DFB-Elf übt für die WM Löws zentraler Notstand im Paradies
23.05.2014, 13:38 Uhr
Fraglioche Premiumbesetzung: Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira.
(Foto: imago sportfotodienst)
Traumhafte Trainingsbedingungen und eine schlechte Nachricht: Lars Bender verabschiedet sich an Tag drei aus Südtirol, von der DFB-Elf und von der WM. Was für den Bundestrainer zum ernsthaften Problem werden könnte.
Was sagt der Bundestrainer?
Also sprach Joachim Löw: "Wenn so kurz vor einem Turnie r ein Spieler verletzungsbedingt ausfällt, dann ist das für alle enttäuschend." Gesagt hat der Bundestrainer das in Sachen Lars Bender. Der Leverkusener hat sich verletzt und reist ab. Dazu später mehr. Die anderen, nun nur noch 26 Fußballer machen weiter und bereiten sich noch bis zum 31. Mai im Südtiroler Trainingsparadies in der norditalienischen Gemeinde St. Leonhard auf die Weltmeisterschaft in Brasilien vor. Zum Beispiel Miroslav Klose.
Der Rekordtorschütze ist auch noch nicht hundertprozentig fit, für die Pressekonferenz hat es aber gereicht. Und siehe da, Kloses Selbstbewusstsein hat keinen Schaden genommen. Trotz seiner Seuchensaison geht der 35-Jährige davon aus, dass er bei Löw gesetzt ist. Also Schluss mit den Gedankenspielen um die Falsche Neun, wobei: "Grundsätzlich kann ich die falsche Neun auch spielen." Alles wird gut, versichert Klose. Manuel Neuer? Ist nur Torwart, der braucht eh nicht zu trainieren. Philipp Lahm? "Es tut ihm sicherlich gut, mal fünf Tage weniger zu machen." Wie fokussiert dieser Miroslav Klose auf die WM hinarbeitet, verrät seine Antwort auf die Frage, ob seine kürzeren Haare jetzt der neue Trend seien: "Nein. Es bleibt einfach in den nächsten Wochen wenig Zeit, zum Frisör zu gehen."
Wie ist der Krankenstand?
Lars Bender ist raus. Diagnose: kombinierte Muskel-Sehnen-Verletzung im oberen Bizeps-Anteil des rechten Oberschenkels. Was wohl bedeutet, dass der Leverkusener in den nächsten Wochen nicht Fußball spielen kann. Bleibt die Frage, wie schwer der Ausfall des defensiven Mittelfeldspielers wiegt. Das Problem ist, dass das zum jetzigen Zeitpunkt noch niemand so genau sagen kann. Aber es deutet einiges darauf hin, dass der Bundestrainer Probleme bekommen könnte, am 16. Juni in Salvador de Bahia zum WM-Auftakt gegen Portugal eine schlagkräftige Doppelsechs auf den Rasen der Arena Fonte Nova zu schicken. Wer soll's machen? Bastian Schweinsteiger hat's am Knie und trabt im Trainingslager um den frisch verlegten Rollrasen, während die Kollegen kicken. Wann er wieder richtig mitmischen kann? Ungewiss. Sami Khedira steht zwar mit Real Madrid im Finale der Champions League, aber ob er ein halbes Jahr nach seinem Bänderriss den Belastungen eines großen Turniers standhalten kann, weiß nicht einmal Mannschaftsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt.
Hinter der Premiumbesetzung für die beiden Plätze in der Mittelfeldzentrale vor der Viererabwehrkette stehen also zwei dicke Fragezeichen - zumal Dortmunds Ilkay Gündogan seit knapp einem Jahr wegen seiner Rückenprobleme nicht spielen kann. Benders Lars wäre da ein solider Aushilfskellner gewesen. Sein defensiv ebenso vielseitig begabter Zwillingsbruder Sven übrigens auch, aber der laboriert an einer Schambeinentzündung. Und nun? Könnte Joachim Löw es machen wie sein Münchner Kollege Josep Guardiola und - den derzeit verletzten - Kapitän Philipp Lahm ins Mittelfeld beordern. Was allerdings das Problem schafft, dass er sich überlegen muss, wen er als rechten Außenverteidiger aufstellt. Eine Position, auf der Lars Bender bei der EM vor zwei Jahren im letzten Gruppenspiel für Jeróme Boateng einsprang - und gegen Dänemark das siegbringende Tor zum 2:1 erzielte. Toni Kroos kann zur Not auch als Sechser agieren. Weitere Kandidaten sind der Freiburger Matthias Ginter und Christoph Kramer. Der Mönchengladbacher darf nun nach seiner überraschenden Berufung in den vorläufigen Kader mehr denn je darauf setzen, am 7. Juni tatsächlich mit im Flieger nach Brasilien zu sitzen. Aber noch ist ja nichts entschieden.
