Wenn Chinas Wirtschaft hüstelt Australien und die "gelbe Gefahr"
12.10.2012, 10:11 Uhr
Vor allem dank Chinas wirtschaftlicher Entwicklung kennt Australiens Konjunktur seit mehr als 20 Jahren nur den Weg nach oben. Nun droht Ärger.
Australiens Wirtschaft kennt seit Jahren nur Wachstum. Seit 21 Jahren ist Down Under rezessionsfrei. Der Grund liegt in China und dessen wirtschaftlicher Entwicklung. Allerdings bröckelt der Aufschwung dort merklich ab - und das bekommen die "Aussies" schmerzlich zu spüren.
Australien hat den chinesischen Rohstoffhunger in den vergangenen Jahren gesättigt und davon wie kein zweites Industrieland profitiert. Doch mit dem großen Fressen könnte es angesichts der schwächelnden Konjunktur Chinas vorbei sein, so dass auch bald die Menschen auf dem Fünften Kontinent ihren Gürtel enger schnallen müssen.
China ist Australiens wichtigster Handelspartner und steuert in diesem Jahr auf das niedrigste Wachstum seit 1999 zu. Vor allem schwache Produktions- und Exportzahlen infolge der Euro-Schuldenkrise setzen der Volksrepublik zu. Die Regierung in Peking rechnet für 2012 nur noch mit einer Steigerung des Bruttoinlandsprodukts von 7,5 Prozent.
Rohstoffriesen bekommen Probleme
Dass in China weniger Autobahnen, Hochhäuser oder Fabriken gebaut werden, macht sich vor allem am Rohstoffmarkt bemerkbar. So hat der Kupferpreis in diesem Jahr zwar um rund sieben Prozent auf aktuell knapp 8200 Dollar pro Tonne zugelegt, doch geht das Plus vor allem auf das Konto der lockeren Geldpolitik in der Euro-Zone und den USA. China selbst, größter Kupferverbraucher der Welt, trug dazu weitaus weniger bei als in den Jahren zuvor.
Noch deutlicher sind die Auswirkungen bei Eisenerz erkennbar, von dem Australien der größte Produzent weltweit ist: Die Minenkonzerne mussten in diesem Jahr einen Preissturz bei dem zur Stahlherstellung benötigten Rohstoff von bis zu 42 Prozent verkraften. Die Bergbaukonzerne Rio Tinto und BHP Billiton haben angekündigt, wegen des langsameren Wirtschaftswachstums in China zu sparen, Stellen zu streichen und auf besonders ambitionierte Projekte zu verzichten.
Die unbekannte Rezession
Australiens Wirtschaft hat seit 21 Jahren keine Rezession mehr verbucht. Doch die Serie könnte bald reißen, meinen Experten. Das größte Handelsdefizit seit drei Jahren im August sei für das Land nur ein Vorgeschmack auf das, was noch komme, sagt Su-Lin Ong, Volkswirtin bei RBC Capital Markets. Der Rückgang der australischen Exporte werde seinen Tribut über die gesamte Wirtschaft hinweg beim Wohlstand, den Einkommen und dem Konsum fordern. "Und das passiert zu einem Zeitpunkt, an dem die Geldpolitik gestrafft wird und der Australische Dollar gefährlich hoch bewertet ist."
Die Regierung in Canberra und die Zentralbank des Landes (RBA) gehen zwar für die kommenden Jahre weiter von einem Wachstum von rund drei Prozent aus. Aber wenn die Geschäfte im Minensektor nicht rund laufen, verringern sich auch die Investitionen. Diese steuern neun Prozent zum umgerechnet rund 1,2 Billionen Euro schweren Bruttoinlandsprodukts Australiens bei. Gehen die Investitionen deutlich zurück, droht eine Rezession.
Spareinlagen klettern
Die Zentralbank hat dieses Problem offenbar erkannt und senkte den Leitzins Anfang Oktober überraschend um einen Viertelpunkt auf 3,25 Prozent. Das ist das niedrigste Zinsniveau seit drei Jahren. Die RBA hatte gehofft, dass andere Branchen wie die Bauwirtschaft, der Einzelhandel oder der Tourismus den Rückgang im Minengeschäft auffangen.
Doch bisher ist davon wenig zu spüren. So wurden im August so wenig neue Häuser wie seit 15 Jahren nicht mehr verkauft. Die Australier halten ihr Geld lieber zusammen als in Immobilien oder Aktien zu investieren. Seit 2008 haben sich die Spareinlagen bei Banken um 260 Mrd. Australische Dollar (205 Mrd. Euro) erhöht.
"Aussie" zu stark
Der Minensektor war zudem verantwortlich dafür, dass Australien mit rund fünf Prozent eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten aller Industrieländer aufwies. Allerdings braucht es weitaus mehr Arbeiter, ein Bergwerk zu errichten oder Flüssiggasfelder zu erschließen als diese Projekte am Laufen zu halten. Nach Berechnungen von RBA-Ökonom Christopher Kent sind viermal so viele Leute nötig, eine Eisenerz-Mine aufzubauen als sie zu betreiben. Bei Flüssiggasprojekten belaufe sich das Verhältnis gar auf bis zu 20 zu eins. Wenn also die Minenkonzerne die Erschließung neuer Minen zurückfahren, könnte das den australischen Arbeitsmarkt empfindlich treffen.
Kopfzerbrechen bereitet den Menschen in Down Under zudem ihre starke Landeswährung. Der Australische Dollar hat zum Euro und US-Dollar seit 2008 kontinuierlich aufgeholt. Zwar ist er von seinen Höchstständen von Anfang August wieder zurückgekommen, notiert bei 79 Euro-Cent aber noch immer mehr als 60 Prozent höher als Ende 2008. Eine Trendwende ist nicht abzusehen, solange die großen Notenbanken der Welt ihre Politik des billigen Geldes betreiben und damit wesentlich zur Abwertung ihrer Landeswährungen beitragen. Der starke "Aussie" lastet auf der Exportindustrie und hält ausländische Gäste davon ab, allzu viel Geld in Touristenzielen wie Sydney oder Cairns an der Ostküste des Landes auszugeben.
Quelle: ntv.de, Wayne Cole, rts