Wirtschaft

Leerverkäufe bewegen GemüterBörsianer ätzen gegen Verbot

19.05.2010, 22:55 Uhr

Finanzmarktexperten lassen nach dem überraschenden Verbot hoch riskanter Leerverkäufe am Aktien- und Anleihenmarkt kaum ein gutes Haar an dem deutschen Vorstoß. Sie sehen Dilettanten am Werk, die den FInanzplatz Deutschland gefährden.

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(Foto: REUTERS)

Nach dem überraschenden Verbot besonders spekulativer Geschäfte am deutschen Aktien- und Anleihenmarkt ist unter Finanzmarktexperten ein Sturm der Entrüstung entbrannt. Von Spekulanten über Börsenbetreibern bis hin zu Volkswirten fällt das Urteil fast unisono vernichtend aus.

Auf großes Unverständnis stößt das Verbot etwa bei Hedgefonds. die nun versucht sein könnten, gegen andere als die verbotenen Papiere zu wetten. "Das ist lächerlich", kommentierte Pedro de Noronha von Noster Capital die deutsche Entscheidung. "Es zeigt, wie erschreckend es ist, mit Leuten zu tun zu haben, die die Finanzmärkte nicht kennen und Regeln für Produkte erlassen, die sie nicht verstehen."

Ähnlich äußerte sich der Chef des Londoner Hedgefonds Odey Asset Management, David Stewart. Er warnte vor unerwünschten Veränderungen an den Finanzmärkten: "Das könnte für alle beängstigende Folgen haben. Sobald man in Märkte eingreift, kommt es zu Verwerfungen." Noronha sagte eine Verlagerung des Engagements der Fonds in andere Bereiche wie Aktien oder Devisen voraus. "Hedgefonds werden eine Lösung finden." Wenn ihnen ungedeckte Leerverkäufe von bestimmten Aktien oder Staatsanleihen untersagt würden, suchten sie nach Alternativen.

Deutsche Börse fürchtet Schaden

Aus Sicht der Deutschen Börse steht auch der Finanzplatz Deutschland auf dem Spiel. "Ungedeckte Leerverkäufe können weiterhin stattfinden, da sie außerhalb des deutschen Finanzmarktes nicht verboten sind", kommentierte der Konzern. Es gilt nur für deutsche Marktteilnehmer oder in Deutschland getätigte Geschäfte. Tochtergesellschaften von deutschen Instituten außerhalb Deutschlands und Großbritanniens sind nach Angaben der britischen Finanzaufsicht hingegen nicht betroffen. Das steht nach Einschätzung des Börsenbetreibers im Gegensatz zu dem Bestreben, gleiche Voraussetzungen für alle in Europa zu schaffen. "Aus Sicht der Deutschen Börse ist es deshalb wichtig, dass es europaweit zu einem abgestimmten und einheitlichen Vorgehen kommt", hieß es.

Grundsätzlich sei die Börse ausdrücklich für eine erhöhte Transparenz bei Leerverkaufspositionen und unterstütze die europäischen Bemühungen für einheitliche Meldepflichten. Ein Verbot könne allerdings die Marktqualität verschlechtern sowie die Kosten für Liquidität erhöhen.

Auch Bankhäuser kritisierten die deutsche Entscheidung. Nach Meinung eines Experten des Frankfurter Bankhauses Metzler gleicht die Entscheidung einem "Verzweiflungsakt". Erschwerend komme hinzu, "dass Europa nach wie vor nicht mit einer Stimme spricht, wie der deutsche Alleingang zeigt", sagte der Experte. "Dies führt letztlich dazu, dass Investoren verunsichert werden und finanzielle Mittel aus dem Euroraum abziehen."

Besonders negativ wurde an den Märkten vor allem die politische Komponente des Verbots und die Inkonsequenz aufgenommen. "Das politische Signal ist verheerend, weil es zeigt, dass es keine Koordination in der Euro-Zone gibt", sagt ein Händler. Auch die Geschwindigkeit und Plötzlichkeit des Verbotes wurden als Zeichen politischen Drucks und Panik gewertet. Denn immerhin hatte der ehemalige Vorsitzende der US-Börsenaufsicht SEC, Christopher Cox, das Verbot von Leerverkäufen schon als "den größten Fehler meiner Amtszeit" bezeichnet.