Wer ist der Mitarbeiter des Tages?
Ein Satz, den ältere Teamkollegen gerne hören: "Für junge Spieler ist es sehr wichtig, erfahrene Leute in der Mannschaft zu haben, da kann man sich was abgucken." Ein Satz, den der Mannschaftsrat gern hört: " Als Neuling mache ich das, was der Rest macht." Ein Satz, den der Bundestrainer gerne hört: "Es ist etwas Besonderes, hier zu sein." Shkodran Mustafi erfüllte bei seinem Auftritt auf der Pressekonferenz seine Pflichten mit geradezu rührender Gewissenhaftigkeit. Einem Journalisten erklärte er sogar, wie man seinen Namen richtig ausspricht: Schkodrann Mustafi, die Betonung beim Nachnamen liegt auf der zweiten Silbe. Ein bisschen Eigenwerbung betrieb der Mann von Sampdoria Genua auch noch: laut eigener Aussage hat er in der vergangenen Saison bei Sampdoria Genua in der italienischen Serie A jede Position in der Viererkette gespielt. Das könnte wichtig werden.
Was machen die anderen?
Während die deutsche Nationalmannschaft die Weltmeisterschaft wohl am liebsten ein paar Tage nach hinten verschieben würde, kann es Jürgen Klinsmann gar nicht abwarten. Früher als geplant hat der "Head Coach" des US-Teams seinen 23-köpfigen Kader verkündet. Einen verdienten Mann erwischte es schlimm: Landon Donovan fliegt nicht mit nach Brasilien. "Das war eine der härtesten Entscheidungen meiner Trainerkarriere", sagte Klinsmann. Statt auf den Rekordtorschützen (57 Treffer in 156 Spielen) setzt er auf das Bayern-Talent Julian Green. Aus der Bundesliga kommen noch John Brooks von Hertha BSC, Timothy Chandler vom 1. FC Nürnberg und Fabian Johnson von der TSG Hoffenheim mit nach Brasilien. Der Ex-Schalker Jermaine Jones von Besiktas Istanbul ist ebenfalls mit dabei - es ist seine erste Weltmeisterschaft.
War sonst noch was?
Wer glaubt, dass bei einer Pressekonferenz der deutschen Fußball-Nationalmannschaft nur Journalisten ihre Fragen stellen, die vornehmlich über Fußball berichten, dem sei gesagt, dass er sich irrt. Uwe Erensmann vom deutschen Online-Magazin golfpost.de hatte sich einen lachsfarbenen Pullover über sein hellgrünes Polo-Shirt geschwungen und ebenfalls auf den Weg ins Pressezelt des DFB gemacht. Schließlich kommt Martin Kaymer, Deutschlands bester Golfer, am kommenden Dienstag zusammen mit dem Formel-1-Piloten Nico Rosberg zu Besuch ins Trainingslager. Er hätte, so der Eindruck, gerne von Miroslav Klose gehört, dass ein Besuch Kaymers die Mannschaft unheimlich motiviere. Aber dem Angreifer des DFB-Teams fiel nicht viel mehr dazu ein als ein trockenes: "Unser Ball ist einen Tick größer. Kann man jetzt so nicht vergleichen." War bestimmt nicht böse gemeint. Und sollte niemanden davon abhalten, dem Fachmagazin einen Besuch in diesem Internet abzustatten. Auf Platz drei der meistgelesenen Artikel: "Golfbag: Tragen oder ziehen?"
Und wer ist der Klassenclown des Tages?
Mehr als 100 Reporter beobachten die deutsche Nationalmannschaft im Trainingslager. Sie schauen beim Training zu, dösen in der Hitze - da driften die Schlagzeilen schon einmal leicht ins Absurde. Die Könige des Sonnenstich-Journalismus', sie ahnen es, residieren bei der "Bild"-Zeitung. Über die Bilder von oberkörper-entblößten Spielern setzten sie die Zeile "Heißes Training der Nacktionalmannschaft". Wir warten gespannt auf die nächsten witzigen Wortspiele, reservieren uns hiermit aber die Rechte an "Spasseiertal". Ätsch.
Quelle: ntv.de