Wirtschaft

"Welt mit Burnout-Syndrom" Davos sucht nach Lösungen

Davos wartet auf die Mächtigen aus Politik und Wirtschaft.

Davos wartet auf die Mächtigen aus Politik und Wirtschaft.

(Foto: REUTERS)

Das kleine Davos - immer Ende Januar wird es zum Mittelpunkt der Welt. Seit über 40 Jahren konferieren hier die Mächtigen. Jetzt reichen die Schatten der Schuldenkrisen bis in die Abgeschiedenheit der Schweizer Berge. Es wird Zeit für neue Wirtschaftsmodelle.

Gastgeber Klaus Schwab ist bereit für seine Gäste.

Gastgeber Klaus Schwab ist bereit für seine Gäste.

(Foto: REUTERS)

Die globale Verunsicherung erfasst auch das Jahrestreffen der Mächtigen und Reichen. Schuldenkrisen und politische Umwälzungen erweckten "den Eindruck eines globalen Burnout-Syndroms", sagt Klaus Schwab, Präsident des Weltwirtschaftsforums, WEF, im Schweizer Alpen-Kurort Davos. Die Welt brauche Reformideen, neue Modelle für zeitgemäße Führung in Politik und Wirtschaft. "Lassen Sie uns Lösungen suchen", lautet Schwabs Auftrag für die 42. Ausgabe des Forums, das am Mittwoch beginnt. "Der Kapitalismus in der bisherigen Form passt nicht länger zu unserer Welt", diagnostiziert Schwab. Das Forum, das der legendäre Netzwerker 1971 als junger Wirtschaftsprofessor gründete, zieht diesmal 2600 Teilnehmer an - so viele wie nie zuvor.

Die mächtigste Frau Europas, Bundeskanzlerin Angela Merkel, hält die Eröffnungsrede. Aus fast 40 weiteren Ländern reisen Staats- und Regierungschefs an, 19 G20-Staaten sind vertreten. Alle G8-Finanzminister kommen, ebenso 1600 Wirtschaftsführer. Insgesamt 1000 Mitgliedsunternehmen des WEF sind präsent.

Lektionen nicht gelernt

Schwabs Bestandsaufnahme der aktuellen Lage fällt ernüchternd aus: "Wir haben die Lektionen aus der Finanzkrise von 2009 nicht gelernt. Wir sind überschuldet. Wir haben Zukunftsinvestitionen vernachlässigt, wir haben den sozialen Zusammenhalt geschwächt, und wir laufen Gefahr, das Vertrauen künftiger Generationen vollständig zu verlieren."

50 globale Gefahren listet der vom WEF mit verfasste "Global Risk Report 2012" auf. Viele dieser Risiken näherten sich "dem Umkipp-Punkt" - also dem Punkt, von dem an drastische Veränderungen sehr schnell ablaufen können, warnen die Autoren. Zu den Risiken, die sie als die folgenschwersten und wahrscheinlichsten einschätzen, zählen "chronische finanzielle Ungleichgewichte", gravierende Einkommensunterschiede, Nahrungs- und Wasserkrisen, der Anstieg der Treibhausgase, Terrorismus, Cyber-Attacken und Korruption.

Das Zusammenspiel dieser Risiken könne in eine dunklere Zukunft führen, in der die Weltgesellschaft hinter viele sicher geglaubte Errungenschaften zurückfalle. "Deshalb müssen wir uns den Risiken stellen, während wir gleichzeitig die Sünden der Vergangenheit bekämpfen", fordert Schwab. "Veraltete und bröckelnde" Regierungs- und Führungsmodelle führten nur tiefer in die Krise. Deshalb bindet das WEF erstmals junge Menschen aus 140 Städten in aller Welt in die Debatten ein. "Die große Transformation - neue Modelle gestalten", lautet das Motto des 42. Weltwirtschaftsforums.

Schuldenkrise überdeckt alles

Die Kapitalismuskritiker sind auch schon vor Ort.

Die Kapitalismuskritiker sind auch schon vor Ort.

(Foto: REUTERS)

Als größte Schatten liegen die Staatsschuldenkrisen in Europa und den USA über dem idyllisch-verschneiten Landwassertal. Der Kampf um den Griechenland-Schuldenschnitt und der Streit über die Architektur des künftigen europäischen Rettungsschirms dürften die Diskussionen überlagern. Mit Spannung erwartet werden die Besuche von IWF-Chefin Christine Lagarde, Weltbank-Präsident Robert Zoellick, EZB-Chef Mario Draghi, US-Finanzminister Timothy Geithner und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).

Die Kosten für ihren Schutz werden auf rund sieben Mio. Euro geschätzt. Die Vorkehrungen reichen bis hin zur Alarmbereitschaft der Schweizer Luftwaffe mit mehreren F/A-18-Kampfjets.

Occupy-Aktivisten sind auch da

So viel konzentrierte Macht, so viel Nähe von Politik und Wirtschaft, streng vertrauliche Kaminzimmer-Gespräche in einem abgelegenen Bergdorf im Kanton Graubünden - seit Jahrzehnten erzeugt Davos auch Misstrauen. Das WEF sei eine heimliche, nicht demokratisch legitimierte Weltregierung, lautet ein Vorwurf. Gründer Schwab hält dagegen: "Wir sind keine Plattform für Entscheidungsfindung. Wir sind die Plattform für das Suchen nach Lösungen."

Ganz anders sehen das die Aktivisten der globalen Bewegung Occupy, die abseits des Konferenzgeländes ein Iglu-Dorf - ein "Camp Igloo" - errichtet haben, um von dort aus gegen Finanzspekulanten und für eine umweltfreundlichere Weltwirtschaft zu kämpfen. Die Teilnehmer des WEF seien "unglaublich anmaßend", sagt der Schweizer Jungsozialistenchef David Roth: "Alle Leute, die die Krise verursacht haben, treffen sich und geben vor, diese Probleme lösen zu können."

Allzu viele Occupy-WEF-Demonstranten werden das Bergdorf aber wohl nicht erreichen. Maximal 300 Gleichgesinnte erwartet Roth - wegen der großräumigen Sicherheitsvorkehrungen. Erste Gewalt gab es am Wochenende weitab von Davos in der Bundeshauptstadt Bern, wo mehr als 170 Demonstranten festgenommen wurden.

Quelle: ntv.de, Matthias Armborst, dpa

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