S&P stuft versehentlich herab Frankreich reagiert sauer
11.11.2011, 12:20 Uhr
Skyline des Pariser Finanzdistrikts La Defense.
(Foto: dpa)
Erst Griechenland, Irland und Portugal - dann eventuell Spanien, Italien und sogar Frankreich? Die Finanzmärkte spekulieren seit Monaten darüber, welches Euroland als nächstes wackelt. In diese explosive Lage platzt Standard & Poor's mit einer Falschmeldung über die Aberkennung der französischen Top-Bonität. In Paris ist man empört.
Mitten in der Euro-Schuldenkrise hat die versehentlich die Top-Bonität aberkannt. Das sorgte im – ökonomisch gesehen- zweitgrößten Euro-Land für einen Schock. Finanzminister François Baroin forderte umgehend die Aufsichtsbehörde für die europäischen Finanzmärkte zu einer Untersuchung auf. Auch die EU-Kommission verurteilte den Vorgang auf das Schärfste. Es handele sich um einen "Schwerwiegenden Vorfall", erklärte Binnemarktkommissar Michel Barnier.
S&P selbst klärte den Fehler erst Stunden nach dem Vorfall auf: Eine entsprechende E-Mail sei an einige Abonnenten der S&P-Internetseite versendet worden. Die Ratingagentur sprach von einem "technischen Fehler". Man wolle die genaue Fehlerquelle untersuchen.
Die Panne hätte zu kaum einem ungünstigeren Zeitpunkt passieren können: Bereits vorher waren die Risikoaufschläge französischer Staatsanleihen zu den als extrem sicher geltenden deutschen Staatsanleihen auf Rekordhöhe gestiegen - mittlerweile liegen sie bei knapp 1,6 Prozent. In diesem hochnervösen Umfeld verschickte die Agentur dann ihre E-Mail.
Die Lage am französischen Anleihemarkt beruhigte sich nur leicht. Am Donnerstag hatte die Rendite für zehnjährige französische Staatstitel einen Sprung um rund 0,3 Prozentpunkte hingelegt, der laut Händlern zumindest teilweise auf den Patzer von S&P zurückging. Die Rendite des französischen Zehn-Jahres-Papiers lag am Freitag bei 3,4 Prozent und damit nur leicht unter dem Höchststand vom Vortag.
Derweil hat sich die Lage für italienische und griechische Staatsanleihen zum Wochenausklang entspannt. Nachdem die Risikoaufschläge für italienische Staatstitel bereits am Donnerstag merklich gesunken waren, gingen sie auch am Freitag spürbar zurück. Deutlich geringere Risikoaufschläge muss Griechenland zahlen, nachdem dort der Weg für eine Übergangsregierung frei wurde.
In Italien sank die Rendite der richtungsweisenden zehnjährigen Anleihe um gut einen Viertel Prozentpunkte auf rund 6,6 Prozent. Zur Wochenmitte war die Rendite deutlich über sieben Prozent gesprungen. In der Nähe dieses Renditeniveaus, das unter Experten über längere Zeit als nicht tragfähig gilt, hatten die Euro-Länder Griechenland, Irland und mit Finanzhilfen gerettet werden müssen.
Nullwachstum und drastische Sparpläne
Der frühere Präsident der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), Jacques Attali, hatte Frankreich in einem Gespräch mit dem französischen Wirtschaftsblatt "La Tribune" bereits ein schlechtes Zeugnis ausgestellt: "Machen wir uns nichts vor: auf den Finanzmärkten haben die (französischen) Schulden schon kein AAA mehr."
Die Regierung in Paris hatte in den vergangenen drei Monaten zweimal ihre Wachstumsprognosen reduziert und ausgearbeitet, um dennoch ihre ehrgeizigen Ziele bei der Reduzierung des Budgetdefizits zu erreichen. Nach Bekanntgabe eines Nullwachstums im zweiten Quartal dieses Jahres hatten Spekulationen über eine möglicherweise bevorstehende Herabstufung der Top-Bonität Frankreichs an den Börsen für Aufruhr gesorgt.
Quelle: ntv.de, wne/dpa/DJ/AFP