"Profitieren tun jetzt nur andere"

Ein hochrangiger Investmentmanager bezeichnete Deutschlands Leerverkäufeverbot als ineffektiv und sinnlos. "Das ist ein sehr stumpfes Instrument, das keinerlei Sinn hat", sagte Bob Pozen von MFS Investment Management. Das hätten die Verbote von Leerverkäufen in den USA während der Finanzkrise gezeigt. Schließlich hätten sie den Preisverfall nicht stoppen können. Die deutsche Reaktion sei zwar verständlich, aber auch unwirksam. Von dem Verbot profitierten vor allem europäische Exporteure und die US-Staatsanleihen, stellte Pozen fest.

Nach Einschätzung von Commerzbank-Portfoliomanager Gunnar Stangl werden Händler in Deutschland künftig einfach auf andere Finanzplätze ausweichen. Der größte Teil des Handels mit CDS werde bislang ohnehin nicht in Frankfurt sondern in Zentren wie London oder New York abgewickelt, sagte Stangl. "Am Ende des Tages ist es einfach nur ein schlechter Zeitpunkt für so eine Aktion", betonte er. Die Zeichen an den Börsen seien in den vergangenen Tagen nicht schlecht gewesen.

Merkel verteidigt Euro-RettungsschirmTrotz aller Proteste stellte Merkel in ihrer Regierungserklärung klar, dass das Verbot hoch spekulativer Wetten von Investoren auf fallende Aktienkurse auf jeden Fall "unbefristet" gelten wird. Die Regelung bleibe in Kraft, bis auf europäischer Ebene eine einheitliche Vorgabe erreicht sei, sagte Merkel. Die Entscheidung durch die Finanzaufsicht BaFin zeige, dass Deutschland zur Eindämmung der Spekulation auch zu Alleingängen bereit sei.

Unterstützung bekam die deutsche Regierung hingegen von Commerzbank-Chef Martin Blessing, der neben dem Verbot von Leerverkäufen eine weiterreichende Regulierung riskanter Marktgeschäfte forderte. Er sprach sich auf der Hauptversammlung seines Instituts für "Stoppschilder für überzogene Spekulation" aus. Dabei denke er besonders an die stark in die Kritik geratenen Kreditausfallversicherungen (CDS). Diese hätten die Schuldenkrise in Griechenland weiter verschärft. Spekulative Anleger hatten mithilfe dieser Instrumente auf eine Pleite des Landes gewettet. "Eine weitgehende Abwicklung dieser Instrumente über Börsen und zentrale Clearing-Häuser ist notwendig", betonte Blessing.

Anerkennung gab es auch aus der Privatbank Hauck & Aufhäuser. Chefhändler Fidel Helmer sagte gegenüber n-tv: " Mit solchen Maßnahmen haben wir schon seit längerer Zeit gerechnet. Aber ich glaube, hier spielt die Politik wesentlich mit. Die Kanzlerin braucht eine breite Mehrheit im Parlament, um eben ihr Rettungspaket für Griechenland durchzuwinken. Und dmit diesen Maßnahmen macht sie es der Opposition etwas leichter zuzuzstimmen."

Ifo-Chef lobt Verbote

Auch Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn sieht in den Regeln eine sinnvolle Bereicherung. "Normalerweise stabilisiert die Spekulation die Preise", sagte der Ökonom. "Leerverkäufe sind aber eine Form der Spekulation, die destabilisiert. Leerverkäufe gehören verboten." Das gelte insbesondere für nackte Leerverkäufte.

Sinn äußerte auch Verständnis für den deutschen Alleingang. "Besser wäre es, wenn ein Verbot europäisch koordiniert werden könnte", sagte der Wirtschaftsprofessor. "Ich halte diese Form der Spekulation aber für so gefährlich, dass ein unilaterales Verbot gerechtfertigt ist - wohl wissend, dass dadurch ein Teil des Investment Banking ins Ausland getrieben wird."

Große Spekulanten könnten durch ihre Verkäufe den gewinnbringenden Kursverfall auf dem Wege über Herdeneffekte selbst induzieren. Das sei problematisch. "Wenn ein Marktakteur den Preis durch seine eigenen Aktionen verändern kann, also über Monopolmacht verfügt, kann ein Markt im ökonomischen Sinne nicht effizient sein", sagte der Ifo-Präsident.

Quelle: nne/rts/DJ/AFP