Bundesbank-Präsident Weidmann Der Krisenflüsterer
16.02.2011, 13:17 UhrEr wirkt stets so, als könne er kein Wässerchen trüben. Jens Weidmanns Gesicht taucht nicht in Talkshows oder der Boulevardpresse auf. Dabei ist er in allen Fragen der Wirtschaft die graue Eminenz von Kanzlerin Merkel. Nun wartet auf ihn der Chefsessel bei der Bundesbank.
Ein "Ausgeliehener" kehrt zurück. Bundeskanzlerin Angela Merkel muss entgegen ihren ursprünglichen Wünschen und Planungen wohl weit schneller auf ihren Chefberater in Wirtschafts- und Finanzfragen, Jens Weidmann, verzichten müssen. "Er war von der Bundesbank nur an die Bundesregierung ausgeliehen", beschrieb Bundesbank-Präsident Axel Weber den Vorgang - der Mann, der Merkel mit seinem misstönenden Abschiedsakkord in diese missliche Lage gebracht hat. Nun wird Weidmann die Kanzlerin nicht einmal mehr in seiner Rolle als "Super-Sherpa", als ihr Chef-Gipfelvorbereiter, durch die G20- und die G8-Spitzentreffen in diesem Jahr leiten können. Der Mann wird anderweitig gebraucht: in der Führung der Deutschen Bundesbank, als bissiger Wachhund der Deutschen für die Stabilität des Euro und des Währungsraums.
Der jungenhaft wirkende, meist lächelnd daherkommende 42-Jährige, hat nach Auffassung der meisten unzweifelhaft das Zeug, Webers Job machen zu können - vielleicht aber erst nach einer relativ kurzen Übergangszeit. "Herr Weidmann ist ein hervorragender Ökonom", warb sein wissenschaftlicher Ziehvater Weber gerade in einem Interview. Und der ehemalige Chef der "Wirtschaftsweisen", Bert Rürup, nannte ihn einen "brillanten Kopf". Zudem hat der ehemalige Abteilungsleiter der Bundesbank inzwischen auch viel Erfahrung mit dem politischen Geschäft.
Stiller Krisenmanager
Das konnte er sich in der tiefsten Wirtschafts- und Finanzkrise der vergangenen Jahrzehnte aneignen. Es war Weidmann, der eine entscheidende Rolle dafür spielte, dass Deutschland die Krise relativ gut hinter sich gelassen hat. Es hatte zeitweise den Anschein, als wären in Wahrheit Weidmann und sein Kollege aus dem Finanzressort, Staatssekretär Jörg Asmussen, die entscheidenden Männer in der deutschen Krisenpolitik. Kein wichtiges Gremium zur Krisenbekämpfung, in dem nicht beide saßen oder eng abgestimmt agierten.
Als "Manager mit Beamtenstatus" steuern Weidmann, Asmussen & Co. die gigantischen Rettungspakete des Staates für Banken, Euro und Unternehmen und müssen auch auf internationalem Parkett bestehen. Weidmann tritt aber nie arrogant auf, sondern versteht sich als Diener der Kanzlerin: "Meine Aufgabe ist es allein, die Themen so aufzuarbeiten, dass sie eine Entscheidungsgrundlage hat."
Weidmann und Asmussen kennen sich bereits aus Bonner Studienzeiten. Die Duzfreunde hörten damals auf Prof. Axel Weber, der zu ihrem Mentor wurde. Merkel machte Weidmann Anfang 2006 auf Empfehlung Webers zu ihrem wirtschaftspolitischen Berater. Seitdem leitet er die Wirtschafts- und Finanzabteilung im Kanzleramt.
Ohne Umwege
Der Ökonom Weidmann steht für einen wirtschaftsliberalen, pragmatischen Politik-Ansatz ohne Ideologiekämpfe - auch in Wahlkampfzeiten. Er vertraut dem Markt. Im Sachverständigenrat galt er als einer der Initiatoren des viel beachteten Vorschlags der Wirtschaftsweisen für einen radikalen Umbau der Sozialhilfe und den Aufbau eines Niedriglohnsektors, um den verkrusteten deutschen Arbeitsmarkt aufzubrechen. Diese Vorschläge flossen in die Agenda 2010 von Kanzler Gerhard Schröder ein. In der Finanzkrise erkannte er aber auch, dass der Staat mit Blick auf das Gemeinwohl Banken und Konzerne nicht hängen lassen darf.
Die berufliche Biografie des verheirateten Vaters von zwei Kindern jedenfalls stimmt, wenn es um den Top-Job bei der Bundesbank geht. Weidmann arbeitete bis zu seinem Wechsel ins Kanzleramt als Leiter der Abteilung Geldpolitik und monetäre Analysen. Davor sammelte er als Generalsekretär beim Sachverständigenrat, den Fünf Wirtschaftsweisen, und beim Internationalen Währungsfonds Erfahrungen. Seine Studienzeit hat er nicht nur in Bonn verbracht, sondern auch in Frankreich, was ihm nicht zuletzt fließende Französischkenntnisse einbrachte. Für den parteilosen Weidmann wäre der Wechsel nach Frankfurt aber auch persönlich verlockend. Damit würde sein Pendeln zwischen Frankfurt und Berlin - und von da aus in alle Ecken des Erdballs - ein Ende finden. Weidmanns Familie wohnt im Rhein-Main-Gebiet.
Merkel-Makel
Trotz allem, das für ihn spricht: Der Wechsel Weidmanns nach Frankfurt hat auch einen Makel. Wenn der vielleicht wichtigste Mitarbeiter der Kanzlerin, ein Vertrauter und Spitzenbeamter nun in die Führung der unabhängigen Bundesbank wechselt, so ist das nicht ohne Beigeschmack. Das sieht nicht nur SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier so. Ein Signal für die politische Unabhängigkeit dieser Frankfurter Institution ist das jedenfalls nicht. Dabei kann Weidmann zugetraut werden, gegenüber Merkel notfalls Kante zu zeigen. Das soll er auch schon nachgewiesen haben: Als es im Falle Opel darum ging, ob der Konzern Staatshilfen erhalten soll oder nicht.
Einmal lag auch Weidmann daneben. Als im Oktober 2008 die weltweite Finanzkrise tobte, verkündete Merkel im Bundestag, dass sie Ex-Bundesbankchef Hans Tietmeyer zum Leiter einer Expertengruppe machen wolle, die Vorschläge zur Reform der Finanzmärkte vorlegen sollte. Als Merkel den Namen aussprach, erntete sie höhnisches Gelächter der Opposition. Einige Abgeordnete wussten sofort, dass ausgerechnet Tietmeyer seinerzeit im Aufsichtsrat der Skandalbank Hypo Real Estate saß. Tietmeyer zog sich nach heftigen Protesten zurück.
Quelle: ntv.de, nne/dpa/rts