Wirtschaft

Gigantischer Schuldenberg Das bedeutet die Evergrande-Liquidierung

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Evergrande steht im Zentrum der Krise des chinesischen Bausektors.

Evergrande steht im Zentrum der Krise des chinesischen Bausektors.

(Foto: REUTERS)

Der Immobilienentwickler China Evergrande muss abgewickelt werden. Der Konzern ist mit rund 300 Milliarden Dollar verschuldet. ntv.de beantwortet die wichtigsten Fragen zum Gerichtsurteil in Hongkong.

Was ist passiert?

Der Immobilienkonzern China Evergrande soll aufgelöst werden. Das entschied eine Richterin in Hongkong nach jahrelangem juristischem Gezerre und folgte damit dem Antrag von Gläubigern. Das Unternehmen hat einen Schuldenberg von rund 300 Milliarden Dollar angehäuft - was etwa 1,7 Prozent der chinesischen Wirtschaftsleistung entspricht. Knapp 23 Milliarden Dollar wurden im Ausland aufgenommen. 2021 war Evergrande das Geld ausgegangen, der Konzern meldete Insolvenz an und wurde zum Symbol der Schuldenkrise, die seither den chinesischen Immobiliensektor erfasst hat.

Was ist China Evergrande überhaupt?

China Evergrande war vor der Insolvenz einer der weltweit größten Immobilienentwickler. Das Unternehmen baute in ganz China Wohnungen vor allem für Menschen mit mittlerem und höherem Einkommen. Gegründet wurde das Unternehmen 1996 von Hui Ka Yan im südchinesischen Guangzhou. Er setzte auf die rapide Urbanisierung des Landes. Das Unternehmen wuchs rasant und ging 2009 an die Börse. Über das ganze Land verteilt baute Evergrande zahllose Hochhäuser, zeitweise arbeiteten 200.000 Menschen für das Unternehmen. Hui war mit einem geschätzten Vermögen von 43 Milliarden Dollar zeitweise der reichste Mann Chinas. Mittlerweile ermittelt die Justiz gegen ihn wegen des "Verdachts auf kriminelle Aktivitäten" - konkreter wurden die Behörden nicht. Hui steht unter Hausarrest.

Wie konnte es so weit kommen?

In den Boom-Jahren seit der Jahrtausendwende kauften viele Chinesen Immobilien. Die Preise stiegen in der gesamten Volksrepublik rasant. Bauen war für die Volksrepublik einer der wichtigsten Konjunkturtreiber. Der Immobilienbereich machte mehr als 20 Prozent der chinesischen Wirtschaftsleistung aus. Doch nun platzt die Blase.

Warum?

Aus mehreren Gründen. Einige chinesische Immobilienriesen waren so stark gewachsen, dass sie mit ihrer Verschuldung ein systemisches Risiko für den Finanzsektor darstellten. Nach vielen Jahren des Booms auf Chinas Immobilienmarkt ging die Führung des Landes gegen Spekulationen vor, um Luft aus der Immobilienblase zu nehmen. Der Anstieg von Mieten wurde eingeschränkt, auch die Möglichkeit, eine zweite oder dritte Wohnung zu kaufen. Danach kam hinzu, dass Chinas Wirtschaft seit der Corona-Pandemie schwächelt. Viele Chinesen halten deshalb ihr Geld zusammen, dadurch gehen die Einnahmen der Bauträger zurück. Angesichts der Schwierigkeiten von China Evergrande hielten sich potenzielle Kunden, Geldgeber, Lieferanten und Subunternehmer fern. Auf vielen Baustellen ruhte die Arbeit.

Wieso wurde auch das Geschäftsmodell zum Problem?

Evergrande hat sein Wachstum durch Schulden finanziert, die nicht mehr vollständig zurückgezahlt werden können. Das Unternehmen hat sich nicht nur bei Banken und über den Anleihemarkt verschuldet, sondern auch bei seinen Kunden. Denn Evergrande verlangte von den Kunden Vorkasse für ihre Wohnungen, die allerdings erst noch gebaut werden mussten. Das Geld nutzte das Unternehmen aber gerne, um erst ältere Projekte fertigzustellen. Evergrande war also darauf angewiesen, dass immer weiter neue Aufträge eingingen, um bereits bezahlte Wohnungen zu bauen. Doch der Geldfluss versiegte. Viele Chinesen fürchten, dass ihre Wohnungen nicht mehr fertig gebaut werden.

Wie geht es weiter?

Jetzt beginnt die Suche nach einem Insolvenzverwalter. Dieser soll die Vermögenswerte des Unternehmens verkaufen, um damit die Schulden an die Gläubiger zu bezahlen. Doch das dürfte ein langes, zähes Verfahren werden. Denn noch ist unklar, ob Gerichte auf dem chinesischen Festland das in Hongkong gesprochene Urteil akzeptieren. Es wird erwartet, dass das Urteil kurzfristig nur geringe Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit des Konzerns, einschließlich der Hausbauprojekte, haben wird. Die schwierigste Aufgabe für den offiziellen Abwickler wird es sein, die Beteiligungen in China selbst unter seine Kontrolle zu bekommen, indem er dort jeweils das Management austauscht. Das könnte Monate, wenn nicht Jahre dauern. Angesichts der Bedeutung von Evergrande werden auch Behörden und Politiker Einfluss nehmen. Eine ihrer Prioritäten wird sein, dass Evergrande möglichst viele der bereits verkauften Wohnungen fertigstellt.

Quelle: ntv.de, mit dpa/rts

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