Wirtschaft

Richtungsstreit: ESM oder EZB Weidmann keilt gegen Draghi

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Bundesbank-Präsident Weidmann hält sich beim Thema "weiterer Schudldenschnitt für Griechenland" alle Optionen offen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Griechenland droht unter den immer neuen Sparmaßnahmen zu zerbrechen. Die Reformen und Einsparungen sind aber nötig, um Milliardenhilfen von den internationalen Geldgebern zu erhalten. Ein weiterer Forderungsverzicht steht daher im Raum. Bundesbank-Präsident Weidmann schießt dabei erneut gegen EZB-Chef Draghi - und schließt einen solchen Schritt nicht aus. Ifo-Chef Sinn plädiert für einen "großen Schuldenschnitt".

Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat im Richtungsstreit um die Grenzen des EZB-Mandats in der Eurokrise nachgelegt. Er warnte vor falschen Weichenstellungen durch die von EZB-Chef Mario Draghi in Aussicht gestellten Anleihenkäufe zugunsten von Staaten, die unter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen. Diese Intervention an den Märkten könne die Unabhängigkeit der Zentralbank gefährden: "Im Kern ist das keine Geldpolitik mehr." Die Grenzen des Mandats der EZB seien aber nicht klar definiert, sagte der Bundesbankchef, der mit dem Programm die rote Linie zur verbotenen Staatsfinanzierung überschritten sieht und im EZB-Rat dagegen votiert hat: "Wir ringen darum, wo die Grenzen sind."

ESM statt EZB

"Es geht nicht darum, nichts zu tun", fügte Weidmann beim "Führungstreffen Wirtschaft" der "Süddeutschen Zeitung" hinzu. Draghi hatte dem Bundesbankchef indirekt vorgeworfen, mit seiner Opposition gegen das Anleihenankaufprogramm der EZB auf Passivität zu setzen, während die EZB sich zum Handeln entschlossen habe.

Dem widersprach Weidmann vehement und betonte, der Euro-Rettungsfonds ESM müsse in der Krise das Heft des Handelns in die Hand nehmen: "Es ist aber der Eindruck vermittelt worden, dass die Notenbank die einzige handlungsfähige Institution in der Eurokrise ist. Diese Haltung teile ich nicht." Eine Verlagerung der Verantwortung auf die EZB sei bedenklich, da eine demokratisch nicht legitimierte Institution wie die Zentralbank für Europa Entscheidungen von großer Tragweite treffe, ohne parlamentarisch kontrolliert zu werden. Letztlich könne damit auch die Unabhängigkeit der EZB ins Wanken geraten: "Und zwar dann, wenn wir den Kern unseres Mandats verlassen", betonte Weidmann.

Der ESM steht bereit, hilfesuchenden Staaten finanziell unter die Arme zu greifen. Spanien gilt als erster Anwärter auf den Rettungsschirm, konnte sich bislang jedoch nicht zu einem Antrag in Brüssel durchringen.

"Der Ball liegt bei Spanien"

Die Diskussion um die Größe der Rettungsschirme nannte Weidmann müßig. "Einige Akteure an den Finanzmärkten wollen das Unendlich-Zeichen sehen. Das wird nicht funktionieren." Der Europäische Stabilitätsmechanismus ESM sei startklar. "Er ist aufgestellt und kann auch benutzt werden." Dies sieht auch der französische Notenbankchef Christian Noyer so: "Der Hilfsmechanismus steht bereit. Der Ball liegt jetzt im Feld Spaniens", sagte Noyer in Madrid. Das Land steht seit längerem im Fokus der Märkte, hat bislang aber nur Hilfen für die angeschlagenen Banken des Landes beantragt. Zugleich kritisierte Noyer den Widerstand gegen das geplante EZB-Programm, dessen Wortführer Weidmann ist: "Wer gegen das Anleihenkaufprogramm der EZB ist, ist gegen Preisstabilität."

Neuer Schuldenschnitt?

Der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, plädierte auf der Wirtschaftskonferenz für einen "großen Schuldenschnitt" für die sechs Schuldenländer Irland, Spanien, Italien, Portugal, Griechenland und Zypern. Wenn die Rückkehr zur Wettbewerbsfähigkeit nicht gelinge, müssten Länder den Euro aber verlassen, forderte der Ökonom. Der Chef des ESM, Klaus Regling, widersprach den Thesen Sinns in einem Streitgespräch vehement: "Ein Austritt würde zur Verelendung in Griechenland führen." Hellas, das dieses Jahr bereits einen Schuldenschnitt mit seinen Privatgläubigern vollzogen hat, sei ein Sonderfall: "Ein Schuldenschnitt kann nur eine Ausnahmesituation sein, schließlich ist es ein Eingriff in Eigentumsrechte."

Weidmann sieht das auch so: "Der Schuldenschnitt löst ja die Probleme noch nicht." Er schloss einen weiteren Schuldenschnitt für Griechenland nicht aus. Am Ende werde man einen Forderungsverzicht brauchen, damit Griechenland wieder Zugang zu den Kapitalmärkten bekomme, sagte Weidmann. Die Frage sei aber, ob man mit einem Schuldenschnitt zum jetzigen Zeitpunkt die richtigen Anreize setze. Weidmann warf die Frage auf, ob es nicht sinnvoll sei, diesen Forderungsverzicht in Aussicht zu stellen, wenn die Reformen auch umgesetzt seien.

Quelle: ntv.de, rts/dpa

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