Letzte "FTD" im Dezember 320 G+J-Jobs in Gefahr
21.11.2012, 21:40 Uhr
Zerknüllte "Financial Times Deutschland": Nur noch bis zum 07. Dezember erhältlich?
(Foto: dapd)
Bei G+J tagte der Aufsichtsrat, doch ob bereits über das Schicksal der Gruner+Jahr – Wirtschaftsmedien entschieden wurde, ist nicht bekannt: Man werde dazu nichts sagen, heißt es lediglich. Bei den Mitarbeitern schwindet derweil die Hoffnung. Medienberichten zufolge soll die "FTD" nur noch bis zum 07. Dezember erscheinen, zudem sollen 320 der 350 Mitarbeiter entlassen werden.
Die Zukunft der Gruner + Jahr-Wirtschaftsmedien ist nach wie vor offen. Der Hamburger Verlag teilte mit, am Mittwoch keine Entscheidung zu veröffentlichen. Der G+J-Aufsichtsrat kam am gleichen Tag zu einer turnusmäßigen Sitzung zusammen. Bei den Wirtschaftstiteln arbeiten rund 350 Mitarbeiter. Zu ihnen gehören die Tageszeitung "Financial Times Deutschland" sowie die Magazine "Capital", "Impulse" und "Börse Online".
Nach Informationen der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" hat der G+J-Vorstand beschlossen, die "FTD" einzustellen und die Zeitschriften "Impulse" und "Börse Online" zu verkaufen. "Capital" soll demzufolge von Berlin aus weitergeführt werden. Rund 320 der 350 Mitarbeiter der G+J- Wirtschaftsmedien AG & Co KG würden ihren Arbeitsplatz verlieren, schreibt das Blatt. Ihnen solle bis Ende Januar betriebsbedingt gekündigt werden. Dafür seien intern Sozialplankosten von rund 40 Mio. Euro veranschlagt. Gruner + Jahr wollte den Bericht nicht kommentieren.
Die letzte Ausgabe der "FTD" soll der "FAZ" zufolge am 07. Dezember erscheinen. Bis dahin versuche der Verlag einen Käufer für die Abonnentenkartei zu finden. Für "Impulse" und "Börse Online" gebe es zahlreiche Interessenten darunter auch Fachverlage. Diese würden sich jedoch nur für die Markenrechte und die Abonnentenstämme, nicht aber für die Redakteure der Magazine interessieren. "Die Redakteure müssten sich nach erfolgter Kündigung bei dem neuen Eigentümer bewerben", so die "FAZ". Gelinge der Verkauf der Titel nicht bis Ende Januar, wolle G + J "Impulse" und "Börse Online" ebenfalls einstellen, zitierte die Zeitung aus "gut informierten Kreisen".
Gedrückte Stimmung im Verlag
Bei den Beschäftigten der G+J-Wirtschaftsmedien herrscht derweil Untergangsstimmung. "Hier ist Land unter, kann sein, dass es heute Abend ein großes Besäufnis gibt", fasste ein Mitarbeiter zusammen. Hoffnung, dass die Zeitungen doch noch überleben, gibt es kaum. "Die 'Financial Times Deutschland' steht vor der Einstellung", heißt es auf der Website der FTD. Jetzt warte man die Entscheidung der Verlagsführung ab. "Dann blicken wir nach vorne", schreiben die Online-Mitarbeiter und veröffentlichen im Anschluss mehrere Lesermails. Bei "Börse Online" sollen die Feiern zum 25-jährigen Jubiläum der Zeitschrift abgesagt worden seien.
Die Arbeitnehmervertreter zeigten sich schockiert über das erwartete Aus für die Wirtschaftstitel. Er sei "entsetzt" über die Pläne und zweifle "an der unternehmerischen Kompetenz des Vorstands", erklärte der Gesamtbetriebsrat der bedrohten Wirtschaftsmedien.
Der Deutsche Journalisten-Verband appellierte an die soziale Verantwortung des G+J-Managements. "Sparmaßnahmen dürfen nicht einseitig zu Lasten der Journalistinnen und Journalisten beschlossen werden", teilte der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken in Berlin mit. Scharfe Kritik an dem Unternehmen übte auch die Gewerkschaft Verdi. "Gruner + Jahr ist ein profitabler Verlagskonzern", erklärte Vize-Bundeschef Frank Werneke in Berlin. Einen großen Teil der Wirtschaftsmedien einzustellen, sei "keine Entscheidung aus der Not heraus". Werneke fürchtet, dass mehr als 200 Arbeitsplätze gestrichen würden.
Der Verlag Gruner + Jahr, der auch Magazine wie "Geo", "Gala", "Brigitte" und "Neon" herausgibt, gehört mit einem Umsatz von rund 2,3 Mrd. Euro (2011) zu den größten in Europa. Mehrheitseigener ist mit 74,9 Prozent die Bertelsmann SE & Co. KGaA. Eine Sperrminorität von 25,1 Prozent hält die Hamburger Verlegerfamilie Jahr.
Die Zeitungskrise in Deutschland hatte kurz zuvor mit der Insolvenz der traditionsreichen "Frankfurter Rundschau" einen weiteren Höhepunkt erreicht. Anfang Oktober hatte die Nachrichtenagentur dapd Insolvenz angemeldet.
Quelle: ntv.de, sla/dpa