Wirtschaft

Von der Angst zum BegriffDiagnose: Kreditklemme

02.12.2009, 19:27 Uhr

Das Wort von der Kreditklemme ist in aller Munde, doch eine verbindliche Definition für diesen Zustand gibt es nicht. Ein Blick auf die Details.

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Unterversorgung gefährdet Muskeln, Hirn und Unternehmen. (Foto: picture-alliance/ dpa)

Die Versorgung der Unternehmen mit Krediten bildet eine essenzielle Grundlage des Wirtschaftslebens. Der Zugang zu Fremdkapital ist dabei stets abhängig von verschiedenen Faktoren wie zum Beispiel der Bonität des Kreditnehmers, dem angestrebten Einsatzzweck des Kredits, eventuell vorhandenen Sicherheiten, der Marktlage, dem Leitzinssatz, der Kredithöhe, der vereinbarten Laufzeit und den Tilgungsmodalitäten.

"Nach unserer Sicht liegt eine Kreditklemme erst dann vor, wenn Kredite für Unternehmen generell und flächendeckend durch die Banken nicht mehr zur Verfügung gestellt werden, obwohl entsprechende Nachfrage der Unternehmen vorhanden ist", definiert die staatlichen Förderbank KfW den mittlerweile hoch umstrittenen Begriff in einem Kreditmarktausblick.

Unter Begriffen wie "generell und flächendeckend" verstehen die KfW-Experten dabei Engpässe "nicht nur in einzelnen Branchen", sondern auch über alle "Unternehmensgrößen oder Kreditlaufzeiten" hinweg.

Weil es jedoch weder eine allgemein gültige Definition von "Kreditklemme" gebe, noch einen breit anerkannten Indikator, an dem man diese ablesen könne, hält die KfW eine konkrete Diagnose nach eigenen Angaben für kaum möglich.

Meßbar ist lediglich das Gesamtvolumen der von Banken an Unternehmen und Haushalte vergebenen Kredite und die jeweils geltenden Kreditbedingungen. Angaben dazu veröffentlicht die Deutsche Bundesbank zum Beispiel in ihren Monatsberichten.

Deren Vizepräsident, Franz-Christoph Zeitler, beschrieb das Phänomen "Kreditklemme" jüngst als Ergebnis von Wirtschaftslage und bestimmten Bedingungen im Bankensektor. Kreditklemme sei eine "Situation, in der die Banken den wirtschaftlichen Aufschwung durch Restriktionen des Kreditangebots behindern oder gar verhindern". Die "Klagen vieler Unternehmen" gingen über Einzelfälle hinaus, erklärte Zeitler Mitte November 2009 in einer Rede vor Branchenvertretern.

Der Weg in den Engpass

Der Bundesverband Deutscher Banken (BdB) beschrieb die Konstellationen, die zu einer Verknappung des Kreditangebots führen können, im September 2009 so: "Die finanziellen Reserven in der deutschen Wirtschaft [sind] nach zwei Krisenjahren allmählich erschöpft. Hinzu kommt, dass die Ratings vieler Unternehmen schlechter zu werden drohen, weil die Bilanzen, die im Lauf des ersten Halbjahres 2010 vorgelegt werden, das Krisenjahr 2009 widerspiegeln werden".

Diese zum Teil massiv schlechter ausfallenden Bilanzen bildeten die Grundlage für die Bonitätsüberprüfungen, "die rechtlich vorgeschrieben und betriebswirtschaftlich notwendig sind. Schon von daher sind Auswirkungen auf das Kreditgeschäft zu erwarten."

Im Zuge der Krise werden, so hieß es beim Bankenverband weiter, die Unternehmensinsolvenzen deutlich zunehmen. "Und wenn die Kurzarbeiterregelungen nicht mehr greifen, wird die Arbeitslosigkeit steigen. Beides führt zwangsläufig zu einer höheren Zahl von Kreditausfällen".

Für diese Risiken müssten die Banken nach den Regeln des Bankaufsichtsrechts mehr Eigenkapital vorhalten. "Darüber hinaus belasten anhaltende Schwierigkeiten bei der langfristigen Refinanzierung und der unverändert gestörte Verbriefungsmarkt die Kreditvergabe", beklagte der Branchenverband die Lage.

Die Annahmen der Forscher

Das Rheinisch-Westfälische Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) definiert den Begriff Kreditklemme als eine Situation, in der das Angebot der Banken an Krediten niedriger ist als auf Grund der herrschenden Zinssätze und der Wirtschaftlichkeit der Investitionsprojekte zu erwarten wäre.

Zwei Effekte sind den RWI-Experten zufolge in einer solchen Situation zu befürchten: Zum einen verliere die Geldpolitik einen Teil ihrer Wirksamkeit. Zum anderen führe der eingeschränkte Zugang zu Kapital dazu, dass Unternehmen ihre Investitionstätigkeit einschränken müssen, was die wirtschaftliche Lage eines Landes auch auf längere Sicht verschlechtere.

Eine Kreditklemme habe beachtliche makroökonomische Folgen, schrieben die Forscher in ihrer Stellungnahme aus dem Jahr 2003. Schon damals - lange vor der derzeitigen Krise - machte das Wort von der Kreditklemme die Runde.

Die Angst vor Engpässen in der Kreditversorgung sind also altbekannte Sorgen, die Unternehmen, Banken und Experten schon einmal intensiv beschäftigt haben. Ein Patentrezept von damals hieß: Kreditverbriefungen.

Quelle: mmo