir haben hier gar kein Problem mit Fachkräften", sagt Hannes Steim. Und das ist wohl ein Satz, den man nicht so oft hört in diesen Tagen in Deutschland. Junghans bildet jedes Jahr drei Uhrmacher aus. Da es in der Umgebung keine anderen Uhrenhersteller gibt, hat Firmenchef Steim hier wenig Konkurrenz. Außerdem kann er "attraktive Arbeitszeiten und Teilzeitmodelle" anbieten, so Steim. Das wiederum führt dazu, dass es bei Junghans einen hohen Frauenanteil gibt. Was Steim auch schon häufiger erlebt hat: Dass Mitarbeiter weggegangen sind und schnell wieder zurückgekommen sind. Die hätten dann über ihren Weggang gesagt: "In diesen Schichtbetrieben, im Akkord, das können wir uns gar nicht vorstellen".
Herausforderung für kleine Unternehmen
Dass Hannes Steim mit dem Ort und seiner Firma verbunden ist, wird deutlich. Aber vor welchen Problemen steht er im täglichen Business? Was macht den Standort Deutschland schwierig? Als kleines Unternehmen sieht er Junghans vor großen Herausforderungen: "Wenn ich jetzt sehe, was auf uns zukommt jedes Jahr mit neuen Verordnungen". Jetzt käme beispielsweise eine "Gefährdungsbeurteilung" für Uhren. Für ihn völlig unverständlich, denn was könne schon eine Uhr für schädliche Auswirkungen auf den menschlichen Körper haben?
Kleine Unternehmen würden die Anforderungen heute oft gar nicht erfüllen können, ohne dass die Produkte sehr viel teurer würden. Bei allem Commitment zum Standort Deutschland versteht der Junghans-Chef, wenn andere ins Ausland abwandern. "Für mich ist klar, wenn Unternehmen nicht diese Bindung haben wie wir, dann sind die einfach weg". Für ihn und Junghans gilt aber, dass die Geschichte fortgeschrieben wird. In Schramberg.
Quelle: ntv.de